Unschuldig und trotzdem ständig schlechtes Gewissen haben?

vom 29.08.2017, 14:26 Uhr

Eine Freundin von mir, hat sehr oft ein schlechtes Gewissen, auch wenn sie für das Geschehene eigentlich gar nichts kann. Sie meint dann wohl irgendwie immer, dass sie doch irgendwie dafür verantwortlich ist. Ihr ist auch sehr wichtig, was andere Menschen von ihr denken und halten und ich denke, dass dies irgendwie miteinander zusammenhängen könnte.

Sie hatte ein krankes Haustier, dass doch sehr kostenintensiv beim Tierarzt behandelt werden musste. Ihr Freund sagte ihr nun schon öfter, dass das Tier ja so viel gekostet habe, dass sie sich nun dieses oder jenes nicht leisten könnten. Meine Freundin kann ja nichts dafür, aber trotzdem hab sie da nun ein schlechtes Gewissen, weil das Tier solche hohen Kosten verursacht hat. Allerdings haben sich damals beide für die Anschaffung des Tieres entschieden.

Könnt ihr verstehen, dass jemand ständig ein schlechtes Gewissen für etwas hat, für das er gar nichts kann? Kennt ihr auch solche Menschen, die sich dann für alles verantwortlich fühlen? Wie geht ihr damit um? Kann man den Personen irgendwie begreiflich machen, dass sie sich nicht jeden Schuh anziehen müssen?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Ja, ich kenne solche Menschen auch aus meinem Umfeld, ich hatte eine solche Bekannte. Ich fand es manchmal recht schwer, sie zu ertragen. Sie gab sich an allem die Schuld. Als ihre Mutter plötzlich starb, gab sie sich die Schuld, sich nicht mehr um sie gekümmert zu haben. Hört sie, dass irgendwo in Afrika Menschen hungern, gibt sie sich die Schuld, nicht genug gespendet zu haben usw.

Ich habe mal gelesen, dass es manchmal eine Verhaltensweise ist, um positiven Zuspruch zu bekommen. Es st dann keine bewusste Verhaltensweise, sondern jedesmal, wenn sie anderen von ihrer vermeintlichen Schuld berichten, bekommen sie Aufmerksamkeit und aufmunternden Zuspruch von anderen und dadurch geht es ihnen besser, sie fühlen sich ernst genommen und beachtet. Also machen sie es beim nächsten Mal genauso.

Ich denke aber, dass es auch mit dem Verhalten im Elternhaus zu tun hat. Entweder hat beispielsweise die Mutter genau die gleiche Marotte, sich an allem und jedem die Schuld zu geben, oder - meist der Vater - hat die Angewohnheit, immer seinen Kindern, bevorzugt den Töchtern die Schuld an allem einzureden. So war es bei einer anderen Freundin. Schon kurz nachdem ihr Vater gestorben war, ging diese Verhaltensweise langsam zurück und ist inzwischen ganz verschwunden.

Anfangs habe ich ihnen natürlich wie jeder andere auch gesagt, dass sie nicht Schuld seien etc. Aber da redet man sich den Mund fusselig und es bringt so gut wie gar nichts. Also bin ich dazu übergegangen, diese Bemerkungen über ihre Schuld einfach zu ignorieren und so zu tun, als hätte ich sie nicht gehört. Das hört sich ein wenig böse an, aber es hat einigermaßen geholfen. Die Schuldfrage wurde nicht weiter angesprochen und in folgenden Gesprächen kam es bedeutend seltener.

Manchmal half auch ein Themawechsel bzw. eine Unterbrechung des Gespräches. Dann einfach mal auf Klo gehen, nach einem Glas Wasser fragen oder dergleichen. Auch das hat mich oft vor diesem sinnlosen Gespräch um die Schuldfrage geschützt. Außerdem wurde meine Laune besser, denn immer wieder die gleiche Diskussion zu führen, ohne dass sich etwas verändert, finde ich ziemlich nervig und macht mich letztendlich auch aggressiv.

» rasenderrolli » Beiträge: 1058 » Talkpoints: 16,66 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Nelchen hat geschrieben:Könnt ihr verstehen, dass jemand ständig ein schlechtes Gewissen für etwas hat, für das er gar nichts kann?

Nein, das verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Meiner Meinung nach ist das ein Zeichen dafür, dass die Person viel zu viel Langeweile hat, wenn man ausgelastet ist, kommt man nicht auf solche blöden Ideen. Für mich klingt das nach chronischem Jammern und als wäre man nach chronischer Bestätigung und Aufmerksamkeit aus. Solche Menschen empfinde ich als extrem anstrengend und meide sie eher. Mit solchen Jammerlappen möchte ich nichts zu tun haben, das schont Zeit und Nerven.

Deine Freundin legt doch laut deiner Aussage sehr viel Wert darauf, was andere Menschen von ihr denken und halten. Schon mal auf die Idee gekommen, dass genau dieses Verhalten ihr Ansehen sinken lässt und sie unbeliebt macht? Das liegt doch auf der Hand, finde ich. Wie man das nicht sehen kann ist mir ein Rätsel. Deine Freundin ist in meinen Augen ziemlich schizophren und mir viel zu suspekt.

Wenn ich zwangsläufig mit solchen Persönlichkeiten zu tun habe, ignoriere ich das Gejammer und Gelaber einfach. Ich habe eine Zeit lang da versucht, dem entgegenzusteuern, dann Zuspruch zu leisten und die Person aufzumuntern, aber da hatte ich eher den Eindruck, dass die Schuldgefühle und das Gejammer nur noch größer werden. Seit ich das kapiert habe, wechsle ich das Thema, verlasse den Raum oder höre einfach nicht zu, bis sich das Gejammer erledigt hat. Manche Menschen kapieren das eben nicht anders, dass sie damit ihren Mitmenschen tierisch auf den Zeiger gehen.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Irgendwo habe ich schon Verständnis für Leute, die sich immer alles persönlich zu Herzen nehmen. Jeder hat eben seine Unsicherheiten und Schwachpunkte, und ist nicht immer die souveräne und starke Persönlichkeit, die wir alle gerne wären. Oft haben die souverän und stark wirkenden Leute noch ganz andere Baustellen als ein übersensibles Gewissen, aber das nur nebenbei.

Ich finde, dass es ein Zeichen von, sagen wir, einer gewissen Unreife darstellen kann, wenn Leute ständig ein schlechtes Gewissen wegen Dingen haben, für die sie objektiv nichts können. Gerade jüngere oder in dieser Hinsicht jung gebliebene Leute halten sich selber gerne für den Mittelpunkt der Welt, und betrachten es als ihre ureigene Aufgabe, von der Rettung des Regenwalds bis zur Arztrechnung für den Dackel alles auf ihre Kappe zu nehmen. Wenn man die eigene Wichtigkeit im Lauf der Dinge derart überschätzt, ist es nur logisch, dass man im Guten wie im Schlechten für alles Mögliche verantwortlich ist. Als ich noch ein Teenager war, hatte ich auch derartige Anwandlungen, weil es in diesem Alter quasi normal ist, zwanghaft um sich selber zu kreisen. Und manche Leute bleiben ziemlich lange auf dieser Entwicklungsstufe stehen.

Manche genießen auch die Aufmerksamkeit, die ihnen zukommt, wenn ihnen ihre Umwelt artig versichert, dass sie für Katastrophe X gar nichts könnten und dennoch gute Menschen seien. Die meisten werden gerne gelobt und gerade wenn es am eigenen Selbstwertgefühl mangelt, tut es doppelt gut, zu hören, wie rührend es doch sei, dass einem das Schicksal der Straßenhunde in Rumänien derart nahe geht. Ich verstehe also die möglichen Hintergründe dafür ganz gut, wieso jemand sich für das Schicksal der Welt persönlich verantwortlich fühlt, aber anstrengend ist es natürlich trotzdem.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



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