Sich als tickende Zeitbombe ansehen, die bald explodiert?

vom 06.06.2016, 23:13 Uhr

Ein ehemaliger Arbeitskollege hat sich einmal selbst als tickende Zeitbombe bezeichnet. Er meinte, dass er normalerweise sehr gutmütig sei und sich viel gefallen lassen würde, was er tatsächlich tat. Er meinte aber auch, dass das nicht ewig so weitergehen würde. Irgendwann würde das Fass eben einfach überlaufen und er würde explodieren. Das hat er dann auch tatsächlich getan, als er dann gekündigt hatte.

Habt ihr euch schon einmal selbst als tickende Zeitbombe angesehen? Wenn man genau weiß, dass es irgendwann zur Explosion kommen wird, warum unternimmt man dann nicht einfach schon vorher etwas dagegen und spricht das aus, was einem auf dem Herzen liegt? Immerhin müsste es dann doch gar nicht erst so weit kommen.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Das klingt für mich so, als hätte die Person keine Bewältigungsstrategie für Stress gefunden. Bei mir war das früher auch so, dass ich Kummer und Stress immer in mich hinein gefressen habe und irgendwann bin ich eben explodiert, weil ich nicht mehr konnte. Aber ich habe eingesehen, dass das kontraproduktiv ist, weil man so auch das Verhältnis zu anderen Personen nachhaltig negativ beeinflussen kann, wenn man eben Sachen sagt, die man nicht sagen sollte.

Daher habe ich mir angewöhnt nicht nur offener mit allem umzugehen und frühzeitig Kritik zu äußern, wenn ich bestimmte Verhaltensweise nicht gut finde, aber ich habe auch mit dem Boxen angefangen und habe einen Sandsack zu Hause hängen. Da kann ich mich gerne abreagieren, wenn ich mich gestresst fühle.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Na, hoffentlich bildet sich der Kamerad nicht allzu viel darauf ein, dass er seine Aggressionen und sein Gefühlsleben offensichtlich überhaupt nicht im Griff hat. Ich traue selbst ernannten "Zeitbomben" aus nachvollziehbaren Gründen sowieso nicht über den Weg, besonders dann nicht, wenn sie ihr Problem offensichtlich erkannt haben, aber anscheinend nicht das Bedürfnis haben, ihr Verhalten in Richtung "erwachsen und zivilisiert" anzupassen. Statt dessen sollen meistens ihre Mitmenschen tunlichst acht geben, dass sie Herrn oder Frau Zeitbömbchen nicht auf den Schlips treten und dann an der Explosion schuld sind. Für solche Spielchen habe ich keine Zeit.

Ich selbst würde mich auch als geduldigen und gottergebenen Menschen ansehen, dem nicht bei jeder Kleinigkeit gleich die Hutschnur platzt. Aber dennoch habe ich im Lauf meines Lebens gelernt, meinem Ärger in der Mehrheit der Fälle rechtzeitig Luft zu machen und mich um eine konstruktive Lösung zu bemühen. Das klappt natürlich nicht immer, manchmal fühle ich mich auch provoziert und in die Enge getrieben und reagiere dann auch oft aggressiv und unkontrolliert. Aber prinzipiell kann man einen gesunden und vernünftigen Umgang mit Konflikten lernen und ich hoffe mal, dass die "tickende Zeitbombe" sich nicht ewig auf ihrer Selbsterkenntnis ausruhen wird.

» Gerbera » Beiträge: 11313 » Talkpoints: 47,96 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich finde es gruselig, wenn man sich als tickende Zeitbombe bezeichnet. Immerhin weiß man nicht, was bei einer Explosion passiert. Brüllt diese Person einfach nur rum oder begeht sie eine Straftat wie eine Körperverletzung oder Vergewaltigung? Natürlich hat jeder mal angestauten Frust und manchmal kann man an der Situation nichts ändern und explodiert dann mehr oder weniger, aber wenn man sich nicht im Griff hat, dann macht mir so etwas eher Angst.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9228 » Talkpoints: 24,02 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich finde das je nach Situation gar nicht schlimm und sehe nicht, dass es grundsätzlich an mangelnder Einsicht oder fehlenden Bewältigungsstrategien liegen muss. Ich denke da an meine Ausbildung. Da nützte es nichts, auf seine Situation aufmerksam zu machen und der Stress ließ sich auch nicht bewältigen - mit welcher Strategie auch immer, wenn man von der Kündigung absieht.

Ich beschreibe einfach mal das Problem. Reguläre Arbeitszeit entweder von 8 bis 16 oder von 13 bis 21 Uhr. Offiziell keine Pause, weil wir ja angeblich zwischendurch Leerlauf haben. Am Wochenende und an Feiertagen nur Frühdienst. Dazu regelmäßige Bereitschaftsdienste in der Nacht. Am Wochenende meist ein Tag Dienst, der zweite freie Tag liegt immer separat. Zwei zusammenhängende freie Tage sind Luxus.

Aufgrund von Kündigungen waren wir plötzlich zu wenige, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Eine Kollegin arbeitete genau jetzt nur noch von 9 bis 17 Uhr und nicht am Wochenende. Und wir waren noch zu zweit. Für uns hieß das, dass wir jedes Wochenende arbeiten durften, Berufsschule oder ein freier Tag in der Woche hieß für den anderen arbeiten von 8 bis 21 Uhr. Wenn einer krank wurde, konnte man gleich im Betrieb wohnen.

Kammer und Arbeitsgericht fanden die Zustände für eine nicht näher definierte Zeit in Ordnung. Es sollte ausgeglichen werden, wenn wieder mehr Personal da ist. Das kam aber nicht, stattdessen kam eine neue Ärztin. Da ging das aber schon ein halbes Jahr so. Und die neue hatte es dann drauf, mitten in der Nacht anzurufen und entweder unnötig Assistenz zu fordern oder zu fragen, wo sie etwas findet, von dem sie wissen müsste, wo es liegt.

Ja, da habe ich mich durchaus wie eine tickende Zeitbombe gefühlt. Und ja, ich bin irgendwann bei so einem Anruf explodiert, nachdem ich erst gegen ein Uhr in der Nacht nach einem Notfall von der Arbeit gekommen bin und zwei Stunden später mal wieder unsanft von der Frage geweckt worden bin, wo das Infusionsbesteck zu finden sei. Und am folgenden Morgen habe ich den Chef sprichwörtlich an die Wand genagelt, weil ich angeblich nicht freundlich und motiviert genug gucke. Wer kann es mir verdenken?

» cooper75 » Beiträge: 13375 » Talkpoints: 509,11 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Als Zeitbombe würde ich mich auch nicht bezeichnen. Aber bei mir staut sich Ärger auch meist an und irgendwann platze ich dann auch schon mal, wenn ich einfach nichts mehr aufnehmen kann. Das kommt aber sehr selten vor und meist zweigt sich der angestaute Stress und Ärger eher auf andere Weise.

Ich kann das auch oft nicht so recht rauslassen und fresse das dann in mich hinein. Ich rede so auch nicht immer darüber, so dass dies dann automatisch dazu führt, dass es sich anstaut. Aber ich schreie dann eher nicht herum oder ähnliches. Ich denke aber, dass jeder ein Ventil braucht.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Täubchen hat geschrieben:Das klingt für mich so, als hätte die Person keine Bewältigungsstrategie für Stress gefunden.

Und warum siehst du das nicht als Bewältigung an? Hier wird immer weiter eingefüllt bis das Fass überläuft, sich alles entlädt und dann wieder Platz für neue Sachen ist. Das ist auch eine Strategie, die mache bewusst verfolgen und nicht immer spricht das dafür, dass derjenige unglücklich damit ist oder damit auch alles schlechter ist. Wenn es für dich nicht das richtige ist, dann ist es so aber es direkt allen zu unterstellen wie schlecht es doch ist, ist eben auch nicht der Richtige Weg.

Es gibt aber auch Situationen und Dinge, bei denen es immer besser ist seinen Mund zu halten und nicht um die Ecke zu kommen mit dem, was einen gerade stört. Oder würdest du jedes mal deinem cholerischen Chef es auf die Nase binden und nicht einfach nur schlucken? Denn die Konsequenzen wären jedes mal größer, als wenn es einmal zu einer Entladung kommt und dann wieder lange Zeit oder für immer Ruhe ist. Von daher halte ich es nicht für Sinnvoll, dass man alles direkt anspricht sondern das auch von seinem Gegenüber und der Gesamtsituation abhängig macht, denn meistens hängt da ein wenig mehr mit dran.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



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