Abitur für das Studium absolut überflüssig?
Ich bin auf einem "normalen" Weg in die Universität zu meinem Studium gekommen, also ich habe ganz normal Zentralabitur an einem Gymnasium gemacht und ging dann studieren, als ich das Abitur in der Tasche hatte. Eine Ausbildung oder so etwas habe ich nie gemacht, sondern immer den direkten Weg eingeschlagen.
Dass man manche Fächer an der Uni studieren darf, wenn man entsprechende berufliche Vorkenntnisse hat und dann eine Zugangsprüfung besteht, die das Grundwissen abfragt, davon hatte ich auch schon gehört. Ansonsten hörte ich immer wieder davon, dass viele Menschen neben dem Beruf das Abitur nachholen würden, damit sie endlich studieren gehen könnten. Auf mich wirkte das immer so, als wäre das Fachabitur oder Zentralabitur obligatorisch, um überhaupt ein Studium aufnehmen zu können. Denn sonst würden nach meiner Logik nach nicht so viele Leute das Abi nachholen wollen.
Nun habe ich aber erfahren, dass man an meiner Alma Mater gar kein Abitur haben muss, um studieren zu dürfen. Man muss nur nachweisen, dass man eine Ausbildung von mindestens 2 Jahren absolviert hat und danach anschließend mindestens 3 Jahre gearbeitet haben muss. Die Branche selbst spielt dabei überhaupt keine Rolle.
Wie verbreitet ist diese Praxis? Ist das eher die Ausnahme oder bieten sehr viele Universitäten an, auch ohne Abitur oder Fachabitur studieren zu dürfen? Was haltet ihr von solchen Zulassungsbedingungen? Würdet ihr das auch nutzen wollen oder wäre es euch schon wichtig, das (Fach-)Abitur zu haben vor einem Studium?
Warum sollte das Abitur für das Studium absolut nicht notwendig sein? Einige Fächer kannst du nur mit Abitur studieren. Dazu gehört beispielsweise Medizin. Aber es gibt unzählige andere Möglichkeiten, ohne Abitur zu studieren, beziehungsweise das (Fach-)Abitur zu erlangen. Das war auch schon immer so. Die Regelungen sind aber in jedem Bundesland anders und nicht jede Uni oder FH bietet alles an.
Ein einfaches Beispiel von früher: Mit meiner mittleren Reife nach Abgang vom Gymnasium und meiner Berufsausbildung hätte ich nach drei Jahren Berufspraxis die Fachhochulreife gehabt. Hätte ich zusätzlich Mathematik und eine Fremdsprache belegt und gewisse Mindestnoten erreicht, wäre es die Allgemeine Hochschulreife geworden.
Ich habe meine Ausbildung verkürzt und hätte so nach fünf Jahren das Abitur erreichen können. Das war mir zu doof, ich habe während der Ausbildung die Prüfung für Nichtschüler abgelegt. So war ich genauso schnell fertig wie mit normaler Oberstufe und konnte bei der Bewerbung um den Studienplatz mit einer fachbezogenen Ausbildung punkten.
Heute gilt für NRW: Hochqualifizierte Berufsausbildungen wie Meister im Handwerk berechtigen zum Besuch der Universität. Andere Ausbildungen plus mindestens drei Jahre Berufsausbildung berechtigen zum fachbezogenen Studium, mit einer Eignungsprüfung sind auch nicht fachbezogene Studiengänge möglich. Aber neu ist das eben nicht, es ist jetzt nur anders geregelt.
Es zählt übrigens auch nicht nur Ausbildung und Berufserfahrung. Auch die Zeit der Kindererziehung kann man sich anrechnen lassen. Ich kann jetzt keine Zahlen nennen, aber wenn man ein paar Jahre als Mutter auf dem Buckel hat, zählt das genauso wie eine Ausbildung und Berufserfahrung und man kann damit gewisse Dinge an einer Fachhochschule studieren.
Eine Freundin hatte das Gymnasium in der 11. Klasse abgebrochen, hat keine Ausbildung gemacht, dann später zwei Kinder bekommen und als das zweite Kind in den Kindergarten kam, hat sie Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule studiert. Es war allerdings zu schwer für sie. Auch wenn man theoretisch darf, ist das halt keine Garantie, dass man wirklich das Zeug dazu hat.
In den Achtzigern hat mein Zahnarzt seine Praxis eröffnet und der Mann war genial. Bis zu seinem Tod haben ihm Patienten die Bude eingerannt und oft endete seine Sprechstunde erst um acht Uhr am Abend. Ich vermisse ihn nicht nur menschlich sondern auch als Arzt. Kein anderer Zahnarzt hat seitdem so haltbare Arbeit geleistet, ich habe heute noch dreißig Jahre alte Füllungen von ihm im Mund. Er war vorher Techniker bei einem Industriekonzern.
Bienenkönigin hat geschrieben:Es zählt übrigens auch nicht nur Ausbildung und Berufserfahrung. Auch die Zeit der Kindererziehung kann man sich anrechnen lassen. Ich kann jetzt keine Zahlen nennen, aber wenn man ein paar Jahre als Mutter auf dem Buckel hat, zählt das genauso wie eine Ausbildung und Berufserfahrung und man kann damit gewisse Dinge an einer Fachhochschule studieren.
Es sind 3 Jahre wenn du es genau wissen möchtest, sprich hast du ein Kind Zuhause 3 Jahre lang erzogen, dann kannst du dir diese Zeit auch auf das Studium anrechnen lassen. Es ist dann Fachspezifisch und alles kannst du damit nicht studieren, damit kann man aber ebenfalls die Voraussetzungen zum Zugang haben oder auch verkürzen. Wie mit einer Ausbildung auch.
Ich habe auch über den Weg studiert, dass ich eine Ausbildung gemacht habe und 5 Jahre Berufserfahrung vorweisen musste. Wenn du dir dann mal ansiehst, war das in meinem Fall 7 Jahre die ich gebraucht habe. Mit einem Abitur direkt nach der Schule hätte ich dafür nur 3 Jahre gebraucht und wäre schneller gewesen, was sich hinterher auch rechnen kann wenn man erst einmal fest arbeitet in diesem Beruf, vom Einkommen her und allem weiteren. Somit ist das schon der längere Weg als wenn man direkt ankommt und studiert nachdem man sein Abitur in der Tasche hat.
Ich habe etwas komplett anderes studiert als meine Ausbildung war. Sprich ich hatte keine Grundlagen kein gar nichts, die aber Vorausgesetzt waren. Somit musste ich doppelt so viel machen und ackern wie andere, die diese Grundlage schon durch ihre Ausbildung hatten. Basiswissen und Fachwissen mussten zusammen gelernt werden, es verlange sehr viel Zeit und Selbststudium und diese muss man auch erst einmal aufbringen, denn es war nebenbei noch gefordert mindestens 30 Stunden in der Woche zu arbeiten damit man an dieser Universität angenommen worden ist.
Ich persönlich finde Durchlässigkeit im Bildungssystem wichtiger als irgendeinen Wisch, den man hat oder nicht hat. Nicht jede Biographie verläuft perfekt nach Schema F, und ich bin der Meinung, dass auch Leute, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht mit spätestens 19 das Abitur in der Tasche haben, zumindest die Chance auf den Einstieg in den tertiären Bildungsbereich bekommen. Wenn man in seinem gewählten Studienfach schon Abi gemacht hat und so zumindest ein Grundwissen sowie erste Einblicke ins wissenschaftliche Arbeiten erhalten hat, erleichtert dies den Einstieg sicherlich, aber als zwingend notwendig würde ich es nicht bezeichnen.
Die genauen Regelungen hier sind mir jedoch auch nicht bekannt. Wahrscheinlich hängen sie wie so oft im Bildungsbereich vom Bundesland, der gewählten Branche und auch von der einzelnen Hochschule ab. Und letzten Endes natürlich von der Qualifikation, der Begabung, dem Ehrgeiz und Engagement des Einzelnen. Eine flüchtige Recherche hat ergeben, dass man zumindest in Bayern auch "fachlich verwandte" Berufserfahrung mitbringen muss, was ich durchaus als sinnvoll erachte. Aber selbst wenn jemand mit einer Bäckerlehre Archäologie studieren wollen würde (oder eine ähnlich weit hergeholte Kombination), wäre dies in meinen Augen durchaus legitim, wenn die Person die nötige Leistung im Studium bringen kann.
Das Problem ist in meinen Augen nur die Verschwendung von Zeit und Ressourcen, wenn jemand glaubt, die Elternzeit alleine würde nicht nur als Berechtigung für ein Studium der Wirtschaftsmathematik genügen, sondern auch gleich als ausreichende Qualifikation. Aber es verirren sich auch unter den offiziellen Abiturienten etliche Gestalten an die Hochschule, die dort eigentlich nichts verloren haben und entweder mit durchgeschleppt werden oder früher oder später auf der Strecke bleiben.
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