Sich wegen Zeugnisnoten nicht nach Hause trauen?

vom 22.07.2017, 20:30 Uhr

Ich habe einen Artikel gelesen, in dem es heißt, dass ein zehnjähriger Junge aus Schleswig-Holstein sich nicht getraut hat, mit seinem Zeugnis nach Hause zu kommen und dieses seinen Eltern zu zeigen. Seine schlechteste Note soll eine Drei gewesen sein, für die er sich wohl so sehr geschämt hat, dass er sich in den ICE nach Basel gesetzt hat. Trotz gültiger Fahrkarte rief der Kontrolleur dann die Polizei und der Junge wurde in Basel aufgegriffen.

Ich war zu Schulzeiten auch nicht immer zufrieden mit meinen Noten, aber es war nie so schlimm, dass ich mich nicht nach Hause getraut hätte. Ich weiß aber auch nicht, wie viel die Medien eben da dramatisieren und übertreiben um Schlagzeilen zu generieren, ich kenne aber auch den Jungen nicht und weiß nicht, wie die Eltern so drauf sein müssen. Haltet ihr eine solche Geschichte für realistisch? Habt ihr es selbst vielleicht mal erlebt, dass ihr euch wegen Zeugnisnoten nicht getraut habt, nach Hause zu gehen? Hättet ihr unter Umständen ähnlich gehandelt wie der Junge?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



So ein Thema haben wir hier schon Zeugnisausgabe / schlechte Note - Angst nach hause zu gehen?. Ich hatte, wie in dem Thread schon geschrieben, auch mal Angst nach hause zu gehen. Aber die Angst vor Folgen, wenn ich abhaue war noch schlimmer. Ich finde es schrecklich, wenn Kinder Angst haben nach hause zu gehen, wenn sie schlechtere Noten haben. Meine Kinder brauchten keine Angst zu haben.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Ich musste, als ich den Artikel gelesen habe, erstmal ein wenig schmunzeln, da ich es doch irgendwie etwas niedlich fand, dass ein Junge sich wegen einer gar nicht mal so schlechten Note solche Sorgen gemacht hat, dass er die Flucht ins Ausland ergreifen wollte. Mir würde eine ganze Reihe ehemaliger Schulkameraden einfallen, die eine 3 auf dem Zeugnis regelrecht gefeiert hätten; und aus der Reaktion schließe ich, dass das restliche Zeugnis und die früheren Noten des Kerlchens wohl immer sehr gut gewesen sein müssen, sodass ein kleiner "Ausrutscher" doch mal erlaubt sein dürfte.

Mein nächster Gedanke war dann allerdings etwas von Traurigkeit und Mitgefühl überlagert, denn irgendeinen Grund muss es ja haben, dass der Junge gleich zu solch drastischen Maßnahmen gegriffen hat. Entweder, er definitiert sein Selbstbewusstsein tatsächlich zum Großteil über seine schulischen Leistungen, oder aber - was ich noch schlimmer fände - er bekommt vom Elternhaus massiven Druck und möglicherweise auch entsprechende Rüge, wenn er nicht die erwünschten Noten mit nach Hause bringt. So etwas finde ich immer furchtbar und auch ziemlich krass. Eltern sollten zwar ihren Nachwuchs schon zum Lernen und zur aktiven Mitarbeit im Unterricht motivieren, aber nicht durch Methoden wie Strafen, Liebesentzug oder Verachtung bei Eintritt des Gegenteils. Die Gesellschaft erlegt den Jüngsten heutzutage schon mehr als genug Leistungsdruck auf, und das muss nicht noch durch die eigene Familie potenziert werden.

Ich hatte zwar selber auch nie eine schlechtere Note als eine 3 in einem Abschlusszeugnis und habe deswegen auch kein Erlebnis dieser Art gehabt, dass ich mich nicht mehr nach Hause getraut hätte - aber ich habe auch stets gewusst, dass meine Eltern für eine schlechtere Note dennoch nicht mit mir geschimpft oder mich bestraft hätten. Sie waren immer sehr verständnisvoll und haben sich in Fächern, in denen ich Probleme hatte, auch sehr bemüht, mir bei Hausaufgaben oder Übungen zu helfen und mir die Materie verständlicher zu machen. Über Einsen und Zweien in Klassenarbeiten und Zeugnissen haben sie sich stets sehr gefreut und mich auch dafür gelobt, aber stand dann doch mal eine 3 da, dann war das kein Drama und ich bekam eher aufmunternde als niederschmetternde Worte zu hören, sodass mich dann auch der Ehrgeiz gepackt hat, nächstes Mal besser abzuschneiden.

Auf die Idee, von Zuhause wegzulaufen, wäre ich zumindest wegen einer Schulnote niemals gekommen. Damit hätte ich meine Eltern viel mehr in Sorge und Wut gebracht, als durch ein Zeugnis, das nicht ganz perfekt ausgefallen ist.

» MaximumEntropy » Beiträge: 8472 » Talkpoints: 838,29 » Auszeichnung für 8000 Beiträge



Ich halte das für absolut realistisch. Ein Kind hat ja noch nicht die Erfahrung, wie die Eltern auf dieses oder jenes reagieren. Das muss alles erst ausprobiert werden. Wirklich von einer Sache auf die andere schließen, fällt in dem Alter auch schwer. Also hat er vielleicht eine viel größere Strafe erwartet als es tatsächlich zu seinen Eltern passen würde.

Und dass man mit dem Abhauen viel größeren Schaden anrichtet als durch eine Drei im Zeugnis, ist doch in dem Moment auch nicht Thema. Der Plan ist doch, für immer abzuhauen. Also gibt es nie wieder Ärger mit den Eltern.

Allerdings gibt es auch wirklich Eltern, vor denen man als Kind Angst haben muss, wenn man mit einer Drei nach Hause kommt. Der Junge ist zehn, vielleicht geht es um das Übertrittszeugnis, um die Frage, ob er auf´s Gymnasium wechselt oder nicht. Manche Eltern machen da echt Druck.

Neben der normalen kindlichen Unerfahrenheit kam bei mir immer noch hinzu, dass meine Mutter leider keine rote Linie in ihren Reaktionen zeigen ließ. Ich konnte gar nicht lernen, sie einzuschätzen. Mal kam ich mit ner Drei nach Hause und es war ihr egal, mal ist sie ausgeflippt. Ich habe in der vierten Klasse das erste Mal ihre Unterschrift gefälscht, um ihr eine Vier in Mathematik verschweigen zu können.

Ich kann den Jungen also sehr gut verstehen. Eltern können Angst machen, so traurig das ist. Wir wissen ja auch nicht, warum er nach Basel wollte. Vielleicht hat er da eine große Schwester, von der er sich Hilfe erhofft hat. Aber aufbauschen muss man an so einer Geschichte nichts. Das passiert immer mal wieder. Also ich les so was nicht zum ersten Mal.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Da kann man wirklich von Glück sprechen, dass hier reagiert wurde und das Kind am weiteren Abhauen abgehalten wurde. Mag sein, dass das Kind einfach keine schlechten Noten gewöhnt ist und wegen der Drei dann einfach Angst hatte das so den Eltern zu sagen, was ich aber schade finde.

Eltern sollten schon deutlich klar machen, dass eine schlechte Note nicht schlimm ist und eine Drei auf dem Zeugnis ist noch lange kein Weltuntergang. Vielleicht steht hier aber auch ein großer Druck durch die Eltern dahinter, da das Kind Abitur machen soll und entsprechende Noten haben muss, es gibt ja auch Eltern, die eine Drei nicht akzeptieren und durchdrehen, ich hoffe nicht, dass es solche Eltern sind.

Das Gefühl kenne ich von mir nicht. Ich hatte sicher auch schon schlechte Noten aber mir war durchaus bewusst, dass es meinen Eltern egal sein wird und selbst wenn sie sich ärgern, dass der Ärger nicht ewig anhalten wird. Abhauen finde ich wegen solchen Sachen sehr übertrieben, aber Kinder denken ja nicht wie Erwachsene.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


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