Aus taktischen Gründen Religion wechseln?
Ich habe schon von einigen Leuten gehört, die dann aus taktischen Gründen eine Religion annehmen oder eben wechseln. So ist wohl der Onkel meines Freundes einer Religion beigetreten, damit seine Töchter dadurch besondere Vorteile haben was die Wahl der Schuleinrichtung anging. Denn dort konnte man nur aufgenommen werden, wenn man eine bestimmte Religionszugehörigkeit nachweisen konnte. Als die Töchter dann die Schule abgeschlossen hatten, ist der Onkel wieder ausgetreten und zum Atheismus "konvertiert".
Ich habe aber auch schon gehört, dass viele muslimische Flüchtlinge in Deutschland angeblich zum Christentum konvertieren sollen um zu verhindern, dass sie abgeschoben werden. Denn als Christ in ihren Herkunftsländern würde ihnen die Todesstrafe drohen.
Würdet ihr persönlich aus taktischen Gründen konvertieren und somit eure Religion wechseln? Oder käme für euch das gar nicht in Frage? Wie denkt ihr über Menschen, die so agieren?
Für viele Leute mag ein solches Verhalten sicherlich ein Ding der Unmöglichkeit darstellen, aber je nachdem, wie wichtig einem Religionen ( beziehungsweise die Zugehörigkeit zu einer solchen Gemeinschaft) sind, können sich da schon Unterschiede ergeben. Für die einen ist die Religion etwas Heiliges, andere sehen darin nur ein überholtes Geschäftsmodell alter Männer, das Geld kostet (Kirchensteuer) oder in manchen Fällen eben auch Vorteile bringen kann. Man sollte sich nicht anmaßen, eine der Haltungen zu verurteilen.
Ich bin jetzt seit mittlerweile 20 Jahren konfessionslos und damit auch sehr glücklich. Ich möchte keiner kirchlichen Organisation angehören und mich auch aufgrund etwaiger Vorteile nicht wieder einer Religionsgemeinschaft anschließen, beziehungsweise in die Kirche eintreten. Mit gravierenden Nachteilen ist ein solches Verhalten in Deutschland glücklicherweise nicht verbunden, da die Trennung von Kirche und Staat immerhin zu einem Mindestmaß besteht.
Es ergibt im Übrigen relativ wenig Sinn, wenn der Vater von Kindern zu einer entsprechenden Religion konvertiert, dessen Kinder aber nicht, um diese auf eine von dieser Religion betriebenen Schule zu schicken. Letztendlich kommt es nämlich einzig und alleine auf die Religionszugehörigkeit der Kinder an, ob sie in solchen Schulen angenommen werden oder nicht. Die Elternteile betreffend gibt es dabei keine Regelungen und solche würden auch gegen geltendes deutsches Gesetz verstoßen.
Wie gesagt: Es gibt für mich momentan keinen vorstellbaren Grund, aus purer Opportunität eine spezielle Religion anzunehmen oder diese abzulegen. Entweder ich identifiziere mich mit einer Religion und verbinde sind mit einem festen Glauben oder eben nicht. Alles andere wäre im wahrsten Sinne des Wortes scheinheilig und zeugt von eindeutiger Charakterschwäche.
Ich würde nie im Leben versuchen etwas vorzugaukeln nur damit ich irgendwelche Vorteile dadurch habe. Ich habe auch einen Mann in meinem nahen Umfeld, der sich für eine Frau hat taufen lassen, damit beide in der Kirche heiraten können. Nun schleppt sie ihn jeden Sonntag in die Kirche und er hört es sich an, obwohl er damit nichts anfangen kann, aber er liebt sie eben. Ich bin Atheist und stehe auch dazu. Ich respektiere jeden Glauben, aber ich würde nie aus taktischen Gründen eine Religion ausüben, mit der ich nichts anfangen kann.
Nun ja, bevor ich in irgendein angeblich ach so "sicheres" Herkunftsland abgeschoben werden würde, welches ich gerade unter Lebensgefahr, persönlichen Opfern und Zurücklassung all meiner Habseligkeiten verlassen habe, würde ich natürlich zum Christentum übertreten, oder Jedi-Ritter werden oder was auch immer. Ein Leben in Sicherheit und mit ein paar Grundrechten ist schon eine Messe wert. Deswegen würde ich wahrhaftig niemandem einen Strick daraus drehen, der seine Chancen auf ein Leben im Westen auf diese Art erhöhen möchte.
Ich selber bin auch nicht sonderlich religiös veranlagt, und wenn ich wirklich konsequent sein würde, bliebe mir nichts anderes, als aus der Kirche auszutreten. Aber leider zahlt die Kirche mein Gehalt und ermöglicht mir einen soliden Lebensunterhalt. Deswegen kann ich auch von mir sagen, dass ich aus taktischen Gründen die Religion nicht wechsele. Ich wäre schließlich wirklich bescheuert, aus irgendwelchen idealistischen "Das bin nicht ich"-Gründen mein gutes Auskommen aufs Spiel zu setzen.
Wenn man sich also die damit verbundene Bürokratie und Heuchelei antun muss oder möchte, einem bestimmten Verein beizutreten, weil die Mitglieder gewisse Vorteile genießen, kann man das in meinen Augen natürlich tun, und die organisierte Religion ist ja auch nichts anderes als ein Zusammenschluss ähnlich gepolter Leute. Gott oder ähnliches hat für mich damit rein gar nichts mehr zu tun. Es wäre ja auch unlogisch, wenn man einerseits aus taktischen Gründen einer Religionsgemeinschaft beitritt, aber dann doch irgendwo Angst vor der Hölle oder dem göttlichen Blitzschlag bekommen würde.
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