Werbung für bestimmte Berufe ein Zeichen von Verzweiflung?
Dass die Bundeswehr Werbung für sich als Arbeitgeber macht, ist mir schon länger bekannt. Kürzlich bemerkte ich einen Werbespot, in dem die Polizei und Rettungskräfte für mehr Nachwuchs geworben haben. Dass in diesen Bereichen auch Kräfte fehlen, ist klar. Noch nie bemerkt habe ich jedoch Werbung für Pflegeberufe oder als Lehrer, dabei fehlen gerade in meiner Stadt 2000 Lehrkräfte und die Schulen sind überlastet.
Kann man also annehmen, dass Werbung für einen bestimmten Beruf immer ein Zeichen von Verzweiflung ist, weil der Bedarf größer ist als der Nachwuchs? Ist die Lage für Pflegeberufe oder Lehrer also gar nicht so schlimm, wenn dafür gar nicht so viel Werbung gemacht wird?
Wenn man zu viele Bewerber hat muss man so etwas nicht machen, also spricht hier ganz klar die Verzweiflung, aber es ist ja auch ein Versuch wert. Immerhin sind es nur ein paar Plakate und wenn man dafür dann Nachwuchs in den Bereichen hat ist das doch in Ordnung. Keiner möchte einen Beruf bewerben, der überlaufen ist, weil das letztendlich nur noch mehr Arbeit macht und das dann auch verschwendete Plätze sind, die man eventuell auch zu anderen Berufen bekommen kann.
Werbespots für Lehrer lohnen sich nicht wirklich. Schließlich muss man erst studieren und kann sich nicht direkt bewerben, wie das bei der Polizei oder der Bundeswehr möglich ist. Schließlich muss der Krempel auch bezahlt werden. Und bei Polizei oder Bundeswehr ist der Kostenträger klar.
Bei Pflegekräften sieht das anders aus. Da müsste ein Träger eine Kampagne schalten oder mehrere Träger müssten sich einigen. Bei Lehrern sind es die Länder, weil Bildung Ländersache ist. Und tatsächlich werben die Länder durchaus. Der Berliner Senat zahlt für Kampagnen in anderen Bundesländern, um angehende Lehrer anzuwerben. NRW wirbt für Lehrer und Erzieher. Die Annahme, dass Werbung ein Zeichen von Verzweiflung ist und ohne Werbung ist die Lage nicht so schlimm, stimmt nicht. Vieles bekommt man gar nicht mit, wenn man nicht zur Zielgruppe gehört.
Gerade weil du Lehrer als Vergleich nennst, muss man dabei auch sehen, dass es nicht zu wenige Lehrer in Deutschland gibt. Aber leider ist in den meisten Bundesländer das Budget zu knapp bemessen, so dass nie alle offenen Stellen besetzt werden können. Also muss man auch keine Werbung dafür machen, dass Abiturienten dann auf Lehramt studieren.
Anders sieht das wieder bei den Pflegeberufen aus. Denn hier gibt ja keine übergeordnete Stelle, die eine entsprechende Werbung auf den Weg bringen kann. Zum Teil hat man hier Organisationen, wie die Arbeiterwohlfahrt als Träger, aber eben auch private Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind. Und da findet man schon die eine oder andere Werbung, wenn auch nicht in so großem Stil.
Ich denke nicht, dass man das als Zeichen der Verzweiflung ansehen kann, sondern ich schätze es eher so ein, dass der Trend heutzutage nunmal eindeutig zur Medienpräsenz und zum verstärkten Marketing geht, und zwar in jeglicher Branche.
Vor 20 Jahren mag es ausgereicht haben, eine Stellenanzeige an eine Pinnwand in einem Universitätsflur zu heften oder Plakate mit dem neuesten Waschmittel an Litfaßsäulen zu kleben, aber wer achtet heutzutage noch auf solche Werbung? Die meisten informieren sich via Fernsehen und Internet über aktuelle Angebote, und wer Kundschaft und Bewerber für sich gewinnen will, muss mit der Konkurrenz mithalten und sich ebenfalls in diesen Bereichen betätigen.
Noch dazu sind nahezu alle Berufsgruppen von Nachwuchsmangel bedroht, was diverse Ursachen hat. Phänomene wie eine verstärkte Auswanderungstendenz durch bessere Arbeitsbedingungen im Ausland unterstreichen daher die Notwendigkeit, als potentieller Arbeitgeber auf sich aufmerksam zu machen und sich in den Augen von Interessenten attraktiv, modern und chancenreich zu präsentieren.
Daher sind heutzutage sogar ehemals sehr angesehene und überlaufene Berufe dazu gezwungen, verstärkt Werbung zu machen, Informationsmaterial an den Mann zu bringen und auf Messen und Veranstaltungen Präsenz zu zeigen. Vielleicht schwingt da auch ein wenig Verzweiflung mit, aber wenn das der Fall ist, dann ist diese sicherlich nicht nur auf einzelne Jobanbieter beschränkt.
Bei uns sehe ich tatsächlich relativ viel Werbung von der Uniklinik und da ist auch Werbung nach dem Motto "wir bilden in X verschiedenen Berufen aus" dabei. Da sind auch Berufe dabei, von denen ich vor dieser Werbung noch nie gehört habe, von daher macht das schon Sinn. Viele Berufe hat man als Schüler ja wirklich nicht auf dem Schirm.
Mit Verzweiflung hat diese Werbung wahrscheinlich wenig zu tun, aber ich denke, dass man sich heute schon mehr anstrengen muss um aufzufallen und wahr genommen zu werden. Es gibt ja so viele verschiedene Möglichkeiten, für die man sich als Schulabgänger entscheiden kann und die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass man sich für einen Beruf entscheidet, von dem man nicht erst bei der Berufsberatung zum ersten Mal hört.
Wie man für Lehrer werben sollte erschließt sich mir jetzt aber nicht so wirklich. Da gibt es ja keine Einrichtungen, die Ausbildungsplätze vergeben und das Ziel haben ihre Auszubildenden später auch zu übernehmen. Das könnte dann höchstens über die Studienberatung laufen oder an den Hochschulen. Davon würde man aber dann nichts mitbekommen wenn man nicht zur Zielgruppe gehört.
Ich würde schon sagen, dass es ein Zeichen von Verzweiflung ist, wenn die Berufe so für sich werben. Dann kann man schon davon ausgehen, dass massiv Leute für die vorhandenen Stellen fehlen und eben gesucht werden. Ich denke aber auch, dass dann eben die Berufe werben, die durch eine Ausbildung zu erlernen sind. Bei Berufen, für die man ein Studium braucht, wie beim Lehrerberuf, wird das ja nicht so viel Sinn machen, zumindest eben nicht akut.
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