Freizeitgestaltung von Gesundheitszustand abhängig machen?
Wenn man krank ist und Bettruhe hat, hat man natürlich eine andere Freizeitgestaltung als wenn man gesund ist und aktiv sein darf. Es gibt aber auch gesundheitliche Probleme, die einen nicht direkt ans Bett fesseln, sodass man eine gewisse Vorsicht walten muss.
Der Bruder einer Bekannten von mir ist Bluter und war das schon von klein an. Er hatte häufiger Nasenbluten, wobei man sich nichts dabei gedacht hat. Es ist erst heraus gekommen, als er eine Operation hatte als Teenager und dabei fast verblutet wäre, da die Ärzte nichts davon wussten. Er landete nach der Operation im Koma, aus dem er erst 3 Wochen später wieder aufwachte. Solche Erlebnisse prägen natürlich und gerade das Umfeld macht sich Sorgen.
Nun ist es so, dass er ein sehr risikofreudiges Hobby hat. So hat er sich trotz dieser Diagnose einen Motorradführerschein zugelegt und ein Motorrad zugelegt. Meine Bekannte findet das verantwortungslos und ist der Ansicht, dass er bei der Vorgeschichte vorsichtiger sein sollte und sein Hobby entsprechend anpassen sollte. Würdet ihr eure Freizeitgestaltung vom Gesundheitszustand abhängig machen? Findet ihr es verantwortungslos, wenn man dies nicht tut?
Einerseits bringt es nichts, wenn der Bluter jeden Tag sehnsüchtig am Fenster steht, Motorradfahrer beobachtet und depressiv wird, weil er davon träumt, irgendwann mit seinem Bike die Straßen unsicher zu machen. So etwas raubt einem schon die Lebenslust und auch die gute Laune. Man kann sich allerdings auch nicht immer in Watte packen, nur weil etwas passieren könnte. Man lebt auch um etwas zu erleben.
Aber was soll der junge Mann denn machen, wenn er kein Interesse an Computerspielen, Filme, Zeichnen oder Lesen hat? Bis zu einem gewissen Grad kann man sich die Hobbies auch nicht aussuchen, denn wenn man kein Interesse hat, dann ist es kein Hobby, sondern nur eine lästige Pflicht. Ich kann aber auch verstehen, dass sich deine Bekannte um ihren Bruder sorgt, immerhin hat sie ihn doch gerne, weswegen sie nicht sehen möchte, dass er irgendwie zu schaden kommt.
Außerdem hat sie auch die schwere Zeit durchgemacht, als der junge Mann im Koma lag. Deswegen kann ich ihre Aussage und ihren Wunsch schon vorstehen, wenn sie sich wünscht, dass sich ihr Bruder ein vorsichtigeres und ungefährliches Hobby aussucht. Ich selbst würde schon behaupten, dass ich meine Freizeitgestaltung von meinem Gesundheitszustand abhängig machen würde, da ich einfach keine großen Risiken mag.
Bei mir in der Gegend gibt es eine Strecke, die bei Motorradfahrern extrem beliebt ist und hier ist es eine Nachricht wert, wenn es mal eine Saison lang keine Toten gab. Das ist auf dieser Strecke nämlich leider die Regel. Ich weiß nun nicht, ob irgendeiner dieser Motorradfahrer Bluter war, aber sehr wahrscheinlich ist das nicht. Viel wahrscheinlicher ist es, dass sie sich überschätzt haben, dass sie zu schnell gefahren sind, dass sie die Tücken der Strecke nicht kannten und so weiter.
Was ich damit sagen will - wie gefährlich dieses Hobby ist hängt nicht vom Gesundheitszustand ab sondern vor allem von eigenen Verhalten. Und, dass sich jeder Motorradfahrer so verhalten sollte, dass er nicht in einer Kurve einen Abflug über die Leitplanke macht versteht sich wohl von selbst.
Aber wenn jemand dieses Risiko unbedingt eingehen will ist das an sich seine Sache. Man kann niemanden zwingen mit seinem eigenen Körper pfleglich und verantwortungsbewusst umzugehen. Und davon abgesehen, zu Hause auf der Couch hocken und sich beim Zocken den Mund mit Chips vollzustopfen wäre genauso verantwortungslos, auch wenn es von der Gesellschaft eher akzeptiert wird.
Generell bin ich der Meinung, dass man niemandem seine Freizeitgestaltung vorschreiben kann. Es gibt auch genug kerngesunde Menschen, die sich freiwillig für ihr Hobby in Lebensgefahr begeben, ob beim Apnoetauchen, beim ungesicherten Felsenklettern oder bei anderen Extremsportarten. Letztendlich liegt es immer in der eigenen Verantwortung, das Risiko durch gewissenhaftes Verhalten, Einhalten von Sicherheitsbestimmungen und entsprechende Vorsicht selbst so gering wie möglich zu halten. Und eine absolute Sicherheit besteht sowieso niemals. Salopp gesagt kann man sich auch beim Basteln mit der Säge die Fingerkuppe abtrennen und daran verbluten, und dann hat einem all der Verzicht auch nichts gebracht.
Ich denke also, dass nichts dagegen spricht, dass der junge Mann Motorrad fährt, wenn darin seine Leidenschaft liegt und er ansonsten unglücklich wäre. Er sollte eben darauf achten, Schutzkleidung zu tragen, Tempolimits einzuhalten und keine riskanten Manöver zu fahren aber das gilt ja nicht nur aufgrund seiner Krankheit, sondern generell für jeden. Nur, weil jemand kein Bluter ist, schützt ihn das schließlich auch nicht vor einem Genickbruch bei einem Sturz.
Motorrad fahren ist doch grundsätzlich nicht gefährlicher als wenn er zu Fuß eine Straße überquert. Wenn man es ganz penibel sehen will, kann er auch zu Hause unglücklich stürzen und verbluten. Also von daher kann ich die Sorge nicht verstehen. Wobei es natürlich auf die Fahrweise des jungen Mannes ankommt. Aber wenn er umsichtig fährt und damit Gefahren minimieren kann, dürfte dieses Hobby nicht gerade lebensgefährlich sein.
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