Einer psychischen Erkrankung einen Vornamen geben?
Im Internet habe ich den Blog einer Frau gelesen, die gegen ihre Magersucht kämpft. Sie erzählte in ihrem Blog, dass ihre Therapeutin ihr dazu riet, ihrer psychischen Erkrankung einen menschlichen Vornamen zu geben. So könnte sie das Feindbild besser bestimmen und es würde auch die Situation auflockern, so dass sie viel einfacher über das Thema reden kann. Sie hat ihre Magersucht übrigens Bella genannt.
Habt ihr eurer psychischen Erkrankung schon einmal einen menschlichen Vornamen gegeben oder würdet ihr das tun? Ist dieser Tipp hilfreich oder funktioniert das nicht immer?
Das Ganze ist eine gängige Sache und vielleicht hat man dadurch bessere Chancen sich durch diese Erkrankung zu kämpfen und den Mut zu finden an sich zu arbeiten. Das macht man aber auch bei anderen Krankheiten, einfach weil ein Feindbild etwas ist, was man hat und wogegen man antreten kann. An sich ist das keine schlechte Idee, ob es tatsächlich bei mir funktionieren würde weiß ich aber nicht.
Ich kenne das auch vor allem aus dem Bereich der Magersucht. Die Vermenschlichung der Erkrankung ist eine bekannte therapeutische Strategie und wird auch in anderer Form in die Behandlung eingebaut - beispielsweise dadurch, dass die Patienten und Patientinnen Briefe an die Krankheit adressieren sollen, in denen sie sie einmal wie eine Freundin und einmal wie eine Feindin ansprechen. Dass sie der Magersucht einen eigenen Namen verleihen, machen manche Patientinnen dabei auch ganz von alleine.
In gewisser Weise kann dieses Vorgehen schon hilfreich sein, denn gerade psychische Erkrankungen unterminieren das Unterbewusstsein und die eigenen Denkweisen oftmals so stark, dass sie zu einem richtigen Teil der Persönlichkeit des Betroffenen werden. Wie stark die Bindung zwischen Patient und Erkrankung ist, müssen sowohl der behandelnde Therapeut als auch der Patient selber erstmal begreifen, und wenn man die Magersucht als Person mit eigener Identität und mit konkreten Zielen und Verhaltensweisen akzeptiert, fällt es einem womöglich leichter, zu differenzieren, welche Anteile an einem selbst der kranken oder der gesunden Seite zuzuweisen sind.
Allerdings sehe ich auch eine gewisse Gefahr in einer Vermenschlichung der Erkrankung. Es ist ja gerade einer der tückischsten Aspekte daran, dass sie einem vorgaukelt, eine verständnisvolle Ratgeberin und eine Hilfe in schwierigen Alltagssituationen zu sein. Dass es langfristig nicht hilfreich ist, ihr zu folgen, wird dabei oft außer Acht gelassen. Es könnte auch passieren, dass man sich durch eine Vermenschlichung nur noch mehr mit der Krankheit identifiziert. Daher sollte eine solche psychotherapeutische Strategie nur unter professioneller Anleitung durchgeführt werden.
Ich kenne mich mit Magersucht nicht so gut aus und weiß nicht genau, wie die Therapien dabei ablaufen. Aber ich lese hier zum ersten Mal davon, dass man einer psychischen Erkrankung einen Vornamen geben soll oder sogar Briefe an die Krankheit schreibt.
Allerdings ist man als Betroffener sicherlich froh, wenn irgendwas hilft und probiert da vielleicht auch verschiedene Methoden aus, die einem dabei helfen könnten. Ich glaube, dass ich mir schon komisch vorkommen würde, einer Krankheit einen Namen zu geben, aber versuchen kann man es ja mal.
Das ist ja die ähnliche Problematik wie sie auch schon in Tumor einen Namen geben um gegen ihn zu kämpfen behandelt wurde. Das Problem ist ja sicherlich, dass wenn ich meine Erkrankung als solche nicht anerkenne, dann kann ich dieser doch Namen geben wie ich will, aber es wird nicht funktionieren. Meinem Wissen nach, war ich noch nicht so wirklich psychisch krank, aber ob ich auch so verfahren würde, das lässt sich schwer sagen. Wirklich funktionieren wird so ein "Tipp" wohl auch eher selten.
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