Kann zu viel Lesen auch belastend sein?

vom 10.08.2017, 23:16 Uhr

Ich habe eine Bekannte, die meiner Meinung nach eine schräge Verhaltensweise an den Tag legt. Sie sagt selber von sich, dass sie lese-süchtig ist, was sie allmählich sehr belastet.

An sich halte ich Lesen für eine sinnvolle Beschäftigung, bei meiner Bekannten ist es jedoch der Fall, dass sie im Prinzip den ganzen lieben langen Tag nur liest. Sie hat keinen Job und auch keine anderen Verpflichtungen, sodass sie dann auch die Zeit findet, teilweise über 12 Stunden am Tag Krimis oder Thriller zu lesen.

Das geht allmählich so weit, dass sie selber, so sagt sie zumindest, nicht mehr damit aufhören kann. Sie vernachlässigt die Beziehungen zu Freunden und Familie, was sie zwar schon stört, wogegen sie jedoch laut ihrer Aussage nichts ändern kann, weil die "Sucht" zu lesen zu groß ist.

Ich kann es nicht so richtig nachvollziehen, dass man eine so extreme Sucht im Lesen entwickeln kann. Wie seht ihr das? Könnt ihr dieses Verhalten verstehen? Denkt ihr, dass zu viel Lesen auch belastend sein kann? Kennt ihr womöglich selber jemanden, der viel liest, jedoch aufgrund der Situation unglücklich ist?

» Aguti » Beiträge: 3109 » Talkpoints: 27,91 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich lese auch gern und das kann auch schon mal den ganzen Tag lang sein. Mein letztes Buch habe ich auch in 24 Stunden, also von Samstagabend bis Sonntagabend ausgelesen. Das war ein größeres Taschenbuch von etwas über 400 Seiten. Ich liebe es zu lesen und genieße es, wenn Bilder vor meinen Augen entstehen und ich dabei sein darf und alles miterleben kann.

Allerdings hatte ich die Zeit dafür und keinerlei Verpflichtungen, so dass ich mich meiner Lektüre völlig hingeben konnte. Das Verhalten der Frau kann ich nur insoweit nachvollziehen, als dass sie sicher in irgendeiner Art psychische Probleme hat. Es gibt den "schönen" Satz: Sucht kommt von suchen. Es ist also eine Art von Flucht und eben eine Art von Suche. Wenn man Freunde und Familie hat, ist das nichts selbstverständliches. Daher kann ich nicht verstehen, warum sie diese wertvollen Kontakte nicht pflegt.

Und wenn sie unter der Situation, in der sie sich gerade befindet, wirklich und wahrhaftig leidet, muss sie sich helfen lassen, um etwas in ihrem Leben zu ändern. Je öfter ich mir den kurzen Eröffnungsbeitrag durchlese, desto mehr denke ich, dass es vielleicht doch eher keine Sucht ist, sondern eine Art Zwangshandlung oder Zwangsstörung. Sie fühlt sich einer Situation ausgesetzt, die sie nicht beeinflussen kann. Das klingt schon nach Zwang. Und wenn sie sich diesem Zwang nicht mehr aussetzen will, das aber selbst nicht schafft, sollte sie sich professionelle Hilfe suchen.

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» Quasselfee » Beiträge: 2143 » Talkpoints: 30,45 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Suchtverhalten ist doch aber auch immer an Zwang gekoppelt, sonst wäre es keine Sucht. Beiden gemein ist die Unfähigkeit das eigene Verhalten zu steuern. Bei der Sucht kommt oft noch die Komponente der Dosis-Steigerung hinzu.

Warum sollte man vom Lesen nicht süchtig werden können? Man kann nach allem süchtig werden, wenn es beim einzelnen nur genügend Dopamin ausschüttet. Zwänge funktionieren da noch etwas anders. Wenn man sich selbst in seinem Verhalten schädigt, regelrechte Entzugserscheinungen hat und immer mehr braucht, könnte es schon eine Sucht sein. Ist halt nur nicht so häufig.

Ich habe es auch schon fertig gebracht, zu viel zu lesen. Sei es, dass ich die ganze Nacht durchgelesen habe, obwohl ich hätte schlafen sollen oder dass ich soviel hintereinander gelesen hatte, bis ich das Gefühl hatte, mein Kopf raucht. Ich kenne es sogar auf einer langweiligen Party verärgert gewesen zu sein, weil ich in der Zeit etwas Gutes hätte lesen können. Aber süchtig ist das natürlich noch nicht.

» Verbena » Beiträge: 4921 » Talkpoints: 0,32 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Ich kann mir vorstellen, dass man auch eine Sucht entwickeln kann, wenn es um das Lesen geht. Ich lese auch sehr gerne und viel, wenn ich die Zeit habe, aber ich empfinde es dann als Entspannung und nicht als Belastung. Ich denke auch, dass es ja nichts schlimmes ist, wenn man viel und auch gerne liest, aber wenn man es selber schon als Belastung empfindet, wie es bei deiner Bekannten ja zu sein scheint, dann sollte man schon etwas dagegen machen und sich helfen lassen, wenn man das alleine nicht schafft.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



Ich lese auch recht gerne. Früher war das auch sehr viel aber in letzter Zeit finde ich ebendiese nicht mehr dazu. Ich glaube mein letztes Buch habe ich gelesen, als meine Frau im Kreißsaal lag. Hat was länger gedauert und ich wollte mich beschäftigen. :)

Prinzipiell kann ich eine Sucht nachvollziehen, klar, diese Laster hat jeder irgendwie mehr oder weniger. Von einer Lesesucht habe ich persönlich noch nichts gehört, das heißt aber nicht, dass es sie nicht gibt. Ich kenne es aber von mir und ein paar anderen Freunden, dass wir, wenn wir eine Serie gucken, diese dann auch zu Ende gucken wollen und teilweise dann andere Sachen dafür sausen lassen und uns dann mal eine Woche nicht irgendwie mit irgendwem treffen, was man sonst machen würde.

Bei Serien hat man allerdings den Vorteil finde ich, dass diese eine abgeschlossene Einheit darstellen. Wenn ich mit einer Serie fertig bin, ist das erst mal auch gut und ich muss nicht direkt wieder eine anfangen. Manchmal suche ich dann schon eine Folgeserie, abends oder sonst wann findet man ja immer ein paar Minuten Zeit, um fern zu sehen. Ich würde jetzt aber nicht von einer TV-Sucht sprechen, da habe ich auch zu wenig Zeit für. Aber wer weiß, wie das aussehen würde, wenn ich eben diese Zeit hätte. Während meines Studiums hing ich zum Beispiel sehr lange und oft vor dem Monitor oder der Glotze.

So eine abgeschlossene Einheit bilden Bücher meiner Meinung nach auch und daher könnte man das ja dann immer als Punkt sehen, mal etwas länger aufzuhören mit dem Lesen. Klar kann man dann irgendwann wieder mit einem neuen Buch anfangen aber das sind so ein Einstiegspunkte, die man dann immer länger werden lassen kann, um aus dieser Sucht, wenn es wirklich eine ist, rauszukommen.

In meinem Freundes- und Bekanntenkreis ist mir so etwas zumindest noch nicht aufgefallen.

» Antalis » Beiträge: 539 » Talkpoints: 0,22 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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