Depressionen bei zu viel wissen?
Mein Freund arbeitet in einer Firma, die ziemlich chaotisch ist und in der die Zustände vor Ort einfach nur haarsträubend sind. Er kriegt selbst immer die Krise, wenn er sieht, was da alles falsch läuft und wie unorganisiert und planlos sogar die Chefs an die ganze Sache heran gehen. So gibt es beispielsweise seit Jahren keinen richtigen Brandschutz. Die Notausgänge sind vollgestellt mit irgendwelchem Krempel und sogar die Flure sind so vollgestellt, dass man da kaum vorbei kommt. Dies ist nur eines von vielen Beispielen, was dort eben schief läuft, was schon seit sehr vielen Jahren der Fall ist und offenbar gar nicht geändert werden soll. Dies kann unter Umständen schon lebensgefährlich werden, wobei ich eine derartige Nachlässigkeit der Vorgesetzten überhaupt nicht nachvollziehen kann.
Mein Freund regt sich gerne über diese Zustände in der Firma auf, in der er arbeitet. Er sprach sogar neulich mit einem Kollegen darüber, wobei der Kollege direkt abgeblockt hatte. Der Kollege meinte, er wolle davon nichts wissen, denn wenn man zu viel wisse, würde man Depressionen entwickeln.
Dies erzählte mir mein Freund dann zu Hause, wobei mich das schon stutzig macht. Ich habe selbst Depressionen gehabt und meiner Ansicht nach bekommt man sie eher durch schlechte Erfahrungen, die einem das Selbstwertgefühl nehmen, sodass man sich wertlos fühlt. Nur weil man zu viel weiß wird man doch nicht depressiv. Höchstens vielleicht, wenn man versucht etwas zu verbessern und ständig daran scheitert. Aber das hat ja mit dem reinen Wissen eines Sachverhalts überhaupt nichts zu tun.
Was meint ihr darüber? Kann man depressiv werden, wenn man zu viel weiß? Oder gehört für euch da noch einiges mehr dazu?
Ich denke, ob man eine Depression bekommt oder nicht ist ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren. Zum einen, wenn man bei deinem Beispiel bleibt, ob etwas Negatives passiert, man also Stress hat. Wer sich über die Zustände in der Firma sehr ärgert, kann das ja durchaus als einen Stressfaktor empfinden.
Die andere Frage ist aber auch, wie man damit umgeht. Man kann über die zugestellten Flure bescheid wissen, sich aber nicht daran stören. Man kann denken "mir egal, ich bekommen mein Geld, egal wie der Flur aussieht" oder man kann sich eben darüber ärgern und sich in negative Gedanken hineinsteigern.
Und dann gibt es noch andere Dinge. Wenn man Stress hat und sich darüber ärgert, gleicht sich das irgendwie wieder aus, indem man noch andere Ressourcen hat, etwa in der Freizeit entspannt, eine schöne Partnerschaft hat oder gibt es ansonsten noch mehr belastende Faktoren?
Ich stimme zu, dass man alleine von zu viel Wissen keine Depressionen bekommen kann. Mit Sicherheit kann es in diesem Fall einfacher für den Kollegen sein, die chaotischen Zustände und negativen Seiten des Berufs zu ignorieren und ich kann nachvollziehen, dass es einen leicht frustrieren kann, wenn man zu viel darüber nachdenkt.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass der Kollege dies eventuell damit meinte, da viele Leute immer noch eine falsche Vorstellung von Depressionen haben und den Begriff gerne mal leichtfertig verwenden. Doch mit einer wirklichen Depression kann man das nicht wirklich vergleichen, finde ich, und ich habe selbst seit langer Zeit Dysthymie (eine chronische Depression).
Ich selbst (und viele andere Leute mit Depressionen, denke ich) habe dadurch ein großes Problem damit, mir über alles ständig zu viele Gedanken zu machen, die mir zusätzliche Sorgen und Angstzustände bereiten, allerdings empfinde ich es nicht als das gleiche Problem.
Außerdem kommt es ja stark auf die Person und ihre geistige Gesundheit an, wie gut sie mit solchen Verhältnissen am Arbeitsplatz umgehen kann. Eine Person, die sowieso unter Depressionen oder einen psychischen Problemen leidet oder einfach nur sensibler ist, wird solch ein chaotischer Zustand vermutlich mehr zusetzen als jemandem, der sich stabil und gesund fühlt und Probleme nicht so leicht an sich heran lässt.
Ich glaube, dass verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, um eine Depression zu entwickeln. Allerdings denke ich auch, dass man dies durch zu viel wissen eher nicht bekommt. Im Falle deines Freundes wird es sich einfach um eine Art Redewendung gehandelt haben. Ich denke, dass sein Kollege damit sagen wollte, dass sie besser nicht genauer über die Zustände nachdenken, da sie ansonsten noch verzweifeln oder ähnliches.
Ich habe auch noch von keinem Fall gehört, in dem jemand depressiv wurde, weil er sich zu viele Gedanken über solche Umstände in einer Firma gemacht hat. Ich könnte eher nachvollziehen, wenn dann jemand sagt, dass er Angst bekommen, wenn man näher ausführt was fort schief läuft. Immerhin ist es gefährlich, wenn die Fluchtwege zugestellt sind und nicht genutzt werden können.
Es ist doch ein großer Unterschied zwischen "Depressionen" im allgemeinen Sprachgebrauch und "Depressionen" als klinische Diagnose. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird "depressiv" oft mit einer traurigen Stimmung gleich gesetzt, aber bei Menschen, die tatsächlich krank sind, dominieren oft ganz andere Gefühle oder der Mangel an Gefühlen.
Ich interpretiere den Spruch nicht so, dass Wissen zu einer psychischen Erkrankung führt sondern, dass mehr Informationen nur dazu führen, dass er sich aufregt und dann einen schlechten Tag hat.
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