Traditionelle Werte in Partnerschaften nicht Ernst nehmen?

vom 02.10.2017, 04:38 Uhr

Ein Bekannter von mir hat eine interessante These aufgestellt. Er ist der Ansicht, dass traditionelle Werte wie Ehrlichkeit und Treue von den Menschen der Gegenwart nicht mehr Ernst genommen würde und dass dies der Grund wäre, warum so viele Beziehungen scheitern würden. Ich finde, dass man das nicht pauschalisieren sollte und kenne durchaus Fälle, wo zwar Ehrlichkeit und Treue vorhanden waren und man die traditionellen Werte pflegte, aber sich die beiden Partner in verschiedene Richtungen entwickelten und ein Ende daher zwangsläufig absehbar war.

Wie seht ihr das? Ist immer das Ignorieren von traditionellen Werten Schuld, wenn eine Beziehung des 21. Jahrhunderts scheitert? Oder kann man das gar nicht so pauschal sagen? Welche Erfahrungen und Beobachtungen habt ihr da gemacht und warum?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



So pauschal kann man das nicht sagen. Heutzutage hat man ja auch ganz andere Möglichkeiten jemanden kennenzulernen, man kommt schneller zu einer Beziehung und wenn man diese schnell eingeht ohne sich gut zu kennen, kann diese einfach am Alltag scheitern. Ich denke, dass da viele Gründe eine Rolle spielen und nicht nur Wertvorstellungen und Umsetzung von Werten. Natürlich sind die genannten Werte wichtig, aber letztendlich nicht alles.

Ein Beispiel wäre hierfür sicherlich, dass Person A gerne Kinder bekommen möchte, Person B aber feststellt, dass sie das nicht möchte. So etwas entwickelt sich vielleicht und hat nichts mit Ehrlichkeit oder Treue zu tun, sondern einfach mit Weiterentwicklungen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich bin der ketzerischen Ansicht, dass "traditionelle Werte" selbst in der "guten alten Zeit" nicht ernster genommen wurden als heutzutage. Damals (wann auch immer das war) ging es statt dessen oft eher darum, nach außen hin eine anständige, gutbürgerliche Fassade zu wahren und quasi das Gesicht nicht zu verlieren. Was hinter verschlossenen Türen vorging, war bestimmt auch nicht immer von Treue und Ehrlichkeit geprägt, sondern eher von noch mehr Heuchelei und Lügen als heute. Im viktorianischen London, als Zucht und Anstand groß geschrieben wurden, gab es nicht ohne Grund mehr Prostituierte als zu allen anderen Zeiten.

Außerdem sind viele Beziehungen sicher auch deswegen nicht gescheitert, weil gerade die Ehefrauen keine Wahl hatten, als ihren prügelnden Säufer zu ertragen. Die Kinder wären sie bei einer Scheidung losgeworden, finanziell waren sie komplett von ihren Familien abhängig, und gerade in bestimmten Gesellschaftskreisen stellte eine Scheidung zugleich den sozialen Selbstmord dar. Deswegen hat man sich eben abgefunden. Mit "Treue und Ehrlichkeit" und sonstigen Werten hat diese Form der Beziehung in meinen Augen gar nichts zu tun, sondern schlicht und ergreifend mit gesellschaftlichen Zwängen.

Was daran besser sein soll als heute, verstehe ich sowieso nicht. Natürlich ist es schade, wenn eine Beziehung in die Brüche geht, aber ich lebe schon lieber in einer Zeit, in der ich meinen Angetrauten vor die Tür setzen kann, wenn es nicht mehr läuft, ohne in Armut und sozialer Isolation mein Leben daraufhin beschließen zu müssen.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Untreue und Lügen in der Beziehung gab es schon immer. Aber wie schon geschrieben wurde, hat man heute mehr Möglichkeiten einen potentiellen neuen Partner kennen zu lernen. Dagegen hat aber auch der Betrogene wesentlich mehr Wege um dem Partner auf die Schliche zu kommen. Da hatten es unsere Eltern und Großeltern einfacher zu betrügen bzw. schwerer es herauszufinden.

Und ja, bei der Generation meiner Eltern war es noch so, dass man lieber nach Außen heile Welt spielte, als sich scheiden zu lassen. Nicht weil man als Frau dann die Angeschmierte war, was vor allem die Finanzen anging. Aber es war halt das Ansehen, was man nicht beschmutzen wollte.

Zudem muss man auch sehen, dass zum Beispiel meine Mutter zu DDR-Zeiten viel schneller zu ihrem Recht gekommen wäre, als ich es heute zugesprochen bekommen habe. Allein was den Kindesunterhalt anging, waren die Gesetze damals doch wesentlich vorteilhafter für den erziehenden Elternteil und auch der Job wurde den Bedürfnissen der Alleinerziehenden angepasst.

Wenn man bedenkt, dass vor 50 Jahren in der BRD viele Frauen nicht oder nur für ein paar Stunden arbeiten gingen, die Kinderbetreuung wesentlich schlechter war als heute, war es gar nicht so einfach plötzlich für alles allein verantwortlich zu sein und dabei auch noch genug zu verdienen, damit man seine Kinder ernähren konnte.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Ich glaube nicht, dass das schlimmer oder gar besser geworden ist als früher. Man hat immer jemanden kennenlernen können, heute noch einfacher als damals aber auch schon damals war das machbar. Ein Grund hierbei sehe ich eher darin, dass Frauen inzwischen Eigenständig sind oder sein können, arbeiten gehen dürfen, auch ihre Rechte haben und nicht als Dienstmagd Zuhause gehalten werden und von ihrem Ehemann abhängig sind.

Denn das war einer der Gründe, warum damals nicht viele direkt abgehauen sind als der tolle Mann abgehauen ist und Fremd gegangen ist. Scheidung gab es nicht und ging auch nicht überall, gleiches auch mit dem Unterhaltsrecht, welches auch noch nicht so lange besteht. Wie hätte die Frau mit 5 Kindern nach einer Trennung hinterher dann aufkommen sollen für ihren Lebensunterhalt? Sie durfte nicht arbeiten, hinterher wurden sie nicht eingestellt und die Kinder mussten in der Zeit auch untergebracht werden. Sprich alles schwieriger als es heute der Fall ist, wo ganz klar ist, wer die Kinder nicht bei sich hat, der zahlt Unterhalt und kann er das nicht, dann springt das Jugendamt eben ein. Ebenfalls ist es als Frau nun auch möglich, einen Arbeitgeber zu finden der sie einstellt, denkt man mal 100 Jahre eher, dann gab es dort nicht.

Was ist den Damen also anderes übrig geblieben als beim Mann zubleiben der sich munter durch die Weltgeschichte gevögelt hat und das zu ertragen bis er ins Gras beißt. Wie gesagt, heute geht vieles einfacher und damals hat man sich auch bei manchen Dingen mehr zusammen gerissen als heute und nicht direkt mit einer Scheidung gedroht und diese vollzogen wenn es einen kleinen Streit gab, wie es heute der Fall ist. Denn nicht immer ist der Grund für eine Scheidung wirklich essentiell, teilweise auch einfach nur banale Dinge wo man sich schon an den Kopf fasst und sagt, dass das damals nicht gemacht wurde da teuer, die Zukunft und Unterhaltssicherung von einem selbst in Gefahr war, aber heute das alles vereinfacht worden ist.

Auch darf man nicht vergessen das sich die Stellung der Frauen deutlich gewandelt hat. Früher hatten diese nichts zu melden, keine eigene Meinung zu haben und heute ist das anders auch dank Gesetzesänderungen die seither passiert sind. Dreh die Zeit mal 50-100 Jahre zurück und schau dir an wie es dort war, da hätte man die Frau noch bestraft wenn sie ihren Mund aufmacht und sich darüber beklagt, dass der holde Ehemann durch die Weltgeschichte vögelt und sie sich trennen will. Unterhaltsforderungen, Versorgungsausgleich? Pustekuchen, gab es nicht. Und wer wollte schon eine "gebrauchte" Frau mit mehreren Blagen hinterher annehmen und durchfüttern? Auch eher die Ausnahme.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


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