Erst studieren, wenn Nachwuchs älter ist?

vom 14.08.2017, 05:48 Uhr

Eine Bekannte von mir hat früher Agrarwissenschaften auf Diplom studiert. Sie wurde dann während dem Studium schwanger und hat das Studium abgeschlossen, obwohl für sie fest gestanden hat, dass sie in dem Bereich nicht arbeiten möchte und sie später mehr den Fokus auf dem Menschen haben möchte. Sie ist dann später noch zweimal schwanger geworden, wobei sie beim letzten Mal sogar Zwillinge bekommen hat. Inzwischen hat sie gerade das Medizin-Studium abgeschlossen und sie meinte, dass ihr erstes Kind inzwischen schon volljährig wäre.

Im Gespräch meinte sie dann noch, dass es ihr sehr wichtig gewesen war, dass ihre Kinder einigermaßen selbstständig sind, wenn sie wieder studieren geht. Ihr war einfach wichtig, dass sie nicht ständig auf irgendwelche Kinderbetreuungsangebote angewiesen ist und da weitestgehend unabhängig ist.

Würdet ihr mit eurem Wunsch-Studium so lange warten bis die Kinder einigermaßen selbstständig sind und zu Hause auch alleine klarkommen? Soweit ich weiß ist sie alleinerziehend, mehr Details kenne ich dazu aber nicht.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Man muss ja auch mal sehen, dass man das irgendwie organisieren muss. Eine pauschale und allgemein gültige Antwort kann man daher gar nicht geben. Ich denke, dass es durchaus leichter ist zu warten aber bis dahin kann man ja auch nicht auf dem Sofa sitzen sondern muss auch arbeiten gehen und wenn man erst mit 50 studiert macht es dann für eine Arbeitsstelle auch wenig Sinn.

Für meine persönliche Situation sehe ich es so, dass man alles schon irgendwie organisiert bekommt. Man hat heutzutage ja eine gute Auswahl an Betreuungsmöglichkeiten und die Eltern des Kindes können sich ja auch absprechen und schauen, was da machbar ist. Ich denke, dass man durchaus ein Studium packen kann, wenn man ein Kind hat oder gerade erst ein Kind bekommen hat.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ramones hat geschrieben:Für meine persönliche Situation sehe ich es so, dass man alles schon irgendwie organisiert bekommt. Man hat heutzutage ja eine gute Auswahl an Betreuungsmöglichkeiten und die Eltern des Kindes können sich ja auch absprechen und schauen, was da machbar ist. Ich denke, dass man durchaus ein Studium packen kann, wenn man ein Kind hat oder gerade erst ein Kind bekommen hat.

Du hast es offenbar nicht gelesen, was sind Eltern wenn sie Alleinerziehend ist? Hast du eine Ahnung was das heißt? Du sitzt von Montag bis Sonntag auf dem Kind und bestenfalls kommt der Vater alle 2 Wochen am Wochenende an und nimmt dir das Kind von Freitag Nachmittag bis Sonntag Mittag oder Abend ab. Da läuft kein Studium und auch keine Lesung, die kannst du wunderbar mit Kind machen. Und tolle Betreuungen gibt es, aber diese wollen auch bezahlt werden! Es gibt zwar Bundesländer die die kostenlose Kinderbetreuung anbieten, aber vereinbare diese Zeiten mal mit einer Vorlesung oder einem Vollzeitstudium wenn du mal fertig werden möchtest. Was bringt dir dann die tolle Kita, wenn diese nur Regelgruppen anbietet von 9-13 Uhr? Meinst du in den vier Stunden frühstückst du ein Medizinstudium in Vollzeit ab?

Dann ist es mit den Lesungen alleine nicht getan, auch Zuhause hat man arbeit und wenn das Kind die ganze Zeit da nur am hüpfen machen und toben ist, dann klappt das auch nicht ohne weiteres. Mit einem Partner sieht das anders aus, wenn dieser auch mal seinen Hintern daheim lässt und das abnimmt. Geht auch dieser Vollzeit arbeiten von morgens bis abends, dann bleibt dir auch da nichts anderes übrig als das Lernen auf Abend und die Nacht zu schieben. Irgendwann willst du auch mal schlafen, duschen und essen und mit kleinen Kindern steht man nachts auch mal auf. Da kriechst du am Limit, aber es sagt sich immer alles so schön, mit seiner rosaroten Ponywelt in der du lebst und überträgst das auf alle anderen. Es ist schön, wenn dein Mann daheim sitzt und dir deine Kinder abnimmt damit du was machen kannst, dass er den passenden Job dazu hat aber so sind nicht alle Männer und auch nicht alle Jobs, sogar eher die wenigsten und starke Ausnahmen.

Ich habe studiert bevor mein Sohn auf die Welt gekommen ist und wenn er zu diesem Zeitpunkt bereits auf der Welt gewesen wäre, dann wäre das Studium ausgefallen. Ganz einfach, denn das Studium habe ich bezahlt. Damit ich studieren konnte, bin ich Vollzeit arbeiten gegangen. Morgens um 4 Uhr aufgestanden, von 6-18 Uhr gearbeitet, danach in die Uni gefahren und bis Mitternacht oder auch mal 1 Uhr Lesungen gehabt. Und so ging das die ganze Zeit das ganze Jahr durch, wo willst du da noch ein Kind unterbringen oder betreuen lassen? Kindertagesstätten schließen spätestens um 18 Uhr, diese sind dann Privat und teuer, da kannst du schon ein halbes Monatsgehalt rein stecken nur für diesen Posten und Leben und Wohnen musst du auch noch von was.

Meine Schwiegermutter hat studiert als ihr Kind auf der Welt war und frag mal nicht wie das ausgesehen hatte und beim Kind angerichtet hat. Das Kind war die meiste Zeit alleine, bei der Tagesmutter oder bei Bewohnern ihrer Wohngemeinschaft. Das Geld so knapp, Bettelarm von 300 DM Erziehungsgeld die es damals gab, sowie dem Unterhalt der ab und an mal gekommen ist vom Kindsvater, haben die zwei gelebt. Davon wurde der komplette Lebensunterhalt mit Miete bestritten und das Studium bezahlt, Anspruch auf andere Leistungen die du sie kennst mit Wohngeld usw. gab es damals nicht. Es ging, aber es war hart und Regelstudienzeit kannst du vergessen.

Sie ist mit dem Pharmaziestudium fertig geworden, da war ihr Sohnemann 16 Jahre alt. Einfach da es verlängert werden musste, da wegen Kind nicht alle Sachen absolviert werden konnten im Semester und angestellt wurden. Zwei Monate lang konnte sie wegen Krankheit von ihrem Kind gar nichts machen außer am Bett von ihm hocken. Kindergarten war vom Geld her nicht machbar und wurde auch nicht gefördert für Menschen, die das Erziehungsgeld als Pilotprojekt erhalten haben. Und selbst wenn, wäre die Förderung geringer gewesen als die 300 DM die es gab.

Und was hat sie davon? Arbeiten musst du auch mal, Rentenpunkte sammeln und Vorsorgen und solche Geschichten. Da wartest du erst ab, bis der Nachwuchs groß ist damit er klar kommt und in die Schule geht, brauchst dann dennoch lange mit dem Studium je nach dem was gewählt wird, und arbeitest hinten hinaus weniger Zeit, zahlst damit weniger ein und steckst trotz Studium und Akademikerjob in der Altersarmut. Eine echt tolle Vorstellung, schaue ich mir meine Schwiegermutter an, dann verdient diese mit ihren Mitte 50 erst seit rund 15 Jahren richtig gut und vorher war sie Bettelarm. Noch nicht mal die Anwartschaftsjahre damit überhaupt mal eine gesetzliche Rente ausgezahlt wird, erfüllt sie von den Jahren her, von den Punkten mal ganz abgesehen, die die Höhe bestimmen.

Ich habe umgeschult als mein Sohn auf der Welt war, Zuckerschlecken ist das nicht und die ach so tollen Betreuungen die es geben soll, lassen dich dann hängen. Denn ist kein Platz, dann hast du Pech gehabt. Ist dein Kind krank, dann wartet auch niemand auf dich. 20 Tage im Jahr sind nicht viel die man hat als Alleinerziehende, und die Zeit fehlt dir mit Stoff, fehlst du an einem Prüfungstag und dann noch an der Nachprüfung, dann kannst du gepflegt ein halbes oder ein Jahr warten bis du das erneut machen kannst. Es frisst unglaublich viel Zeit und Energie wenn man das mit einem Kind macht, aber zu sagen, dass die Betreuung alleine das schon richtet und reicht, ist einfach nur lächerlich und albern. Klar tut man sich dann einfacher, wenn die Kinder größer und selbstständiger sind als wenn es kleine Babys sind, die noch von morgens bis abends nebenbei beduddelt und versorgt werden müssen. Aber das ist auch wieder Zeit die man verstreichen lassen muss, bis es soweit ist.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Darüber lässt sich kein allgemeines Urteil treffen.

Im Idealfall ist es ein Paar mit einem gesunden Kind, die Großeltern sind bereits in Rente und wohnen z.B. im selben Haus oder nebenan. Es ist genug Geld da damit zumindest einer von beiden nicht arbeiten muss und der Kita- sowie Kindergarten- und später Ganztagsplatz ist gesichert. So ein Paar habe ich kennengelernt. Auch für die war es nicht einfach aber sie haben am Ende beide nur zwei zusätzliche Semester gebraucht um ihr Studium abzuschließen (18 Semesterwochenstunden im Schnitt, keine Praktika oder Ähnliches).

Die wenigen anderen Studenten-Eltern die ich kennengelernt habe, haben entweder irgendwann aufgegeben, sind krank geworden oder haben sehr lange studiert.

Dazu kommt noch das Studienfächer sehr unterschiedlich sind was das Lernpensum und allgemein den Stress und die Organisation angeht. Es gibt Studiengänge mit 12 Semesterwochenstunden. Und es gibt welche mit 32. Für manche muss sehr wenig und teilweise gar nicht gelernt werden. Für andere brauchst du noch mindestens 2 Stunden pro Tag, zusätzlich zu den Vorlesungen, um zu lernen.

Ich studiere ein Fach mit großem Lernaufwand, Laborpraktika und teilweise Wochenend-Seminaren. Nebenbei muss ich arbeiten. Das ist nur dadurch möglich das ich immer wieder das Studium pausiere, in der Zeit Vollzeit arbeite und das Geld spare um mich dann wieder ein Semester auf das Studium konzentrieren zu können. Das Glück so arbeiten zu können haben nicht viele. Eltern werden auch bei HiWi Jobs z.B. nur ungern eingestellt.

Auch "ältere" Kinder (Schulkinder) lassen einen nur bedingt in Ruhe lernen und können nicht stundenlang allein gelassen werden.

Geht man diesen Weg braucht man starke Nerven und vor allem ein dickes Fell. Viele behandeln einen als gescheiterte Existenz (Langzeitstudent), egal ob du dein Studium komplett selbst finanzierst und "nebenbei" eine gute Anstellung hast.

Ich würde es selber nicht wieder so machen und kann es auch niemandem empfehlen der ein aufwändiges Studienfach gewählt hat.

» Fitsch » Beiträge: 10 » Talkpoints: 4,76 »



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