Vorurteile auch über euren Beruf?

vom 26.06.2017, 06:57 Uhr

Ich glaube, dass es über jeden Beruf irgendwelche Vorurteile gibt. Man denke nur an den Beruf des Lehrers. Ich höre oft, dass Lehrer ja so viel Urlaub und Freizeit hätten, weil die Ferien eben so lange sind. Aber die ganze Vor- und Nachbereitung vom Unterricht sowie Korrektur von Klausuren und Tests sieht dann natürlich keiner. Entsprechend ist das Geschrei groß, wenn dann schon wieder Unterricht durch eine Lehrerfortbildung oder was auch immer ausfällt und man meint, dass die Lehrer ja so gar nichts tun (als Beamte!) und die Kinder mehr oder weniger "verblöden".

Ich unterhielt mich neulich mit einer Bekannten über dieses Thema, sie arbeitet im örtlichen Jugendamt. Sie meint, über ihren Beruf gäbe es auch genügend Vorurteile. So wäre vor einiger Zeit einer ihrer Schützlinge in den Schlagzeilen gewesen, weil dieser wohl Waffen mit zur Schule genommen hat und die Polizei gerufen worden ist. Die Polizei wurde hinterher von zig Medien zitiert, dass das Jugendamt ja gar nichts machen würde, sonst wäre das ja nicht passiert. Da hat sich meine Bekannte dann auch drüber aufgeregt, weil keiner eben sieht, welche Arbeit im Hintergrund geleistet wird. Gibt es auch Vorurteile zu eurem Beruf mit denen ihr zu kämpfen habt? Wie geht ihr damit um?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Was genau ich beruflich mache sage ich eigentlich eher ungern. Es sind ja ohnehin mehrere Stellen, aber sie basieren alle auf einem Studium und es sind auch eher höhere Positionen, auch wenn ich im eigentlichen Sinne keine Mitarbeiterverantwortung habe, sondern eher Stabsstellen ausübe - also höhere Positionen, bei denen ich zwar anderen Anweisungen geben kann, aber keine Mitarbeiterverantwortung im eigentlichen Sinne habe, sondern eher mir zugeordnete Assistenten, die ich mir mit anderen teile.

Ich habe das Gefühl, dass das andere abschreckt. Als ich mich auf der Suche nach Bekanntschaften mit relativ vielen Leuten getroffen habe, die meistens aber eher niedrige Berufe hatten, dann habe ich oftmals nicht direkt gesagt, was ich konkret mache, sondern das eher umschrieben, etwa indem ich einen Teilbereich der Tätigkeit benannt habe, ohne die Berufsbezeichnung oder meine Ausbildung anzusprechen. Zudem habe ich auch so gut wie niemandem gesagt, dass ich promovieren und das haben nur ganz wenige der Kandidaten nach längerer Zeit erfahren.

Ich will mit „niedrigen Berufen“ nicht sagen, dass ich auf andere Menschen herabsehen würde. Aber ich kenne es auch so von mir, dass ich mich manchmal von Menschen mit einer sehr beeindruckenden Biografie einschüchtern lasse. Also wenn ich beispielsweise jemanden getroffen hätte, der Professor ist, dann hätte dieser Beruf für mich erst einmal andere Eigenschaften überstrahlt und ich hätte immer gedacht, das ist jetzt ein Professor, ich muss mich auch intellektuell geben usw. Am Ende ist es gar nicht so, aber man ist eben erst mal ein wenig voreingenommen - im positiven Sinne.

Viele Leute, die ich damals über meine Ich-Suche-Freunde-Onlineanzeige kennengelernt habe, hatten nämlich „nur“ Hauptschulabschluss und da hielt ich es für besser, dass ich erst einmal nicht sage, was genau ich mache. Wenn die mir von ihren Tätigkeiten erzählt haben und auf „die Sesselfurzer da oben“ geschimpft haben, dann wäre es mir unangenehm, unmittelbar danach zuzugeben, dass ich eigentlich einer von den Sesselfurzern da oben bin. Nach einer Weile habe ich es dann manchmal gesagt und die Reaktion war meistens Erstaunen und ein wenig Einschüchterung schon, die dann aber wegging.

Ich glaube, dass man mit das Berufliche nicht anmerkt, weil ich ansonsten eher albern und spielerisch bin und vieles nicht so ernst nehme, sodass man mir erst einmal keinen ernsthaften Beruf andichtet. Manchmal kamen dann, wenn es heraus war, aber schon gewisse Spitzen, so wie „ich muss doch machen was die Chefin sagt“ usw.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Mod am 26.06.2017, 13:45, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Das, was ich konkret mache - im Bereich der Produktentwicklung - ist für viele Leute glaube ich viel zu abstrakt um darüber Vorurteile zu haben. Ich merke das immer mal wieder, wenn mich eine neue Person fragt, was ich beruflich mache und wenn die sich dann mit der allgemeinen Bezeichnung nicht zufrieden gibt. Da muss ich immer einiges erklären bis die Leute in etwa ahnen können, was ich den ganzen Tag so treibe.

Ich habe aber mal für einen Autokonzern gearbeitet und damals wurde ich regelmäßig mit der Aussage konfrontiert, dass das für eine Frau ja eher ungewöhnlich sei. Nachdem man sich mit meinem Geschlecht abgefunden hatte kamen dann die Annahmen, dass ich bestimmt Autofan sei, die Marke ganz toll finde, den Job wegen des Jahreswagens angenommen habe und so weiter. Stimmte übrigens alles nicht, ich fuhr damals nicht mal die Hausmarke. :lol:

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Die gibt es immer, weil die Leute lieber reden und nur das vom Hörensagen weiter geben anstatt sich selbst zu informieren. Das war im Rettungsdienst bei mir auch nicht anders, da geht man davon aus, dass jeder ein Helfersyndrom hat der den Job macht und ehrenamtlich arbeitet. Was meinst du wie viele erschüttert waren, als sie davon mitbekommen haben, dass mal Geld dafür bekommt und kein Helfersyndrom hat?

Bundeswehr ist doch nun das gleiche. Wie oft wird dir unterstellt, dass du ein Mörder bist, der Spaß daran hat andere über den Haufen zu schießen. Leute die nicht selbst nachdenken wollen, nur Befehle entgegen nehmen und diese Willenlos ausführen und nicht hinterfragen. Da gehört einiges mehr dazu anstatt nur Befehl und Gehorsam, jeder Befehl muss von jedem Soldaten auf Rechtmäßigkeit geprüft werden nach Gesetzen, Konventionen, ob er Rechtmäßig ist, nicht zulässig und solch einen Spaß.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Als Rechtsanwaltsfachangestellte durfte ich mir auch schon anhören, dass ich ja nur eine Kaffee kochende Tippse bin, die ab und zu telefonieren darf. Die umfangreiche Ausbildung über Verfahrensabläufe, Abrechnungen, Zwangsvollstreckung & Co. sieht natürlich keiner. Ein flüchtiger Bekannter hat mich mal ernsthaft gefragt, ob ich lieber mit meinem in der Hierarchie höheren Chef oder mit dem besser aussehenden schlafen würde, wenn ich die Wahl hätte. Da fällt einem doch echt nichts mehr zu ein. :wall:

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» ninjafan » Beiträge: 1455 » Talkpoints: -0,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Bei mir heißt es immer: "Soso, den ganzen Tag lesen...", "Muss man das studiert haben?", "Ist da nicht sowieso schon alles im Internet?" (Nein.) und mein persönliche Favorit: "Was ist das denn?". Es stimmt zwar, dass mein Berufsbild, auch wenn es kaum einem Außenstehenden auffällt, stark im Wandel begriffen ist und die üblichen Klischees von Karteikarten schreiben und Abstauben schon lange nicht mehr zutreffen, aber woher soll das auch jemand wissen, der im Taxi oder beim Bäcker Small Talk mit mir macht? In jedem Fall handelt es sich weder um einen "coolen" noch speziell angesehenen Beruf, der in den Augen der Welt in erster Linie von merkwürdigen alten Jungfern mit Dutt und Strickjacke betrieben wird.

Aber ich kann ehrlich sagen, dass mir derlei Vorurteile nicht wirklich etwas ausmachen. Selber habe ich schließlich auch Vorurteile und stelle mir bestimmt so manchen Job erheblich toller vor, als er in Wirklichkeit ist bzw. kann mir überhaupt nichts darunter vorstellen. Und manche Leute können ihre unqualifizierte Meinung eben nicht für sich behalten. Das juckt mich wenig.

Ich habe auch nicht das Bedürfnis, meinen Lebensunterhalt irgendwie schön zu reden oder gleich zu lügen. Wenn sich jemand nichts darunter vorstellen kann, ist das schließlich nicht mein Problem. Und wenn jemand glaubt, ich verdiene mir mein mittleres Angestelltengehalt mit Stricken und Lesen, soll es mir auch recht sein. Ich bin nicht der Meinung, dass nur die Jobs toll sind, die einen innerhalb weniger Jahre aufarbeiten und in den Burnout treiben.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ja, über viele Berufe gibt es Vorurteile. Politiker lügen, Psychologen haben selbst einen psychischen Defekt, Landwirte riechen nach Kuhmist, Lehrer sind Beamte mit einem gut bezahlten Halbtagsjob, Versicherungsvertreter und Immobilienmakler sind Gauner, Frauenärzte sind pervers. Und Controller sind staubtrockene Erbenszähler. Pauschalurteile sind immer oberflächlich und treffen selten zu.

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» Ostfriesen-Junge » Beiträge: 17 » Talkpoints: 2,78 »



Mein Mann und ich haben eine Imkerei und da glaubt keiner, dass man davon leben kann. Die meisten Imker, die man so kennt, sind eben nur Hobbyimker, die maximal 10 Völker haben. Bei uns kann man noch eine Null dranhängen und dann kann man davon auch leben.

Es gibt auch Imker mit 400 Völkern, die dann schon Angestellte haben. Also sogar Arbeitsplätze geschaffen haben und eben wirklich ohne Probleme seit Jahrzehnten davon leben. Wir sind ja noch im Aufbau.

Aber zum einen ist es eben für viele nur ein Hobby. Und zum anderen weiß niemand genau, wie viel man da insgesamt verdient. Also wie viel Honig ein Bienenvolk abgibt, was man außer Honig sonst noch verkaufen kann, wie groß die Investitionen sind etc. Die meisten haben da wirklich gar keine Vorstellung. Es ist halt kein "normaler" Beruf, von dem man ungefähre Gehaltsvorstellungen im Internet finden kann.

Der Umgang damit ist etwas schwierig. Viele belächeln das dann eben und sehen schon voraus, dass wir bald scheitern werden. Das ist etwas deprimierend, wenn man genau das Gegenteil plant. Aber Menschen, die mir wichtig sind, nehmen sich die Zeit, sich meine Erklärungen anzuhören und die anderen Menschen sind mir ja egal.

Manche unterbreiten mir dann sogar umgehend Vorschläge, wie man die Rentabilität steigern könnte. Das finde ich eigentlich ganz niedlich, wenn man als Außenstehender mit guten Ratschlägen daherkommt, aber eigentlich gar keinen Einblick hat. Außerdem kann man als Imker Honig und allerlei Cremes und Zeug mit Honig zukaufen, auf zig Märkte fahren, im Internet verkaufen und ein blühendes Geschäft draus machen. Aber wir wollen Imker bleiben und nicht zu Verkäufern mutieren. Uns geht es dabei gar nicht so sehr ums Geld.

Aber so sind eben schon einige seltsame Gespräche entstanden, in denen ich und mein Gegenüber uns nicht verstanden haben und letztlich mit einem Naserümpfen auseinander gegangen sind. Aber ich hab ja genauso Vorurteile oder Halbwissen über deren Berufe oder könnte mir überhaupt nicht vorstellen, ihren Beruf auszuüben.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich habe bei meinem Beruf das Gefühl, dass immer alle denken, nur weil es eine soziale Schiene hat, dass jeder auch privat der sozialste Mensch sein muss. Dann sind immer alle total erschrocken, wenn ich eben nicht jedem im aktuellen Fall das Bleiberecht wie bei den Grünen zuspreche, wenn ich von Abschiebungen & Co rede. Um jetzt mal bewusst aktuelle Themen zu nehmen.

Dann sind immer alle erschrocken und tun so, als müsse ich mein Leben lang der soziale SPD-Wähler mit allem drum und dran sein. Ich bin natürlich in einem sozialen Beruf, wie würde man Streetworker auch sonst bezeichnen. Mein Milieu ist aber auch nicht gerade der sozialste Teil, was vielleicht die eine Angelegenheit ist und viele nicht begreifen können/wollen. Doch trotzdem habe ich Privat eben Meinungen, die beruflich vielleicht nicht vereinbar sind.

Doch so ist es mit jedem Anwalt und Polizist. Da sind auch viele anderer Meinung, als das sie dort eine Anzeige schreiben würden. Viele sind Rassisten, eindeutig und trotzdem haben sie tagtäglich mit der Klientel zu tun, behandeln sie freundlich und mehr. Die Vorurteile gegenüber solche Berufe sind wirklich enorm und das nervt mich auch an.

Ich gebe ja auch nur kleine Einblicke in meinem Job. Eben mit welchen Menschen ich zu tun habe, was dort vorkommt usw. Versuche es generell sehr allgemein zu halten. Ich bin nun einmal im Milieu. Allein das hat schon viele Vorurteile. Alles aus Zwang, mit Gewalt usw. Ich kann mich in diesem Bereich als vor Vorurteilen jeglicher Art meines Berufes gegenüber nicht retten sowie im Privatleben, weil die Erwartungshaltung offenbar eine andere ist.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


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