Allen Doku-Shows Falschheit und Schauspielerei unterstellen?
Gerade bei Privatsendern wird oft kritisiert, dass hier vieles gespielt ist. Auch im Beitrag über eine neue Kuppelshow kam das zur Sprache, dass die da doch nicht wirklich heiraten würden und das alles nur gespielt sei usw. Ich finde solche Aussagen zu kurz gegriffen und auch irgendwie feindselig dem Fernsehprogramm gegenüber. Es ist sicherlich nicht alles wahr, was wir sehen, aber alles gespielt wird es auch nicht sein.
Nehmen wir etwa Sendungen wie Frauentausch oder diese Restaurantretter oder Restauranttester bzw. Bauer sucht Frau und Schwiegertochter gesucht. Hier können sich Menschen ja wirklich bewerben und ich habe in der Sendung auch schon eine Gaststätte und eine Person mitmachen sehen, die ich wirklich kannte – zwar nur vom Sehen her, aber ich kannte die Person aus meinem Umfeld. Es handelt sich also nicht um Schauspieler, die da mitwirken, sondern um Leute, die sich da gemeldet und beworben haben. Und das sind auch keine Profis, die treten ja im Fernsehen auch manchmal so auf, dass es für sie unvorteilhaft wirkt, das würde ein Schauspieler doch nicht machen.
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass einzelne Szene eine gewisse Dramaturgie haben. Also dass man etwa bei Bauer sucht Frau mal jemanden auffordert, doch mal den Arm um die Frau zu legen, sich doch mal zu küssen oder mal dies oder jenes zu machen oder dass man dann mal ein Bild haben will, wie der Bauer die Schweine ausmistet und dem sagt, das er das nun mal machen soll. Aber das ist ja dann auch keine Schauspielerei, denn das sind ja Dinge, die derjenige ohnehin machen würde, nur vielleicht nicht gerade jetzt, zu diesem Zeitpunkt.
Etwas anderes sind Sendungen wie „Mitten im Leben“ usw., was also in den Bereich Scripted Reality fällt. Das sind ja gewissermaßen Laienschauspieler und man sieht häufig auch immer wieder die gleichen auftauchen bzw. den Hinweis, dass es sich dabei um gestellte Szenen handelt. Das dient ja eher der Unterhaltung und ist keine Doku.
Aber warum denkt man denn automatisch, dass gleich alle Sendungen, also auch die Dokus, komplett gespielt oder gestellt wären? Warum schließen viele von der Scripted Reality auch auf alle anderen Formate?
Allein schon die Tatsache, dass Szenen geschnitten, nachträglich kommentiert und chronologisch neu aneinander gereiht sind, bedeutet ja schon eine Abweichung von der vermeintlichen Realität. In meinen Augen ist es natürlich auch Schauspielerei, wenn ein Objekt einer Doku-Show auf Kommando seine Frau küsst, seine Tochter in den Arm nimmt oder demonstrativ mit der Mistgabel auf der Schulter davon stapft. Das ist für mich absolut kein normaler Umgang von Menschen untereinander, der "nur" mit der Kamera dokumentiert wird. Nur weil beispielsweise ein professioneller Schauspieler privat auch unter die Dusche steigt, heißt das ja noch lange nicht, dass etwa eine Duschszene in einem Film nicht "gespielt" ist.
Dazu kommt noch, dass die meisten "Normalbürger" nicht gewohnt sind, dass ein Filmteam um sie herum zugange ist. Würde man mir im Alltag ständig eine Kamera unter die Nase halten, wäre das Ergebnis sicher interessant, hätte aber mit meinem Leben, wenn mich RTL2 nicht beobachtet, nicht viel zu tun.
Außerdem ist es doch sonnenklar, dass schon um des Unterhaltungswerts willen gerade die dramatischen Szenen gezeigt werden, selbst wenn man sie dazu erst künstlich hervorrufen muss. Es will ja niemand wirklich dabei zuschauen, wie sich ganz normale Menschen mit ganz normalen Sachen befassen.
Mich selber langweilen Doku-Shows ganz unendlich, egal ob mit oder ohne Skript. Deshalb ist es mir auch eigentlich egal, ob die heulende Küchenhilfe, der gerade das Schnitzel angebrannt ist, oder die geistig minderbemittelte Schweinezüchterin aus dem Westerwald sich immer so benehmen oder nur, wenn das Fernsehen da ist.
Das kommt wahrscheinlich daher, dass nicht immer klar ist, was nun scripted ist und was nicht. Bei den Gerichtsshows war es ja so, dass man am Anfang wohl richtige Fälle hatte und irgendwann auf Laiendarsteller und frei erfundene Fälle umgestiegen ist.
Da ich so etwas nie angeschaut habe weiß ich nicht, wie und ob das den Zuschauern erklärt wurde, aber wenn es nicht deutlich genug erklärt wurde ist klar, dass sich die Zuschauer irgendwie verschaukelt gefühlt haben, als sie das heraus gefunden haben. Und natürlich werden sie dann in Zukunft bei allem, was nach Realität aussieht, skeptisch sein.
Und was mich selber betrifft - ich kenne Leute, die in dem Bereich arbeiten und nicht nur Skripte für "Reality" schreiben sondern sogar Nachrichten inszenieren und produzieren. Ich wurde mal dafür bezahlt um bei einer Casting Band für ein Autogramm anzustehen und ein bisschen zu kreischen.
Das wurde von dem Sender, der die Band in seiner Sendung gecastet hatte, als ganz normaler Nachrichtenbeitrag gesendet, da stand nicht "wir haben hundert Studenten engagiert um den Eindruck zu erwecken, dass unsere Band voll beliebt ist". Deshalb bin ich eh skeptischer bei allen Sendungen und Beiträgen, die von den privaten Sendern kommen und die man nicht unbedingt auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen kann oder auch nicht will, weil es nur hirnlose Unterhaltung ist und nichts weltbewegendes.
Ich denke, dass ein gewisses Maß an Skepsis da durchaus angebracht ist, wenn man solche Sendungen schaut. Immerhin weiß man, dass im Fernsehen vieles inszeniert oder gestellt wird. Gerade bei Frauentausch denke ich oft, dass es regelrechte Drehbücher gibt, an die sich die Laiendarsteller halten sollen.
Es ist sicherlich nicht alles gelogen, was in solchen Doku- Sendungen gezeigt wird, aber ich würde auch nicht alles glauben. Oftmals sind die Geschichten so skurril, dass man sich schon denken kann, dass so etwas im wahren Leben eher nicht geben würde.
Mag sein, dass die Menschen tatsächlich existieren, das muss aber noch lange nichts heißen. Ich habe schon bei Formaten wie "Bauer sucht Frau" gehört, dass das gar keine echten Bauern sein sollen, sondern nur irgendwelche Darsteller, die auf irgendeinem Bauernhof ausgesetzt worden sind, weil zu wenig Bauern sich freiwillig gemeldet haben. Ob das stimmt weiß ich nicht, für mich sind derartige Sendungen geistiger Durchfall und damit eine Zumutung. Ich schaue mir so etwas nicht freiwillig an.
Ich denke da auch an die Affäre Böhmermann, der hatte doch auch so einiges aufgedeckt, dass da alles mögliche verdreht und manipuliert wird. Also ich wäre da schon vorsichtig, wenn ich ehrlich bin. Mag sein, dass nicht alles falsch ist, was da gesendet wird, aber deswegen ist nicht automatisch alles wahr.
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