Integration erst durch angepasste Ernährung existent?
Neulich in der Bahn habe ich eine ziemlich befremdliche Aussage mitbekommen. Dort meinte ein junger Mann, dass viele Ausländer im Land doch gar nicht integriert wären. Denn man wäre erst dann "richtig" integriert, wenn man auch seine Ernährung entsprechend anpassen würde. Sprich: Muslime (und auch Juden) wären erst dann richtig integriert, wenn sie auch mal ein Schweinesteak und ein Bier konsumieren würden, gerade wenn die Nachbarn zu eben diesem einladen würden.
Ich finde das offen gesagt ziemlich dämlich. Das eine hat doch mit dem anderen gar nichts zu tun. Nach der Logik wären nicht mal Veganer wirklich integriert oder Vegetarier, weil auf Schweinefleisch verzichtet wird. Nach der Logik wäre nicht mal jeder Deutsche wirklich integriert, der kein Schweinefleisch essen möchte und auch kein Bier trinkt. Könnt ihr eine derartige Argumentation nachvollziehen? Wie kommt man auf solche Ideen?
Ich frage mich, was Integration mit Ernährung zu tun hat? Ich habe jahrelang kein Schweinefleisch gegessen, weil ich es einfach nicht mag. Dummerweise bin ich zusätzlich noch Ausländer und nach der Meinung dieser Person auch nicht integriert. Manchmal schießen den Menschen halt auch mal unausgegorene Ideen durch die Hirnwindungen, nur damit sie einem Vorurteil hinterherrennen können.
Deutschland ist eine Grillnation. Sprich Schweinenackensteaks, also Schwenker, Würstchen und Ähnliches gehören hier im Sommer hauptsächlich auf den Grill. Wer hier zum Beispiel keinen Schwenker mag, wird teilweise richtig doof angeschaut, ich kenne sogar Grillmeister, die sich vehement wehren, etwas Fleischloses zu grillen. Vielleicht hat der Gedankengang damit zu tun. Oder die Person denkt wirklich, dass Schweineschnitzel, Wurst und so weiter ein deutsches Integrationsgericht ist.
Auf solche Ideen kommt man, wenn man, höflich formuliert, ein klein bisschen beschränkt ist und in seiner eigenen kleinen Welt lebt, in der jeder den gleichen Dialekt spricht, Alkohol und bestimmte Lebensmittel einfach zum Alltag gehören und man einfach noch nicht die Erfahrung gemacht hat, dass es auch andere Leute gibt. Selbst an sich intelligente Leute können in diese Falle tappen, wenn sie immer in einer homogenen und geschlossenen Gruppe leben, egal ob privat, am Arbeitsplatz oder im Verein.
Dass Leute wegen an sich völlig oberflächlichen Dingen ausgegrenzt werden, ist zudem schließlich nichts Neues, und es ist ja auch nichts anderes als Ausgrenzung, wenn man von Anderen Anpassung einfordert, damit sie mitspielen dürfen. Aber da kannst du jeden Vegetarier fragen, der erzählt dir das Gleiche. Manche Leute können sich einfach nicht vorstellen, dass man anders leben kann, als sie es tun, und wollen das oft gar nicht, weil sie sonst etliche Entscheidungen überdenken müssten, die sie blindlings getroffen haben, weil es alle anderen eben auch so machen.
Derlei Erschütterungen des Weltbilds sind unangenehm, und deswegen möchte man nicht damit konfrontiert werden. Ich bin mir auch sicher, wenn jemand als nicht praktizierender Muslim herzhaft in die Schweinsbratwurst beißt, ist es auch wieder nicht recht, weil er nicht mehr in das Klischee des Muselmanen passt, und dann ist das Weltbild schon wieder erschüttert.
Genau, richtig integriert ist man erst, wenn man als Fremder alles so macht wie die Einheimischen. Das gilt dann aber nur für Kaff A, denn in Kaff B macht man so manches schon anders. Ich bin ja ganz dringend dafür, dass sich endlich alle Deutschen mal so richtig integrieren: Am Rosenmontag gibt es eine Gans, der Reiter vorher den Kopf abgerissen haben! (Gut, die Gans ist aus Gründen des Tierschutzes vorher tot und ab nächstem Jahr auch eine Attrappe.)
Aber ich deklariere das jetzt einfach mal als deutsche Kultur. Dass die Deutschen davon keine Ahnung haben, dass ist eine Frechheit! So! Und eine echte Gänsereiterwurst gehört auch auf einen echten deutschen Tisch. Dass irgendwelche Tierschützer und Veganer das Gänsereiten als Versammlung von Nazis und völkischem Mob beim Leichenfleddern bezeichnen, zeigt doch nur Untergang der Kultur des Abendlandes! Wobei, was haben die eigentlich gegen einen aus Spanien stammenden Brauch? Und wieso ist so ein Brauch für Nazis und einen völkischen Mob interessant?
Wir gehen bei der Integration mit leuchtendem Beispiel voran! Hier gab es erst gestern gutes Schweinefleisch aus deutschen Landen mit gutem deutschen Bier nach Reinheitsgebot geschmort. Damit das Ausland nicht zu kurz kommt, haben wir dazu türkischen Reis und libanesisches Fladenbrot serviert. Verdammt, jetzt ist mit irgendwie meine Identität verloren gegangen! Was war ich nun noch einmal ganz genau?
Was der Herr damit wahrscheinlich meint ist, dass diese Leute bestimmte Lebensmittel vermeiden, weil ihre Religion ihnen den Konsum verbietet. Für ihn hat Integration dann eigentlich nichts mit veränderten Ernährungsgewohnheiten zu tun sondern mit dem nicht mehr befolgen von absurden religiösen Regeln.
Das macht die Aussage jetzt aber auch nicht wirklich intelligenter. Es gibt schließlich immer noch genug Deutsche, die auch absurden religiösen Regeln folgen, oder die Ernährung zu einer Ersatzreligion mit eigenen Dogmen machen.
Ich bin Deutsche und ich ernähre mich nicht von Schweinefleisch, Bier, Weißwürsten, Marzipan und Stollen. Dementsprechend bin ich laut Aussage von diesem Jungen nicht in meinem eigenen Heimatland integriert, das ist natürlich auch interessant.
Viele Deutsche essen gerne Pizza oder auch Nudeln mit Tomatensoße. Mutieren sie langsam zum Südeuropäer? Wenden sich die Deutschen etwa von der eigenen und wertvollen Kultur ab? Wie schrecklich, die Welt geht unter. Integration hat für mich nun wirklich nichts mit Ernährung zu tun.
Es ist auf jeden Fall nicht so, dass nur Menschen integriert sind, die sich auch in der Ernährung angepasst haben. Immerhin gibt es auch religiöse Gründe warum man bestimmte Speisen nicht isst und da finde ich es auch nicht weiter schlimm, wenn man nicht alles isst, außerdem bestimmen doch auch die Wurzeln und die Speisen der Eltern, was man mag. Die Aussage ist also Schwachsinn.
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