Wann und warum täuscht man Toleranz vor?

vom 03.12.2012, 00:45 Uhr

Manche Menschen sind nicht sonderlich tolerant. Das ist einfach so und an sich stört mich so etwas auch nicht. Aber ich verstehe es manchmal nicht, wenn Leute vorgeben, sehr tolerant zu sein und dann immer wieder durchblicken lassen, dass sie es eigentlich doch nicht sind. Der Verdacht liegt nahe, dass man sich tolerant gibt, um der Mehrheitenmeinung zu entsprechen. Intoleranz ist in vielen Bereichen nämlich nicht mehr so akzeptiert wie das vielleicht mal der Fall war. Für bestimmte Einstellungen wird man einfach schief angeschaut.
 
Aber warum schaffen es die Leute, die doch eigentlich keine tolerante Meinung von bestimmten Dingen haben, einfach nicht, ihre Meinung zu vertreten? Ich sehe kein Problem darin, auch zu einer Minderheitenmeinung zu stehen. Warum müssen manche Leute Toleranz vortäuschen, wenn sie doch gar nicht so tolerant sind? Es wäre doch viel einfacher, wenn sie einfach dazu stehen würden, was sie denken? Ist das als eine besondere Form der Feigheit zu betrachten? Täuscht ihr Toleranz vor oder steht ihr zu eurer eventuell vorhandenen Intoleranz, trotz des drohenden Gegenwindes?

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» Cologneboy2009 » Beiträge: 14210 » Talkpoints: -1,06 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Person A hat einen homosexuellen Kumpel namens B. A findet Homosexualität nicht normal, findet es auch sozusagen "unattraktiv" und möchte auch nicht sehen, dass sich zwei Männer küssen. A sagt seine Meinung nicht offen, weil das Outing B sehr viel Überwindung gekostet hat und er seinen Kumpel auch nicht verletzen möchte.

Person B hatte sehr viel Druck über die Jahre gehabt, weil er seine wahren Gefühle verheimlicht hat und fühlte sich lange unwohl mit seiner Homosexualität, aber B hat jetzt einen Partner und steht offen zu seiner Beziehung. A ist nur ein Bekannter von mir und ich hoffe, dass er offener und normaler gegenüber gleichgeschlechtliche Liebe denkt. Ich habe ihm natürlich auch meine Meinung gesagt, aber ich kann einen Erwachsen nicht umerziehen, vor allem wenn ich ihn gar nicht wirklich kenne.

Würdest du in der Situation von A deine Meinung äußern? Ich würde es in diesem Fall nicht machen und würde den Diskussionen aus dem Weg gehen. Wenn ich A wäre, würde ich meine Meinung nicht äußern, weil "schwul ist ekelhaft" kein richtiges Argument ist. Ich akzeptiere sein Verhalten, auch wenn ich es überhaupt nicht richtig finde, also bin ich in dieser Situation tolerant.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9228 » Talkpoints: 24,02 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Wenn man befreundet ist, dann kann man so etwas doch aber sagen! Was ist das denn bitte für eine Freundschaft, wenn man Verständnis vortäuscht? Andersherum kann ich aber nicht verstehen, wie man das unnormal finden kann, wenn man diesen Freund B hat. Da sieht man doch, dass er nicht unnormal ist und wenn man nicht will, dass er in der Öffentlichkeit jemanden küsst, kann man da sagen.

Ich bin grundsätzlich dafür, dass man sagt was man denkt. Aber auch hier macht der Ton die Musik. Ich kann dir aber sagen, warum manche Menschen Toleranz vortäuschen: weil viel zu vielen Menschen die Wahrheit einfach nicht gefällt und das ist das Problem. Mir ist es nämlich reichlich egal, ob jemand die Wahrheit nicht hören will. Wenn ich gefragt werden, dann muss die Person auch mit Dingen rechnen, die ihr nicht gefallen. Und genau das erwarte ich auch von meinen Freunden.

Bestes, wenn auch sehr harmloses Beispiel: Wenn man fragt, ob man das Outfit anziehen kann. Es nützt mir doch nichts, wenn meine drei guten Freundinnen dann alle sagen, dass ich super aussehen und ich blamiere mich dann. Dann sollen sie lieber sagen, dass man das echt nicht so anziehen kann. So müssen sie dann hinterher, wenn ich mal nicht im Raum bin, sagen, dass ich echt doof aussehe.

Meine Freunde sagen dann eben, dass ich da echt unvorteilhaft aussehe. Bei manchen mag das dann verletzend sein, aber es ist eben dann die Wahrheit. Und es ist wirklich allemal besser, als wenn man hinterher erfährt, dass sie über einen gelästert haben. Mal abgesehen davon muss man auch nicht lästern, wenn man ehrlich sein kann.

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge



Ich denke, dass man Toleranz vortäuscht, um generell das soziale Zusammenleben zu vereinfachen bzw. erst zu ermöglichen. Was manche Leute als Feigheit sehen, kann man meiner Meinung nach auch als Form der sozialen Intelligenz betrachten, die sich dadurch zeigt, dass man weiß, wann welches Gesprächsthema und welches Level an "Meinung" im sozialen Kontext angebracht ist. Außerdem ist es in vielen Fällen einfach opportun, seine Meinung für sich zu behalten, egal ob man die der Mehrheit teilt oder nicht. Toleranz ist in meinen Augen zudem nicht nur eine Frage, ob man mit der Mehrheit einer Meinung ist.

Wenn man beispielsweise in Gegenwart seines homosexuellen Chefs seine ebenso engstirnige wie unbegründete Meinung, Homosexuelle seien eklig, gehörten in Lager gesperrt und sollten gefälligst lieber Angehörige des anderen Geschlechts bumsen, aushustet, steht man wahrscheinlich relativ schnell ohne Job da. Oder wenn man genau weiß, dass der 78jährige Schwiegervater Ansichten hat, die man nicht teilt, aber außer Streit und Miss-Stimmung nichts dabei herauskommt, wenn man beim sonntäglichen Kaffeetrinken offensiv "zu seiner Minderheitenmeinung steht", ist damit auch niemandem gedient.

Das heißt natürlich nicht, dass ich der Meinung bin, dass man mit seiner Meinung immer hinter dem Berg halten soll, oder dass Toleranz immer besser ist als das Gegenteil. Aber mir fallen schon etliche Gründe ein, weswegen man im Alltag auch mal Toleranz vortäuschen muss, ebenso wie Interesse, Mitgefühl oder Faktenwissen.

» Gerbera » Beiträge: 11313 » Talkpoints: 47,96 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Toleranz geht bei vielen nur, wenn es nicht in der eigenen Familie passiert. Bleiben wir mal bei dem Thema Homosexualität. Viele sind tolerant gegenüber Menschen, die eine gleichgeschlechtliche Liebe leben. Aber wehe, der eigene Sohn kommt nach hause und stellt seinen Partner vor oder die eigene Tochter fühlt sich Frauen hingezogen. Da hört bei vielen die Toleranz auf und da ist es in meinen Augen auch eine Vortäuschung der Toleranz, wenn die Homosexualität im Bekanntenkreis oder überhaupt außerhalb der Familie stattfindet. Entweder, man ist tolerant oder eben nicht.

Ich mag es auch nicht, wenn man Toleranz vorspielt und vortäuscht. Wenn man in dem beispiel der Homosexualität eben nicht tolerant ist, aber eben keinen verletzen will, muss man die Klappe halten. Und wenn man es wirklich bei fremden Leuten toleriert, dann sollte man das auch in der eigenen Familie tolerieren.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Toleranz hat bei vielen eine andere Bedeutung, als das, was wir darunter verstehen. Das sieht man vor allem auch an relativ repräsentative Umfragen, die aktuell im Umlauf sind. Da wurde zum Beispiel gesagt, dass circa 70 Prozent der deutschen Bevölkerung null Probleme mit Schwulen und Lesben hat und ihnen die Gleichgestellung der Ehe wünscht. Gleichwohl haben aber mehr als die Hälfte Probleme damit, wenn die eigenen Kinder homosexuell sind, wo verträgt sich dieses "Toleranzverhalten"?

Ich denke viele wollen einfach nur toleranter sein, aber schaffen es nicht, über ihren Tellerrand hinauszuschauen, weil sie nicht in diesen Situationen waren, um etwas zu verstehen. Nehmen wir einmal mich.Ich wurde sehr tolerant erzogen, wenn man das ganze Gehabe sowieso Erziehung nennen konnte. Trotzdem habe ich immer irgendwie, aus welchen Gründen auch immer, etwas gegen "Homosexuelle" gehabt. Ich fand das gesamte Prozedere ekelhaft, nicht nachzuvollziehen und seltsam. Gerade auch das Verhalten der schwulen Herren, die dann mit quietschender Stimme einen auf Oberfrau machten. Die nerven mich aber auch heute!

Nun niemals wäre mir im Traum eingefallen, mal mit einer Frau etwas zu haben. Dann kam ich in der Jugend. Da passierte es, dass ich merkte, dass Frau XY einen Charakter hat, den ich bei einem Mann super hot finden würde. Alles stimmte und optisch war sie wirklich der reinste Hammer. Das kann ich bis heute nicht leugnen und sie war eher so ein Queen Latifah Verschnitt - einfach Hammer eben! Gut, ich habe mir ständig im Weg gestanden und versucht alles zu vermeiden.

Irgendwann meine meine beste Freundin, die vollkommen hetero ist, Kätzchen was tust du da eigentlich? Du stehst dir mit Liebe, Zärtlichkeiten und Erfahrungen selber im Web, weil du zum verrecken nicht einsehen willst, dass das alles passt, du was fühlst und das nur, weil sie dasselbe Geschlecht hat? Da klingelte langsam, was ich mir eigentlich für Möglichkeiten geliebt zu werden, verwehre, wenn ich merke, dass mich Frau und Mann aber ansprechen. Also ließ ich es zu und bis heute bereue ich nichts. Es war die beste Erfahrung.

Von da an wurde ich auch toleranter gegen andere Lebensweisen. Mittlerweile weiß ich auch, das lesbisch und schwul keine "Krankheiten" in dem Sinne sind. Ich weiß, dass man einfach nur einen Menschen liebt. Einige eben wirklich nur bestimmte Geschlechter und andere, wie ich, sind da etwas anders. Denn das Geschlecht ist mir immer egal seither. Seien es Transgender, ein Mann der gerne Frauenkleider anzieht (Drag Queen), Frauen oder Männer. Ich habe gelernt, nur einen Charakter, die Eigenschaften & Co zu lieben - das Geschlecht spielt hier keine Rolle und deswegen bezeichne ich mich als Pansexuel.

Doch bei anderen ist das oftmals nicht so möglich. Alles ist verpönt, was der Gesellschaft nicht in den Kram passt oder nur bedingt dort respektiert oder akzeptiert wird. Die Leute geben aber wiederum vor, Tolerant zu sein, weil sie einfach keinen Bock haben, sich zu erklären, wieso man so intolerant ist. Glaube ich jedenfalls. Andere schieben ihren Glauben vor, weil Gott oder Allah das nicht gewollt hätte. Da gibt es wohl sehr viele Gründe.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Natürlich wollen viele Personen heute hören, wie weltoffen man ist. Natürlich sagt niemand in der Öffentlichkeit, gerne, dass er Vorbehalte gegen Farbige, Araber oder Schwule hat, weil es nicht gerne gehört wird. Viele Araber tun hier auch so, als ob sie nichts gegen den Staat Israel hätten, weil sie negative Konsequenzen befürchten. Umgekehrt übersehen viele Juden den arabischen Antisemitismus, weil sie nicht als intolerant gelten wollen.

» Juri1877 » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Toleranz ist etwas, was man scheinbar haben muss um in der Gesellschaft akzeptiert zu sein. Deswegen würde sicherlich auch kaum einer offen zugeben, dass er nicht tolerant ist. Wobei das jeder auch ein bisschen anders definiert und viele Menschen Vorurteile haben und somit auch gewisse Ängste entwickeln, dazu stehen sie aber nicht. Ich glaube, wenn man aber offen dazu stehen würde, dass man eine bestimmte Personengruppe nicht mag, wird man aber schnell gesellschaftlich geächtet.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich denke das meiste ist einfach nur geheuchelt an der Toleranz die sich hier die Gesellschaft erlaubt oder meint, wie tolerant sie doch sind. Denn im Endeffekt laufen hier viele nur der breiten Masse hinterher, haben sich kein eigenes Bild dazu gemacht und kaum betrifft es sie dann einmal im eigenen Umfeld, dann ist es damit auch vorbei und es kommt nach außen, dass man gar nicht tolerant ist auch wenn man das vorher immer von sich behauptet hat.

Da ist es doch schon ganz einfach, manch einer sagt, dass er kein Problem mit Homosexuellen hat. Aber kaum outet sich der eigene Sohn dazu, dann ist das ein Weltuntergang und es wird analysiert was dort alles schief gelaufen ist, jedes kleine Stück auf die Goldwaage gelegt was ihn dazu gebracht hatte, schwul zu werden und damit wird dann alles andere als locker umgegangen. Denn es macht einen gewaltigen Unterschied, ob das am anderen Ende der Welt stattfindet oder direkt im eigenen Haus und da sind viele noch auf die altmodische Art und Weise eingestellt und erzählen vorher auch immer, wie wenig sie das stören würde bis es dazu kommt.

Das habe ich in meinem Umfeld mit diesem Kontext auch schon mitbekommen, nur das es dort dann die Tochter war die auf Frauen steht und nicht auf Männer und sich die Eltern hinterher gefragt haben, was sie falsch gemacht haben damit es dazu kam und sich in keiner Weise tolerant gezeigt haben gegenüber ihrer Tochter.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


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