Haben oder hatten alle Ernährungsberater eine Essstörung?
Eine Bekannte von mir ist Diätassistentin von Beruf und berät Patienten im Krankenhaus über die richtige Ernährung bei verschiedenen Beschwerden und gesundheitlichen Problemen. Ihr macht der Job sehr viel Spaß und durch ihren Beruf und die Ausbildung hat sie natürlich so einige Fachleute aus ihrem Bereich kennengelernt. Sie meinte neulich zu mir, dass mehr oder weniger alle Diätassistenten bzw. Ernährungsberater "gestört" in dem Sinne wären und zu Essstörungen und dergleichen neigen würden. Das käme einfach daher, weil man sich so viel mit der Ernährung und den Nährstoffen auseinander setzen müsste. So würde sie keinen Menschen aus diesem Bereich kennen, der nicht zumindest eine Zeit lang Angst um den eigenen Körper und die eigene Figur gehabt hätte, der Essstörungen entwickelt hätte und dergleichen.
So hätte sie selbst auch eine Zeit lang Essstörungen gehabt und tierische Angst gehabt, dass sie zunehmen könnte (siehe Normalgewicht um Krankheiten und Beschwerden vorzubeugen) und dann noch gleichzeitig Nährstoffmangel zu haben oder so. Mittlerweile geht es ihr in der Hinsicht viel besser und sie hat eben gelernt, das ganze normal und nüchtern zu betrachten. Aber es war ein langer weg bis dahin und sie arbeitet auch schon viele Jahre in diesem Beruf. Was meint ihr dazu? Sind Menschen, die im Bereich Ernährungsberatung arbeiten tatsächlich anfälliger dafür, Essstörungen zu entwickeln und eine verzerrte Selbstwahrnehmung zu entwickeln? Oder seht ihr hier eher eine Korrelation?
Mir ist das auch schon vermehrt aufgefallen, dass Menschen, die so etwas beruflich machen, beziehungsweise Menschen, die daran interessiert sind, sich mit der Ernährung beruflich auseinander zu setzen, wirklich an einer Essstörung leiden.
So eine Arbeitskollegin von mir, die immer wieder sagt, wenn sie jetzt nicht in unserem Bereich tätig wäre, dann hätte sie sicher etwas im Bereich Ernährungswissenschaften gemacht. Sie ist auch eher der Typ für eine vermeintlich gesunde einseitige Ernährung ohne Fett und Kohlehydrate.
Das Highlight war, als sie uns einen Kuchen gebacken hat, der ganz ohne Fett und Zucker war. Man kann sich vorstellen, dass dieser eher wie Brot geschmeckt hat, als wie Kuchen. Da esse ich zuvor lieber gar keinen Kuchen. Das Schlimme ist, dass sie es noch gerechtfertigt hat damit, dass ihre Kinder schon genug Fettiges und Süßes bekommen würden.
Ich finde auch, dass sie übertreibt mit dem Süßigkeitenkonsum. Denn es ist so, dass letztens ihre Tochter zu uns kam und sich etwas Süßes aus der Box genommen hat. Dann musste sie das Bonbon, dass eh schon so klein war, noch mit ihrer Cousine teilen.
Sie diskutierte herum, aber die Mutter ließ nicht locker. Entweder sie würde teilen mit der Cousine und sonst solle sie das Zuckerl eben da lassen. Da gibt es jetzt keine andere Möglichkeit. So etwas fand ich schon ziemlich übertrieben, muss ich schon sagen.
Ich glaube, hier kann man eine Grundlagendiskussion anfangen, ob die Henne oder das Ei zuerst da war, also ob die Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Ernährungsberatung eine Essstörung hervorrufen kann oder ob es nicht eher so ist, dass Menschen, die bereits für solch eine Erkrankung prädestiniert sind, sich bevorzugt Beschäftigungen in diesem Gebiet suchen.
Es ist ja bekannt, dass Essgestörte zur übermäßigen Fixation auf und Auseinandersetzung mit Nahrung sowie deren Zusammensetzung und Nährwerten neigen. Wenn sich die eigenen Gedanken zum Großteil ums Essen drehen, dann ist es recht naheliegend, dass man sich auch in beruflicher Hinsicht irgendwie davon lenken lässt. Außerdem könnte ich mir vorstellen, dass sich viele Essgestörte durch das Erlernen der Ernährungstheorie auch irgendwo erhoffen, noch effizienter abnehmen zu können, da sie dann ja besser mit den Nahrungsbestandteilen und ihren Wirkungen auf den Körper vertraut sind. Dieses Wissen lässt sich zur Unterhaltung einer Anorexie bestens ausnutzen.
Sicher gibt es auch Fälle, die andersherum verlaufen, und bei denen durch die Ausbildung beziehungsweise das Studium der Ernährungsberatung erst Essstörungstendenzen auftreten, weil einem auf einmal die Art und die Folgen des eigenen Konsumverhaltens bewusst werden. Allerdings denke ich, dass das eher eine Seltenheit ist, wenn man nicht schon irgendwo gewisse intrinsische Tendenzen zur Esstörung aufweist. Dann kann es zum Trigger werden, wenn man sich mit dem Thema befasst - ähnlich, wie man auch Killerspielen immer einen Zusammenhang mit der Verübung von Gewaltakten nachsagt. Wer nicht von vornherein schon eine psychische Störung hat, wird diese wohl kaum allein durch eine Runde "Counter Strike" entwickeln. Beim Essen sehe ich das ähnlich.
Könnte man das nicht auf jeden anderen Beruf auch übertragen und seine Mutmaßungen anstellen? Dass Menschen ein Helfersyndrom haben müssen, wenn sie hinterher einen sozialen Beruf ergreifen und immer eine solche Geschichte dahinter stehen muss?
Ich denke nicht, dass man das hier pauschal auf alle Übertragen kann. Mag sein, dass deine Bekannte das als ihren Weg zu dem Beruf gefunden hat, aber sicherlich nicht auf alle. Essstörungen gibt es mehr, als es Ernährungsberater gibt und nicht jeder der so etwas überwunden hat oder erkannt hat, geht hinterher auch in diesen Beruf und geht in diesem auf.
Ich würde das nicht behaupten, dass es jeder hat oder hatte und egal in welche Richtung man es dreht mit einer Essstörung, im Endeffekt kann man das auf jeden Menschen zuschneiden. Denn ob ich nun alles abwiege damit ich schlank bleibe oder auch unkontrolliert alles in mich rein stopfe, beides sind Formen von Essstörungen und auch der der sich als "normal" betitelt hat sein Päckchen mit dabei und sei es nur durch Aussagen wie "ab und an mal ist ok" oder wer sich für ein Event dann noch ein paar Kilogramm von den Rippen hungert oder damit der Bikini am Strand passt. In diesem Moment liegt dort ebenfalls eine Essstörung mit vor.
Ich weiß nicht, ob man das so pauschal sagen kann, aber sicher ist, dass viele von dem einen Extremen in das nächste Extreme gehen und da sehe ich per se für den Beruf des Ernährungsberaters, Personaltrainers & Co schon einige Probleme. Um jetzt nur mal die prominenten Beispiele zu nennen Sophia Thiel, einst dick und jetzt dermaßen von kompakt, dass es von dem einen Extrem ins Nächste ging. Detlef D. Soost dasselbe Spiel. Wo ist da die Mitte?
Ich mag aber zum Beispiel auch nicht all jene Ernährungsberater, die gar keine Erfahrung mit dem dick sein haben, weil die nämlich überhaupt nicht verstehen, was ein dicker durch macht. Gar nicht. Sei es von den Blicken, den dummen Sprüchen bis zur Lust, etwas essen zu wollen. Die labern immer nur einen Dünnschiss daher. Ähnlich wie eben manche Psychologen, die fein nach Lehrbuch agieren, nicht menschlich wirken und weltfremd.
Ich denke daher, dass man das auf jeden Beruf umsetzen könnte und wirklich jeder Beruf durchaus in der Lage ist, dort auch Erfahrungen mit beizutragen. Sei es die sozialgestörte Ex-Phobikerin, die jetzt ein Mutseminar führt, der ehemals dickliche Junge, der jetzt beim Abnehmen hilft oder die geprügelte Ex_Frau, die jetzt Scheidungsanwältin ist. Geben tut es sowas natürlich genug, sodass es nicht unbedingt neu sein muss, dass auch jemand als Ernährungsberater diese Extreme hatten.
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