Schweden als Vorbild für Arbeitswoche sehen?

Ich habe gelesen, dass viele Betriebe in Schweden zur Zeit den 6-Stunden-Tag bzw. die 30-Stunden-Woche eingeführt hätten. Bisher ohne große positive oder negative Effekte. Ich habe mich gefragt, wie lange es dauern wird, bis in Deutschland darüber diskutiert wird, ob so eine kurze Arbeitswoche sinnvoll ist oder nicht. So könnten theoretisch Arbeitnehmer unter Umständen weniger belastet sein, damit produktiver arbeiten und weniger krank.

Es wäre zumindest nicht zum ersten Mal der Fall, wo in Deutschland darüber diskutiert werden würde, ob andere europäische Länder als Vorbild genommen werden könnten. Man denke nur an das bedingungslose Grundeinkommen, das zur Zeit in Finnland getestet wird oder die Impfpflicht in Frankreich, die hier Diskussionen ausgelöst hat.

Wie denkt ihr über die kurze schwedische Arbeitswoche? Wird die bald in Deutschland ebenfalls eingeführt werden oder haltet ihr das für Schwachsinn? Würdet ihr so eine kurze Arbeitswoche begrüßen und haltet ihr es für vorteilhafter für Arbeitgeber und Arbeitnehmer? Oder hat der Arbeitgeber nur Nachteile davon und deshalb wird es das hier nie geben?

Ich bin mittlerweile generell skeptisch, wenn die skandinavischen Länder, besonders Schweden, als Vorbild herangezogen werden. Ich glaube nämlich, dass dort auch nicht alles Gold ist, was glänzt, sondern vielmehr, dass die Schweden ihr Image als Insel der Seligen zwischen Astrid Lindgren und IKEA nach außen hin besonders sorgfältig pflegen und gerade die Deutschen dazu neigen, dieses Land zu idealisieren. Vermutlich wegen des lustigen Akzents oder weil da alle blond sind oder was es an Stereotypen sonst noch so gibt.

Von daher bin ich überhaupt der Meinung, dass es nicht viel bringt, dem Vorbild anderer Länder blindlings hinterher zu stolpern. Selbst in Europa gibt es kulturelle Unterschiede und jedes Land hat seine Mentalität und Geschichte. Nur weil in Schweden die 30-Stunden-Woche funktioniert, muss das bei uns, oder in den USA, oder in Griechenland ja noch lange nicht die tollste Idee sein. Und fünf Millionen Finnen in einem reichen Land mit Grundeinkommen zu versorgen ist beispielsweise auch bestimmt einfacher als bei 80 Millionen Deutschen.

Ich selber hätte natürlich auch nichts dagegen, bei gleichem Einkommen nur 30 Stunden arbeiten zu müssen anstelle der aktuellen 39 Wochenstunden, aber letzten Endes sehe ich auch keinen Sinn darin, neidisch auf andere Länder zu schielen. Ich weiß ja auch gar nicht, wie viel ich in meiner Branche in Schweden überhaupt verdienen würde, sprich, ob ich nicht mehr Freizeit hätte, aber einen erheblich leereren Geldbeutel. Generell glaube ich, dass sich in Sachen Arbeitszeit in den nächsten Jahren durchaus einiges ändern wird, aber es wird wohl immer Branchen geben, die von einer festen Soundsoviel-Stunden-Woche nur träumen können.

So einfach und so gut funktioniert das in Schweden nicht. Die ersten haben das Modell durchaus wieder aufgegeben, weil ein Viertel mehr Personal eingestellt werden musste und das zu teuer ist. Sicher erreichen in manchen Branchen Mitarbeiter in weniger Stunden ähnliche Ergebnisse. Aber das funktioniert eben nicht in Bereichen, wo es auch auf Anwesenheit ankommt oder die Produktivität nicht mehr gesteigert werden kann.