Durch viele Umzüge Identität verlieren?
Ich habe vor einiger Zeit die Aussage einer jungen Frau gehört, die häufiger in ihrem Leben umziehen musste. Sie meinte selbst, dass die häufigen Umzüge ihr nicht gut getan hätten und dass dies zur Folge hätte, dass sie ihre Identität verlieren würde und mittlerweile nicht mehr wüsste, wer sie ist. Sie stufte häufige Umzüge schon als belastend ein und hätte lieber darauf verzichtet.
Ich kann diese Logik offen gestanden nur bedingt nachvollziehen. Natürlich ist es - je nach Alter der Person - nicht besonders schön, wenn man jedes Mal neu anfangen muss in dem Sinne, dass man sich neue Freunde suchen muss, sich einleben muss und sich an immer neuen Standorten neu zurechtfinden und orientieren muss. Aber offen gestanden ist meine Identität nicht daran gekoppelt. Ich bin schon so manches Mal umgezogen und meine Identität hat nicht darunter gelitten, daher denke ich, dass der Identitätsverlust bei dieser Frau von was anderem kam und nicht ausschließlich von den Umzügen.
Wie seht ihr das? Haltet ihr es für möglich, dass man durch viele Umzüge seine Identität verlieren kann? Welche Erfahrungen habt ihr in dieser Hinsicht gemacht und haltet ihr das für realistisch? Welche Faktoren beeinflussen die Identität zusätzlich abgesehen vom Wohnort?
Woran will denn die Frau ihre "Identität" festmachen? Am Wohnort oder den Freunden? Das wird es wohl kaum sein. So eine Aussage wird wohl eher deshalb fallen, weil sie allgemein mit sich nicht im Reinen ist. Ob das jetzt durch die Umzüge bedingt oder aber unabhängig davon ist, wird sich nicht feststellen können. Fakt ist aber, dass das doch immer dann "aufhören" könnte, wenn sie sich irgendwo niederlässt.
Man kann sie ja fragen, was sie bzgl. ihrer Identität anders hätte, wenn sie nicht umziehen würde. Ich muss unterstellen, dass sie dann vermutlich trotzdem nicht "anders" wäre - aber sie dann andere Gründe finden würde, warum eben manches nicht passt.
Täubchen hat geschrieben:Welche Faktoren beeinflussen die Identität zusätzlich abgesehen vom Wohnort?
Wieso sollte der Wohnort die Identität überhaupt beeinflussen? Woran würdest du das an dir selbst festmachen, nachdem du ja schon davon ausgehst, dass das überhaupt der Fall ist?
Ich musste jetzt lachen, als ich diesen Beitrag hier gelesen habe. Ich bin in meinem Leben schon sehr oft umgezogen und ich weiß immer noch wer ich bin und wo ich hingehöre. Vor allem bin ich einmal auch über mehrere hundert Kilometer weg gezogen und habe meine Heimat hinter mir gelassen. Auch wenn meine Wurzeln immer noch in meiner alten Heimat sind, weiß ich dennoch wer ich bin. Was hat die Identität mit Umzügen zu tun? Das verstehe ich überhaupt nicht.
Natürlich hängt das davon ab, wie man nun Identität definiert, aber grundsätzlich verstehe ich schon das Problem. Nehmen wir mal an, man wurde in der Stadt X geboren, aber durch einen Umzug hat man dort nur wenige Wochen gelebt, man kann sich also gar nicht daran erinnern. Dann kennt man nicht mal seine Geburtsstadt.
Das ist nicht unbedingt von zentraler Bedeutung für die Identität. Aber wenn sich das ständig so fortsetzt, dass man nirgendwo lange gelebt hat, kann man die Frage "Wo kommst du her?" gar nicht mehr beantworten. Dann gehört es zur Identität, dass man nirgendwo verwurzelt ist und zu einer Familie gehört, die ständig umzieht.
Und ich denke schon, dass so eine Familie etwas anders strukturiert ist. Egal, wo man einzieht, man lässt es gar nicht zu, dass man da wirklich ankommt. Vielleicht hängt man keine Bilder auf oder meldet die Kinder gar nicht erst im Sportverein an. Vielleicht wachsen die Geschwister näher zusammen, weil sie die einzigen Konstanten im ähnlichen Alter sind.
Es kommt natürlich auch sehr darauf an, wie oft man umzieht, wie lange man jeweils an einem Ort ist und wie alt man ist. Aber dass es identitätsstiftend ist, finde ich auf jeden Fall. Es macht doch einen Unterschied, ob man sein Leben lang in Hinterdupfing wohnt oder ob man bis zu seinem 10. Lebensjahr schon in Tokio, New York, Moskau und Johannisburg gelebt hat.
Vor allem ist es aber wichtig, ob man so einen Dreh- und Angelpunkt hat. Das kann der Wohnort der Großeltern sein, zu dem man dann halt mehrmals im Jahr zurückkehrt. Wenn man, wie meine Vorrednerin, noch solche Sätze sagen kann:
Vor allem bin ich einmal auch über mehrere hundert Kilometer weg gezogen und habe meine Heimat hinter mir gelassen.
dann ist ja offensichtlich eine Heimat vorhanden, so ein Ausgangspunkt. Aber wenn das Umziehen in jungen Jahren beginnt, hat man das eventuell nicht.
Wenn das bei der jungen Frau aus dem Ausgangsthread nicht vorhanden ist, kann ich die Aussage durchaus nachvollziehen. Aber natürlich hängt das dann auch mit Einsamkeit zusammen und dem Wunsch nach einer Heimat. Man kann seine Identität, wie gesagt, auch einfach darauf aufbauen, dass man eben bewusst keine Heimat hat, sich überall schnell zuhause fühlt, oder man ausschließlich Menschen als Heimat ansieht, egal, ob man sie in HongKong oder Hinterdupfing trifft.
Wenn das so wäre, dann müsste ich nicht mehr wissen wer ich bin, welcher Tag heute ist und wo ich inzwischen wohne. Ich bin schon über 30 mal umgezogen mit meinem ganzen Sack und Pack und weiß das dennoch immer noch. Ich sehe es wie viele der Vorposter, dass es immer darauf ankommt woran man seine Identität auch festmacht und wie verbunden man mit den Orten ist.
Sicherlich ist es schwieriger sich zu trennen wenn man an einem Ort hängt und auch nur sich dort Zuhause fühlen kann. Der Typ Mensch bin ich aber nicht, ich kann mich an jedem Ort Zuhause fühlen und mache es nicht von einer örtlichen Lage ab oder auch nicht von Personen die dort vielleicht auch in der Nähe wohnen.
Ich kam auch aus einem Kuhdorf, bin nie herum gekommen und mit 18 Jahren hat es dann angefangen mit den dauerhaften Umzügen, womit ich kein Problem habe. Also nichts von New York, Tokio und Johannisburg vor dem 10. Geburtstag. Ausgangspunkt habe ich bewusst keinen an den es mich immer zurück zieht wie z.B. das Elternhaus, ich nehme mit was geht und lasse mich überraschen.
Aber zum anderen kommt es auch darauf an was man macht. Selbst wenn ich nur wenige Monate in einer Stadt war, habe ich mich dennoch zum Sport angemeldet und bin raus gegangen mich mit Leuten zu treffen. Wenn man dafür dann schon zu faul ist und sich immer einredet "lohnt sich nicht" weil man in wenigen Wochen wieder weiter zieht, dann ist es die eigene Schuld wenn man hinterher nicht mehr mit sich zurecht kommt und nicht mehr weiß, wer man eigentlich ist.
Ich kann auch nicht so recht nachvollziehen, was die eigene Identität mit häufigen Umzügen zu tun hat. Man bleibt doch immer noch die Person die man ist. Auch heißt es ja nicht, dass man durch einen Umzug alle Freunde verliert. Manchmal zieht man ja nur im Umkreis um und kann seine Freunde weiterhin sehen. Auch würde ich meine Persönlichkeit nicht von meinem Freunden abhängig machen.
Daher würde ich auch nicht sagen, dass man seine Identität durch häufige Umzüge verliert. Ich kann mir nur vorstellen, dass man sich teils vielleicht etwas Heimatlos vorkommt, wenn keinen festen Ort an, bei dem man weiß, dass man nun bleiben wird und angekommen ist.
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