Als Patient meinen, Hospiz wieder verlassen zu können?
Von einem Bekannten ist der Bruder im Hospiz, weil er nicht heilbaren Krebs hat. Die Beiden telefonieren hin und wieder miteinander. So sagt der kranke Bruder dann oft, dass er gerne nach Hause möchte und keine Lust mehr hat, dort zu bleiben. Er will wohl nicht wahrhaben, dass er nicht wieder gesund wieder und leider an dem Krebs sterben wird. Er lebte auch alleine und es kann sich sonst niemand um ihn kümmern.
Mein Bekannter meint, dass sein Bruder manchmal 4 Tage am Stück schläft und es ihm dann etwas besser geht. Aber er kann einfach nicht entlassen werden, da er eben ständig Betreuung braucht. Da er oftmals auch sehr schlecht gelaunt ist und auch aggressiv werden kann, traut sich wohl auch so recht niemand, ihm zu sagen, dass er das Hospiz nicht mehr verlassen kann.
Wie geht man damit um, wenn ein sterbenskranker Mensch meint, dass er das Hospiz wieder verlassen möchte? Sollte man ihn da nur irgendwie beruhigen und versuchen ihm die Umstände da irgendwie "schön" zu reden, wenn das in solch einem Fall geht? Oder würdet ihr egal wie, eben sagen, dass er zu krank ist, um noch einmal wieder nach Hause zu kommen?
Ich glaube so etwas kann man sich selber schlecht vorstellen, wenn man nicht betroffen ist. Ich meine sonst muss und soll man kämpfen und hier wird einem der Kampf abgenommen, es geht einem jeden Tag schlecht, ist es da so verwerflich sich aus der Situation denken zu wollen? Außerdem denke ich auch, dass da auch Medikamente eine Rolle spielen werden, da man ja auch darauf bedacht ist, dass die Schmerzen nicht so schlimm sind.
Vielleicht ist das auch der Wille nicht mehr so bemitleidet zu werden. So etwas ist ja nicht für jeden angenehm und vielleicht ist es so, dass in seiner Vorstellung zu Hause alles besser wäre und er das Mitleid nicht mehr so bekommen würde, weil er nicht mehr im Hospiz ist.
Man kann viel spekulieren. Ich denke, dass man sich seelisch einfach ein kleines Hintertürchen offen lassen will, auch wenn einem rational klar ist, dass das nichts wird. Es ist ja auch je nach Erkrankung nicht immer möglich etwas gut erklären zu können, dass man das dem betreffenden auch langfristig erklären kann. So ist das für Leute mit Demenz immer eine große Sache, wenn sie in ein Heim oder so eine Einrichtung müssen, da sie nicht begreifen können warum sie da sind und je nach Erkrankung kann das ja auch im Hospiz so sein.
Ich finde, dass jeder Mensch seine letzten Tage so gestalten können sollte, wie er möchte, sofern er die Kraft dazu hat und nicht durch äußere Umstände (siehe Intensivstation) dazu gezwungen ist. Ich verstehe gar nicht, wo das Problem liegt. Ihm wird vermutlich bewusst sein, dass er bald sterben wird. Wenn er sich einen besseren Ort zum Sterben ausgesucht hat, was mischt ihr euch alle da ein?
Es ist doch sein Leben und nicht eures und wenn er sich im Hospiz miserabel fühlt und die letzten Tage aus dieser deprimierenden Umgebung raus möchte, ist das doch seine Entscheidung und sollte respektiert werden. Wenn man deine Zeilen so liest, könnte man glatt meinen, dass jeder Mensch gefälligst im Hospiz zu sterben hat, weil sich das so gehört.
Mein Vater ist im Hospiz verstorben und das erinnert mich stark an sein Verhalten in der letzten Zeit. Seine Krebs-Diagnose hat er nur ein Vierteljahr vor seinem Tod erhalten und natürlich verstanden, was diese bedeutet; was ihn in eine sehr schlimme seelische Verfassung versetzt hat. Er war nicht in der Lage, das zu verarbeiten und wer ist das schon.
Es gab einige Behandlungszyklen an Chemotherapie, bevor die Ärzte dies aufgaben und ihn ins Hospiz überwiesen. Nach einiger Zeit dort redete er auch wieder zunehmend von seiner Zukunft, was er zum Beispiel alles erledigen muss, wenn er wieder zuhause ist, oder fragte sich, wann es denn mit der Therapie weiterginge. Er hat einfach nicht hingenommen, dass dort Endstation war. Er hat sich dann gesagt, er bleibt jetzt erst mal dort, aber irgendwann wollte er auch wieder nach Hause.
Ich denke mal, das ist ein Schutzmechanismus der Seele, um irgendwie damit umgehen zu können. Sich auf den nahenden Tod einzustellen ist ja auch eine schizophrene Situation gegen die eigene Natur. Auch Aggressivität habe ich erlebt, dass einen die Hilflosigkeit gegenüber dem Schicksal wütend macht, kann ich allerdings auch sehr gut nachfühlen.
Fragt sich wie sehr man dem Menschen hilft, indem man ihm nun mit aller Gewalt einbläut, dass er bald tot ist. Davon geht es der Person in seinen letzten Wochen auch nicht besser. Ich war dazu jedenfalls nicht fähig und sah auch keinen Sinn darin, aber das kann man nicht hundertprozentig auf diese Situation übertragen.
Es war in dem Hospiz, das ich kennengelernt habe, kein Problem, mal vorübergehend nach Hause zu fahren, die sind da ja nicht gefangen. Die Frage ist natürlich die Versorgung und Betreuung zuhause, da bedarf es etwas Organisation im Vorfeld. Bei meinem Vater hätten dies ich und ein Pflegedienst übernommen, aber zu einer Heimfahrt kam es in den 3 Wochen dort doch nicht mehr.
Aber vielleicht sollte man den Mann ab und zu mal für Familienbesuche oder Ausflüge abholen und ihn auf andere Gedanken bringen, vielleicht bekommt er dort auch zu wenig Besuch. Solche Kleinigkeiten können schon viel für einen Menschen ändern, ganz besonders in dieser Lage.
Ich war nicht direkt in einem Hospiz, aber musste die letzten Jahre einige Menschen beim Sterben begleiten, weil sie mir wichtige Personen sind und ich sie nicht in Stich lassen wollte. Dabei kam auch immer mal wieder die Frage, wann kann ich nach Hause? Oder es kam Aussagen wie, ich werde nächste Woche das Krankenhaus verlassen und das obwohl wir eigentlich stündlich auf den Anruf des Sterbens warten mussten.
Ganze 4 Wochen habe ich, so blöd das klingt, auf diesen Anruf gewartet. Eine Verwandte von mir kam ins Krankenhaus, weil ihr Krebs zu spät zum heilen war und sie daheim nur mit Schmerzmittel still gelegt wurde und die Chemo nach dem zweiten Krebs innerhalb von 2 Jahren abgelehnt beziehungsweise abgebrochen hat. Nun war sie in einem schlechten Zustand, weil sie natürlich auch keine Chemos mehr machte, um es ein bisschen zu verringern. Sie nahm nur noch Schmerzmittel.
Sie kam dann ins Krankenhaus und da wollte sie nicht hin. Sie war sauer, sehr sauer. Doch ihr ging es, obwohl man uns sagte, sie stirbt gleich noch (wortwörtlich) nach zwei Tagen besser. Die Ärztin sagte auch, dass dies an ein Wunder grenzt und nach 14 Tagen durfte sie das Krankenhaus verlassen. Wir waren alle so erstaunt und dachten, vielleicht doch noch Hoffnung zu sehen.
3 Tage war sie zu Hause und musste wieder rein, es ging wieder bergab. Im Krankenhausaufenthalt 2 war dann auch der Weg täglich zu erkennen. Immer mehr geschlafen, trotz erheblicher Mittel Schmerzen, sie selbst wirkte abwesend, nicht mehr da und die Atmungen wurden schwerer und schwerer. Trotzdem meinte sie, sie käme nach Hause und was habe ich getan? Ich habe sie im Glauben gelassen.
Wieso? Im Ernst, ich will einem sterbenden Menschen, den ich liebe nichts anderes sagen. Ich mag lügen nicht und drehe da auch generell durch. Doch solche Lügen sind leider ein Teil des Lebens, glaube ich. Man will doch einem lieben Menschen nicht ein wenig Hoffnung und gute Laune in dieser Zeit nehmen. Darauf hat sie sich so gefreut, bis sie Halloween am Freitag den 13 gestorben war. Das war wie ein Schlag ins Gesicht und auch der Tag sowie das Datum.
Doch ich weiß, wenn es wirklich irgendwo ein Leben nach dem Tod geben würde, dass sie stolz auf mich wäre und nicht sauer, dass ihr diese Lüge aufgedrückt habe. Ich glaube, dass das vielleicht tatsächlich mal sein muss, auch wenn ich keine Freundin von Lügen bin.
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