Wahrheit über Referentinnen äußern?
Es muss wohl so gewesen sein, dass die Kollegin, von der ich erzählt habe, die nicht gerade die besten Referentinnen im Kurs erwischt hat, noch Gleichgesinnte hatte und mehrere Kursteilnehmer dies dann als Rückmeldung gegeben hatten, bei einem Formular, welches sie ausfüllen sollten.
Daraufhin schickte die Kursteilnehmerinnen an alle ein E-Mail, an was das denn gelegen hatte und dass sie gerne Rückmeldungen dazu hätte, damit man sich entschließen kann, die Referentinnen entweder nochmals zu engagieren und ihnen mitzuteilen, was sie besser machen können, oder eben einfach aus der nächsten Fortbildung auszuschließen.
Wenn meine Kollegin nun alles geschrieben hätte, was sie sich über die Referentin denkt, ohne etwas zu beschönigen, wäre diese ihren Job wahrscheinlich gleich los geworden, denn andere haben es scheinbar genau so empfunden.
Nun ist es einfach für meine Kollegin schwierig. Was gehört in die Kritik und was nicht. Sie hat einfach Angst, das Persönliche mit dem Sachlichen zu verwechseln und dann zu sehr zu kritisieren, ohne sachlich zu bleiben, da bei dem Thema auch sehr viele Emotionen mit gespielt haben.
Darf man die nackte Wahrheit über Referentinnen äußern oder muss man immer alles beschönigen und zurückhaltend sein? Wie würdet ihr hier reagieren? Immerhin sind sie ja auch nur Menschen. Wenn sie aber ihre Arbeit nicht gut machen, dann haben sie auf so einer Fortbildung, für die sie ja Geld bekommen, auch nichts verloren, oder?
Kann man denn nicht sachlich Kritik äußern? Ich weiß ja nicht, was da alles falsch gemacht worden ist und ob es überhaupt eine "neutrale" Formulierung dafür gibt, was alles blöd gewesen ist bei der ganzen Aktion. Ich finde nicht, dass man die Wahrheit allgemein verschweigen sollte. Denn ohne die Wahrheit und konstruktiver Kritik kann sich doch niemand verbessern und weiter entwickeln. Das kann doch auch nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Aber zu knallharte Kritik ist auch so eine Sache. Ich würde versuchen einen Mittelweg zu finden oder geht das nicht?
Die Meinung, dass jemand bei einer Stelle nichts verloren hat, wenn er nicht wirklich gut arbeitet oder die Arbeit nicht gut macht, teile ich nicht. Denn der Umkehrschluss wäre ja, dass nur diejenigen ihre Stelle behalten sollten, die alles perfekt machen und wer macht schon alles perfekt? Wer kann wirklich und wahrheitsgemäß von sich sagen, dass er alles im Job wirklich sehr gut macht und nicht auch mal andere enttäuscht hat oder eventuelle Erwartungen nicht erfüllt hat? Ist es nicht vielleicht sogar in einem gewissen Ausmaß normal, dass auch mal etwas nicht gelingt? Und will man das gleich immer aufs Brot geschmiert bekommen?
Die Frau hat das Seminar nicht gut gemacht. Ok, das ist schade, aber es ist nun erst einmal so. Vor gar nicht so vielen Jahren wurde nicht alles und jeder bewertet. Da wurde nicht für jeden nach jeder Handlung gleich ein Bewertungsfragebogen ausgegeben und online wurde schon gar nicht bewertet. Sicher hatte jeder schonmal einen Workshop, einen Kurs oder was auch immer, wo der Dozent keine Weltklasse war. An einige Lehrer, die man nicht so toll fand, erinnert man sich vermutlich auch noch.
Was passiert, wenn man diese Frau nun zu schlecht macht? Das scheint sogar schon passiert, denn die Teilnehmer haben ja hier eine Nachfrage der Workshopleitung bekommen. Aber was erreicht man damit? Dass die arme Frau diese Stelle oder dieses Projekt erst einmal los ist. Und wenn es ganz doof läuft, hat sie dann finanzielle Probleme. Muss man ihr das antun? Was hat man davon? Warum sollte man das machen? Weil man sauer auf die Referentin ist und ihr was Böses wünscht? Weil man andere vor der Referentin bewahren will? Aber vielleicht finden andere diese Frau gar nicht so schlimm und haben keinen so hohen Anspruch?
Will man wirklich der Referentin helfen und ihr eine Rückmeldung geben, dann wäre es doch besser, wenn man ihr eine ehrliche Mail schreibt und sie nicht in einem Fragebogen schlecht bewertet, den der Arbeitgeber bekommt und der gar nicht unbedingt das Ziel hat, der Referentin zu helfen, sondern eher zu entscheiden, ob sie die Stelle behalten darf.
Für mich handelt es sich um ein wertloses Totschlagargument, wenn es immer heißt, die anderen seien "auch nur Menschen". Natürlich sind sie das, aber von der Logik her könnte man genauso gut sagen, dass man selber es ja auch nicht besser könnte. Aber so funktioniert es in unserer Leistungsgesellschaft nun mal nicht. Beispielsweise ist ein Ballerina oder ein Bühnenkünstler an sich auch "nur ein Mensch", hat aber dennoch keine positiven Kritiken oder weiteren Engagements zu erwarten, wenn die Person das Bein nicht mehr lüpfen kann oder total besoffen auf der Bühne steht und seinen Text nur noch lallt.
Das sind natürlich Extrembeispiele, aber selbst wenn man nicht gerade sein Kokainbeutelchen auspackt, gibt es dennoch Kriterien, die man erfüllen muss, um seinen Job zu machen, egal, wie dieser Job aussieht. Mein Chef würde sich schließlich auch schön wundern, wenn ich mit dem Argument, auch nur ein Mensch zu sein, auf einmal damit anfangen würde, meine Schulungen nicht mehr vorzubereiten oder inhaltlich falsche Sachen zu erzählen.
Und ich bin durchaus der Meinung, dass es sachliche Kritik geben kann. Wenn einem der Kleidungsstil der Referentin oder ihre nervige Stimme nicht gefällt, ist das natürlich kein sachliches Feedback. Wenn man jedoch beispielsweise zu Recht angeben kann, dass von 90 Minuten Vortrag 60 mit Anekdoten aus der eigenen Kindheit, Aufwärmspielchen und dem vergeblichen Versuch, den verdammten Beamer anzuwerfen, verschwendet wurden, ist das in meinen Augen schon sachliche Kritik. Schließlich zahlt man nicht dafür, jemand anderem dabei zuzuschauen, wie er oder sie mit der Technik ringt. Auch inhaltliche Fehler oder veraltete Informationen kann man identifizieren und als Kritik anbringen.
Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, wieso man immer so davor zurückschrecken muss, Kritik anzubringen, wenn man für sein Geld eine fehlerhafte oder qualitativ mangelhafte Leistung bekommen hat. Wenn man sich ein Auto kauft, welches nach drei Tagen verreckt, sagt ja auch keiner: "Oh, da hatten die Mechaniker wohl einen schlechten Tag. Nun ja, sind ja auch nur Menschen, und man kann nicht immer perfekt sein."
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