Dozenten duzen dürfen führt automatisch zu Respekt-Problem?
Bei uns im Studiengang dürfen wir viele unserer Dozenten duzen. Die meisten haben selbst mal den Studiengang durchlebt und haben erst seid ein, zwei oder auch ein wenig mehr Jahren ihr Studium abgeschlossen. Somit sind sie teilweise sogar jünger als einige Personen im Kurs, die bereits eine Ausbildung hinter sich haben und sich erst danach für ein Studium entschieden haben. Es ist zwar nicht grundsätzlich so, dass wir alle duzen dürfen, aber bei den jüngeren, die selbst mal den Studiengang studiert haben, ist das eigentlich schon so üblich.
Nicht duzen dürfen wir natürlich unseren Studiengangsleiter und einige wenige andere Dozenten. Unser Studiengangsleiter lässt es den Dozenten natürlich offen, wie sie es handhaben, aber er selbst ist der Meinung, dass es bei den Studenten sofort an Respekt gegenüber dem Dozenten fehlt, wenn dieser sich duzen lässt. Daher ist er nicht allzu begeistert davon, wenn die Dozenten uns das Du anbieten.
Ich selbst habe noch keinen signifikanten Unterschied zwischen den Dozenten, die wir duzen dürfen und denen, die wir siezen, bemerkt, was den Respekt angeht. Es ist viel eher das Auftreten und Verhalten, das darüber entscheidet, ob ein Dozent mal weniger Respekt gezollt bekommt als ein anderer.
Wie ist das bei euch? Denkt ihr auch, dass man automatisch weniger Respekt vor einem Dozenten hat, wenn dieser sich duzen lässt oder dass es auf andere Eigenschaften ankommt, wenn es darum geht, wie viel Respekt man vor einer Person hat? Habt ihr schon einmal beobachten können, dass einem Dozent weniger Respekt entgegengebracht wurde, weil er geduzt werden durfte?
Das ist irgendwie schon ein typisch deutsches Problem, dass man irgendwie denkt, dass Respekt für eine Person etwas damit zu tun haben könnte, wie man die Person anspricht.
Ich habe es glaube ich noch nie erlebt, dass sich ein Amerikaner mir mit seinem Nachnamen vorgestellt hat, selbst im professionellen Bereich nicht. Und ich habe nun nicht das Gefühl, dass Amerikaner deshalb generell respektloser miteinander umgehen als Deutsche.
Die Frage, die ich mir bei Dozenten an einer Universität stellen würde, wäre auch, warum es da überhaupt wichtig ist, dass Respekt herrscht. Ich meine, es ist natürlich wichtig für das Miteinander, dass sich alle Beteiligten respektieren, aber es besteht doch ein großer Unterschied zwischen Schule und Studium. In einer Vorlesung oder einem Seminar hat man es nicht mit Kindern oder Jugendlichen zu tun, die da sein müssen und stören, wenn der Lehrer nicht autoritär genug ist. Da hat man lauter erwachsene Menschen vor sich sitzen, die sich freiwillig für dieses Studium entschieden haben, die unter Umständen dafür bezahlen und in deren Interesse es ist, dass die Veranstaltung ohne Störungen abläuft.
Ich wüsste nicht was daran ein Problem sein sollte. Wenn man sich mit dem Dozenten auf ein gegenseitiges "Du" einigen kann, spricht meiner Meinung nach nichts dagegen. Es wäre ja wohl eher respektlos, wenn er deswegen seine Autorität verlieren würde. Wir sollten an der Berufsschule auch jede Lehrkraft mit "Sie" ansprechen. Auch da gab es aber einige Lehrkräfte, die wir geduzt haben und sie natürlich uns.
In Deutschland ist dies halt eine Höflichkeitsform und wird als notwendig angesehen, damit die Autorität nicht untergraben wird. Ich mache gern Urlaub in Dänemark, da sich dort alle duzen. Im Dänemark ist "Sie" der Königin vorbehalten und man wird auch als Urlauber immer wieder darauf hingewiesen, dass sich alle deswegen duzen. Das finde ich persönlich absolut angenehm.
Ich denke auch, dass es sich hier einfach um eine kulturelle Besonderheit handelt. Einerseits ist es natürlich schon irgendwo absurd, davon auszugehen, man respektiere eine Person weniger, wenn man sie duzt, aber andererseits ist es bei uns nun mal immer noch so Sitte. Ich kann mir zwar vorstellen, dass es sich im Laufe der Zeit ändern wird, da das "Du" meiner Erfahrung nach mehr und mehr um sich greift, aber im Augenblick gibt es, wie ich finde, noch eine starke Lobby für das Siezen, und das sollte man im wahrsten Sinne des Wortes auch respektieren.
Beispielsweise kann es total respektvoll und wertschätzend gemeint sein, wenn die 22jährige Studentin den Professor mit "Du, Johannes" anspricht, weil sie es so gewohnt ist und aus einem Studiengang kommt, in dem alle total locker miteinander umgehen. Nur traue ich leider aus eigener Erfahrung heraus nicht jedem zu, seine Umgangsformen entsprechend anzupassen, wenn der Professor (oder der Chef im Praktikum, oder die erste "richtige Chefin" im Job) eben noch einer anderen Generation entstammen und sich schon mächtig veräppelt vorkommen, wenn sie irgendein Jungspund anquatscht, als hätten sie schon mal aus demselben Napf gefressen.
Von daher bin ich aus meiner Erfahrung heraus eher dafür, gerade den jungen Leuten, die frisch von der Schule kommen, noch ein bisschen das Siezen beizubringen. Das deutsche Durchschnittsalter ist recht hoch, und ich habe auch schon oft erlebt, dass viele es einfach nicht kapieren, dass man nicht jeden duzen sollte, weil es oft genug schlicht egal ist, ob es "respektvoll" gemeint ist, solange die Person, die am längeren Hebel sitzt, es nicht so auffasst.
Bei Leuten mit etwas mehr Lebenserfahrung, die schon mal in einer Hierarchie zugange waren, die nicht "Mama, Papa und der kleine Bruder" hieß, sehe ich es auch etwas lockerer, die können das gern unter sich ausmachen. Aber das Argument "Die Schweden duzen sich schließlich auch" zählt bei mir eigentlich nicht.
Cloudy24 hat geschrieben:Ich habe es glaube ich noch nie erlebt, dass sich ein Amerikaner mir mit seinem Nachnamen vorgestellt hat, selbst im professionellen Bereich nicht. Und ich habe nun nicht das Gefühl, dass Amerikaner deshalb generell respektloser miteinander umgehen als Deutsche.
Man sollte den kulturellen Unterschied nicht vergessen. Im Prinzip wird im englischsprachigen Raum nicht geduzt, eigentlich wird gesiezt, weil das Du schon vor ewigen Zeiten aus der Sprache verschwunden ist. Und trotz der Ansprache mit Vornamen bemerkt man bei der restlichen Formulierung deutliche Unterschiede.
Denn obwohl aus unserer Sicht geduzt wird, entsprechen Umgang und Formulierung eher dem deutschen Hamburger Sie, wenn man sich mit vollkommen Fremden oder Vorgesetzten unterhält. Unter Gleichgestellten wird es dann schon anders, Freunde und Familie werden noch einmal anders behandelt. Das Ergebnis ist ziemlich identisch, obwohl die sprachlichen Mittel unterschiedlich sind.
Hierzulande ist ein Du etwas, das sozusagen dem inneren Kreis gehört. Das ändert sich in Ländern mit nur oder viel Du nicht wirklich. Solange man nicht mit Gott oder einem Würdenträger spricht, wechselt man beispielsweise in den Niederlanden normalerweise im Gespräch nach einigen Sätzen ins Du. Das ist aber ein ganz anderes Signal als hierzulande.
Ich war mal als Dozent an der Uni und habe vor etwa 100 Leuten ein Seminar gehalten. Damals habe ich die Studenten geduzt und ihnen auch gesagt, dass sie mich duzen sollen. Allerdings hatte ich dann schon den Eindruck, dass ich nicht richtig ernst genommen wurde. Manche haben nicht aufgepasst, laute Gespräche geführt, irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie mich nicht als Respektsperson betrachtet haben. Das kann nun auch daran liegen, dass ich nur wenige Jahre älter war und dass das mein erstes Seminar war. Aber ich denke schon, dass es vielleicht etwas anders gelaufen wäre, wenn sie mich hätten siezen müssen.
Bei mir im Job werden eigentlich alle geduzt. Selbst der oberste Chef duzt alle Mitarbeiter und wird auch von allen geduzt. Komisch ist aber, dass jemand aus dem Vorstand da nicht mitmacht. Entgegen der Firmenkultur siezt er alle und will gesiezt werden. Und ich würde schon sagen, dass ich zu dieser Person eine höhere emotionale Distanz habe.
Zitronengras hat geschrieben:Manche haben nicht aufgepasst, laute Gespräche geführt, irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie mich nicht als Respektsperson betrachtet haben.
Als Studentin kann ich dir versichern, Gespräche und Unaufmerksamkeit gibt es auch bei alten Dozenten, die sich siezen lassen, zuhauf. Kommt immer stark auf das momentane Thema, die vorhandenen Studenten und das allgemeine Auftreten drauf an, aber ein paar Schwätzer und/oder Unaufmerksame gibt es immer.
Mir ist eigentlich relativ egal, ob ich Dozenten nun duzen oder siezen soll. Ich selbst werde lieber geduzt und mit Vornamen angesprochen, aber inzwischen bekomme ich es immerhin hin, mich auch beim Sie und dem Nachnamen halbwegs angesprochen zu fühlen. Ich selbst fühle mich nicht weniger respektiert, wenn ich geduzt werde bzw. nicht mehr respektiert, nur weil ich gesiezt werde.
Ich denke außerdem, dass die Studenten durchaus in der Lage sind, das entsprechende Pronomen anzupassen. Ich musste auch auf dem Gymnasium die Lehrer siezen, während im Reitstall alle mit Du angesprochen wurden, und tatsächlich hab ich das schon mit 13 auf die Reihe bekommen. Man sollte also erwarten, dass die über 20 Jahre alten Studenten das ebenfalls hinkriegen.
Wenn ein Dozent nun lieber gesiezt werden will, ist das rein dessen Sache, und ich habe damit wie gesagt gar kein Problem. Aber ich glaube nicht, dass man unbedingt auf dem Sie bestehen muss, um sich sozusagen Respekt zu verschaffen, da ich denke, dass das nur eine minimale Auswirkung hat.
Bei mir an der Universität werden die meisten Dozenten gesiezt. Allerdings hat uns der ein oder andere Dozent das Du angeboten. Dabei spielt das Alter des Dozenten keine Rolle. Ein Dozent, mit dem wir Studenten per Du sind, ist schätzungsweise in den Vierzigern und zudem der Institutsleiter. Meiner Erfahrung nach, entsteht dadurch kein Respektproblem. Im Gegenteil, ich empfinde die Lernatmosphäre als viel entspannter und angenehmer.
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