Lesbische Freundin stets Gefühle für einen unterstellen?
Eine Nachbarin von mir hat eine gute Freundin, die ihr gestanden hat, dass sie eher auf Frauen stehen würde. Sie war vorher mit Männern zusammen, aber merkte recht schnell, dass sie sich sexuell sowie gefühlstechnisch ehe auf Frauen fixiert und das bewusst erst so spät gesagt hat.
Meine Nachbarin findet das aber alles andere als gut. Sie hat, laut ihrer Aussage nichts gegen lesbische Frauen oder bisexuelle Frauen, aber bitte nicht in ihrer Umgebung. Die Aussage war, jetzt kann sie nicht mehr nach dem Shoppen einen BH zeigen, in Unterwäsche rumturnen usw. Denn immer müsse sie ja jetzt Sorge haben, dass die lesbische Freundin sich in sie verliebt.
Von derartigem Verhalten habe ich schon unter Sportlern gehört, wenn sich ein Sportler als homosexuell outet und diese dann immer glauben, dass der einem sofort etwas wegschaut und auch bei homosexuellen Frauen kommt das ja nicht selten vor. Das mir solch ein "Problem" jedoch offenkundig mit einer derartigen Idiotie aufgedrückt wird, hätte ich nie für möglich gehalten.
Ist es nicht ein wenig arrogant zu glauben, dass jede lesbische Frau automatisiert etwas von einem selber wollen kann und wird? Wie kommt man auf die Idee, ständig solch einen Mist zu glauben oder ist das gesellschaftlich ein Thema? Wie würdet ihr euch fühlen, wenn ihr ständig unterstellt bekommt, dann automatisch auf dasselbe Geschlecht im Bezug auf Eure Freundin zu stehen, nur weil Ihr ein coming out als homosexuelle Frau hattet?
So etwas kenne ich jetzt eher bei Männern, bei denen sich ein Kollege als schwul outet, als bei Frauen, bei denen sich eine Kollegin als homosexuell outet. Wie auch immer, ich finde beides einfach nur naiv. Zuvor hatte man doch auch keine Angst, weil man es eben nicht gewusst hatte. Also ist es doch sinnwidrig, wenn man jetzt, da man um die Einstellung weiß, Angst hat, dass etwas sexuelles passieren würde.
Es ist doch so, dass es wie bei Männern und Frauen so ist, dass man doch ziemlich schnell merkt, ob ein gegenseitiges Interesse besteht oder eben nicht. Und wenn ich als Gegenüber merke, dass der andere kein Interesse an mir hat, dann verschone ich ihn doch mit irgendwelchen Anspielungen oder Gefühlsduseleien oder entferne mich gar von dem Menschen, um mir nicht selber unnötige Hoffnungen zu machen, oder weh zu tun.
Ich kann mir nur vorstellen, dass sich die Nachbarin so lange nicht geoutet hat, weil sie eben genau solche Angst vor diesen Vorurteilen hatte. So etwas finde ich einfach nicht in Ordnung. Wenn sich die Menschen schon outen, was schon schwer genug ist, dann sollte man ihnen nicht das Leben noch unnötig schwerer machen und ihnen gar die Freundschaft entziehen.
Der Satz, sie akzeptiert homosexuelle, aber nicht in ihrer Umgebung, das klingt für mich gleich wie der Satz: Ich mag Ausländer, wenn sie zu Hause bleiben. Also das ist für mich vollkommen widersprüchlich. Entweder ich akzeptiere einen Menschen, so wie er ist, auch mit seiner Sexualität, die er mir abgesehen davon gar nicht verpflichtet ist, mir unter die Nase zu reiben, oder ich lasse es eben bleiben.
Ich fürchte, hier ist noch viel Aufklärung nötig, um dem gottverdammten Spießerpack endlich die Homophobie auszutreiben. Die Dame kriegt doch schließlich auch nicht bei jedem dahergelaufenen Typen einen erhöhten Puls, selbst wenn der Herr Nachbar mit dem Waschbrett- oder Waschbärbauch zufällig mit nacktem Oberkörper den Rasen mähen oder sonst irgendwie Haut zeigen muss. Und so affenscharf wird sie schon nicht sein, dass Männer und lesbische Frauen bei ihrem Anblick gleich zum Tier werden.
Und ich weiß auch nicht, wieso man in Gegenwart von Freunden, unabhängig von Geschlecht und sexueller Präferenz, unbedingt in Unterwäsche herumhüpfen muss und es als Einschränkung der Lebensqualität ansieht, wenn vielleicht mal eine Frau bei dem Anblick einen unkeuschen Gedanken hat. Wenn überhaupt. Ich habe oft den Eindruck, dass gerade die Leute, die ernsthaft fürchten, jede homosexuelle Person würde in ihrer Gegenwart sofort von Lust übermannt, meistens zumindest charakterlich derart widerwärtig sind, dass sie auch die Heteros nicht mit der Kneifzange anfassen würden.
Ich selber habe etliche lesbische Freundinnen, darunter welche, die noch nie einen Mann angeschaut haben und auch ein paar Exemplare, denen erst später gedämmert ist, dass die holde Weiblichkeit auch oder ausschließlich auf ihrer Wellenlänge ist. Aber ich fühle mich in ihrer Gegenwart keinen Funken unwohl oder ähnliches. Wir kennen uns teilweise schon seit 20 Jahren, was jede Form der erotischen Anziehung schon mal erschwert.
Außerdem bin ich hetero wie nur was, woran sich auch nichts ändern würde, wenn sich eine Frau in mich verlieben würde. Es wäre vor allem schade, weil ich die Gefühle höchstwahrscheinlich nicht erwidern könnte. Aber ich fühle mich dadurch weder bedroht noch eingeschränkt noch sonst irgendwie "abnormal". Dass mich ein Mann scharf finden könnte oder meine Oberweite bewundert, stört mich schließlich auch nicht, solange daraus keine Belästigung resultiert.
Ein Funken Intelligenz und eine Prise Logik wären echt hilfreich. Ich bin eine heterosexuelle Frau und müsste nach der Argumentation davon ausgehen, dass jeder Mann sofort über mich herfallen wird, sofern er auf Frauen steht. Folglich dürfte ich keinem Mann in der Umkleide im BH begegnen und natürlich niemals ins Schwimmbad gehen, weil diese testosterongesteuerten Tiere dort leicht bekleidet in Rudeln rumlaufen und noch mehr zu sehen bekommen.
Jetzt zur Realität. Wie bei jeder anderen Frau auch findet mich ein kleiner Teil der Männer sexuell attraktiv. Und ein noch viel kleinerer Anteil der Männerwelt zieht mich für eine Beziehung in Betracht, noch weniger wollen auf den zweiten Blick immer noch. Warum zum Geier sollten also lesbische Frauen alle auf mich fliegen?
Und selbst wenn es mal so wäre. Wo liegt das Problem. Nur weil ein Mann Interesse zeigt, den man nicht will, bricht man doch auch nicht in wilde Panik aus und verbarrikadiert sich in der Wohnung. Eine lesbische Freundin oder Bekannte hat mich noch nie angemacht. Und die wenigen Frauen, die mich auf Frauenveranstaltungen nett angemacht haben, waren tendenziell angenehmer als manch baggernder Mann. Man kann sich echt reinsteigern.
cooper75 hat geschrieben:Ein Funken Intelligenz und eine Prise Logik wären echt hilfreich. Ich bin eine heterosexuelle Frau und müsste nach der Argumentation davon ausgehen, dass jeder Mann sofort über mich herfallen wird, sofern er auf Frauen steht. Folglich dürfte ich keinem Mann in der Umkleide im BH begegnen und natürlich niemals ins Schwimmbad gehen, weil diese testosterongesteuerten Tiere dort leicht bekleidet in Rudeln rumlaufen und noch mehr zu sehen bekommen.
Sehr treffend beschrieben, aber es wird doch in diesem Falle heruntergespielt und das Thema mit der Homosexualität künstlich noch aufgebauscht. Klar nehmen nicht nur Männer an, dass der schwule Freund sie nun anhüpft und dauerhaft scharf findet sondern auch genug Frauen haben das Problem und schalten ihren Verstand und ihre Logik nicht einmal einen Moment lang ein.
Natürlich stehen nicht alle lesbischen Frauen auf einmal auf alle Frauen. Wie auch bei Heterobeziehungen ist es immer nur eine kleine Schnittmenge und wenn man darunter fällt, dann kann das auch mal sein aber ist eben nicht die Regel. Ich bin auch Bi und keine meiner Freundinnen die ich habe, würde mich nun anmachen und müsste ich direkt Hormongesteuert bespringen. Denen ist das aber auch klar, das sie ihre Logik und den Verstand mal benutzt haben und eben nicht Homophob sind und derartige dumme Sachen annehmen. Da ist das zeigen in Unterwäsche oder auch mal Nackt kein Problem, dennoch würde ich sie mit der Kneifzange nicht anfassen oder etwas passieren, wenn man uns nackt zusammenbindet.
Wenn die Nachbarin der Zielgruppe der homosexuellen Freundin angehören würde, hätte diese sich wahrscheinlich schon längst verliebt. Die Nachbarin hat anscheinend ein sehr großes Selbstbewußtsein, was ihr Äußeres angeht. Auch die Tatsache, dass sie der Ansicht ist, die Freundin könnte sich verlieben, wenn sie sich auszieht. Sie verliebt sich doch auch nicht in jeden Mann, nur weil er sich ihr in Unterwäsche präsentiert? Vielleicht sollte die Nachbarin sich nach einem gut bezahlten Modelljob umschauen, wenn sie so hammermäßig gut aussieht, dass jeder welcher sie halbnackt sieht direkt Gefühle für sie entwickelt. Unterstellt sie das auch jedem Mann und geht nicht mehr Schwimmen oder so?
Ich kann die Aussage der Frau, dass sie ja nun nicht mehr in Unterwäsche vor der Lesbe herumspringen kann, insofern nachvollziehen, als dass in dieser Freundschaft durch das Outing zumindest einmal das Potenzial für sexualisierte Gedanken besagter homosexueller Frau gegenüber der anderen Frau vorhanden ist.
Will sagen, vor dem Outing war sie vermutlich wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Dame auf Männer steht und irgendwelche erotischen Gedanken waren völlig außen vor. In dem Moment, wo sie nun weiß, dass die Geoutete durchaus Interesse am weiblichen Körper hat, ist es eben nicht mehr so selbstverständlich und komplett abwegig, dass sie -die lesbische Frau- die halbnackt herum hüpfende Frau als anziehend empfinden könnte. Das bringt erst einmal einen Aspekt in diese Freundschaft, der für die Hetero-Dame völlig neu ist.
Vielleicht hat sie selbst sich noch nie mit dem Thema auseinander gesetzt und kam erst durch das Outing in diesen "was wäre wenn"-Gedanken und wüsste dann schlicht nicht damit umzugehen. Insoweit hab ich durchaus Verständnis dafür, dass sie zunächst einmal befangen reagiert und auch die Überlegung anstellt, ob die Freundin sie unter bestimmten Umständen in irgendeiner Art und Weise anziehend finden könnte. Dass sie der Gedanke zunächst einmal überfordert, kann ich durchaus verstehen.
Grundsätzlich finde ich das aus oben genannten Gründen auch erst einmal nicht diskriminierend oder homophob, sondern durchaus menschlich, wenn es eben eine völlig neue Situation ist.
Schlimm und verurteilenswert finde ich es in dem Moment, wo sie bei der Meinung bleibt, dass Lesbe per se auch auf sie stehen muss. Das ist natürlich totaler Quatsch, wie schon die anderen geschrieben haben. Solche Vorurteile gibt es ja leider immer wieder und lassen auf eine geschwächte Denkfunktion schließen. Auf so eine Freundin könnte ich -ob nun als Lesbe oder Hetera- grundsätzlich verzichten.
Es ist ja ein bisschen so als würde man jedem Freund vom anderen oder gleichen Geschlecht bei entsprechender Orientierung unterstellen, dass dieser etwas von einem wollen würde. Das finde ich dann doch etwas komisch und weltfremd, denn nur weil man auf Frauen steht muss man ja nicht sofort auf mich stehen und wenn dann kann man das ja auch sagen und dann muss man sehen wie man das freundschaftlich weiter machen kann.
Ich finde es aber wirklich mies von einer Freundin ihre Freundin unter Generalverdacht zu stellen, immerhin kennt man sich ja auch schon eine Weile und da sollte es egal sein, auf wen sie steht. Für mich klingt es so als könne da jemand nicht seine Vorurteile überwinden.
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