Angehörige nur mit entsprechender Ausbildung pflegen können?

vom 19.06.2017, 05:02 Uhr

Wir hatten neulich im Freundeskreis eine interessante Diskussion. Ich weiß selbst nicht mehr, wie wir darauf gekommen sind, aber das spielt im Endeffekt auch gar keine Rolle. Es ging darum, ob man seine Angehörigen - wenn beispielsweise ein Kind eine Behinderung bekommt oder ein älterer Mensch nach einem Schlaganfall oder Demenz pflegebedürftig ist - selbst pflegen sollte oder nicht.

Eine Freundin meinte, dass das doch verantwortungslos wäre, wenn man seine Angehörigen selbst pflegen würde, wenn man doch gar keine Ausbildung und keine Weiterbildung in diesem Bereich gemacht hätte. Man könnte so viel dabei falsch machen und seinen Angehörigen eher schaden als nutzen. Ein Kumpel ist jedoch anderer Meinung. Er meint, man könnte alles lernen und sich erkundigen, wenn man wollte, auch als Laie. Wie seht ihr das? Würdet ihr euch zutrauen ohne entsprechende Ausbildung einen Angehörigen zu pflegen? Übertreibt meine Freundin in dieser Hinsicht oder ist mein Kumpel zu sorglos?

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Wenn alles ausgebildete Fachkräfte wären die Zuhause selbst pflegen, dann würdest du dich umsehen. Es ist eher so, dass diese viele aus anderen Bereichen kommen und dennoch ein Fachwissen haben, dass sie so mancher Fachkraft die Show stehlen können. Einfach weil sie sich mehr einfinden, alles richtig machen möchte und somit auch selbstständig informieren und auf dem neusten Stand sind. Fachkräfte werden dazu zwar verdonnert mit ihren Pflichtfortbildungsstunden pro Jahr, aber das alleine reicht nicht damit man aktuell bleibt.

Noch darüber hinaus sind Fachkräfte wenn man sie von extern bestellt auch noch zeitlich eingeschränkt und gebunden. Sprich es werden Arbeiten nicht gemacht die notwendig wären oder es wird einfach geschlampert, da nur 10 Minuten Zeit sind einen kompletten Menschen zu waschen und anzuziehen. Der das selbst macht in seinen eigenen vier Wänden, der nimmt sich die Zeit dafür, eine Fachkraft von extern kann das nicht, da noch andere warten und die Arbeit fertig werden muss. Diese Zeiten werden immer knapper bemessen und somit kein wunder, dass es dort auch stark am nachlassen ist.

Und mal ehrlich, kaum einer schafft es alleine eine 24 Stunden Pflege zu sein für seinen Angehörigen. Bezahlt bekommst du dafür nichts, das Pflegegeld ist ein Witz und reicht meistens nicht einmal für die Besorgungen aus die der Patient braucht. Du steckst Zeit und Nerven rein und kannst irgendwann auch nicht mehr, entsprechend haben nicht wenige dazu noch Fachkräfte für manche Sachen mit dabei die auch Anleiten und man sieht dort auch einiges wie man es macht. Dazu kann man Schulungen in Anspruch nehmen und ein Hexenwerk ist die Pflege nun wirklich nicht, da du vieles von dir selbst 1:1 übertragen kannst.

Du wäschst dich als nicht Fachkraft auch Zuhause? Du weißt, dass man es nass macht, dann mit Seife, Shampoo und Duschgel heran gehst und hinterher wieder auswäschst. Du weißt wie eine Hose anzuziehen ist, ein Pulli und Socken. Damit ist doch schon einiges gewonnen oder meinst du, Eltern die Kinder bekommen besuchen für solche Dinge vorher Kurse damit sie das bei ihren Kindern schaffen? Es ergibt sich aus dem Alltag heraus wie man es macht und durch das ausprobieren wie es am besten klappt. Alles andere mit Kathetern und Co, lässt man sich zeigen und dann klappt das ebenfalls.

Pflege ist Anstrengend und somit ist das für mich eher eine Ausrede warum man das nicht machen kann oder muss wenn man schon sagt, dass das lieber die Fachkraft übernehmen sollte. So etwas ist eine Sache vom Interesse und was man sich selbst zutraut und kann. Geht man offen daran, dann kann das jeder aber nicht jeder hat es damit, dass er jemanden den Hintern wischt, eine Windel anzieht und auch mal Exkremente sieht. Ich habe schon gepflegt und wenn man will, dann geht das auch und wenn man nicht will, dann klappt halt nie etwas, sei es Pflege oder auch andere Bereiche.

Benutzeravatar

» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Wenn man wirklich immer eine Ausbildung brauchen würde, würde glaube ich kaum noch jemand pflegen. Oft ergibt es sich einfach, die Angehörigen wollen alt, wollen nicht ins Heim gehen und was will man denn machen? Fachkräfte kommen zwar vorbei, aber letztendlich kann man damit nichts anfangen, weil da zu wenig gemacht wird und es teilweise einfach nur zu schnell und nicht richtig gemacht wird.

Man kann sich ja auch alles aneignen, wobei man vom Pflegegeld auch wirklich schlecht auskommt und das nicht mal die Kosten deckt, die dadurch entstehen. Entsprechendes Fachwissen ist ja ganz gut und nett, aber das kann man sich auch anlesen und Kurse belegen. Man bekommt es nach und nach aber ganz gut heraus und das Fachwissen erarbeitet man sich ja gerne.

Ich denke, dass es für die betreffende Person aber schöner ist, wenn es ein Angehöriger macht, den die Person kennt und der sich liebevoll um einen kümmert. Immerhin ist es schon vom Verhältnis her ganz anders und besser.

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^