Fördert Homeschooling die Intoleranz?

vom 18.11.2014, 10:14 Uhr

Es mehren sich immer mehr die Berichte in den Medien wonach streng religiöse Menschen ihre Kinder von der Schule fernhalten mit der Begründung, dass der "weltliche" Einfluss ihren Kindern schaden würde. Erst vor kurzem sind religiöse Eltern bis vors Verfassungsgericht gezogen, um ihre Kinder von der Schulpflicht befreien zu lassen. Hier könnt ihr das nachlesen.

Die Eltern haben 9 Kinder und die ältesten sind bereits zu Hause unterrichtet worden. Der Anwalt der Familie argumentiert auch, dass eine Gefährdung des Kindeswohls niemals vorgelegen habe, da die Kinder die staatlichen Prüfungen mit guten bis sehr guten Noten bestanden haben sollen.

Die Verfassungsrichter sehen das aber etwas anders und argumentieren damit, dass durch den Heimunterricht der Austausch mit Andersdenkenden nicht stattfinden kann und somit Intoleranz gefördert werden würde.

Wie seht ihr das ganze? Findet ihr die Sorge der Richter berechtigt oder ist das ganze ein wenig übertrieben? Kennt ihr vielleicht Beispiele aus dem Ausland und könnt sagen, ob die Betroffenen intoleranter wurden oder nicht? Mir ist klar, dass wir in Deutschland eine gesetzliche Schulpflicht haben und es soll hier jetzt auch nicht darum gehen, dass Homeschooling nicht mit dem Gesetz hierzulande vereinbart werden kann. Mich interessiert einfach nur, ob durch Homeschooling wirklich die Intoleranz gefördert wird und wenn ja in welchem Maße.

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Innerhalb der Familie wird man sicherlich auch dazu gezwungen miteinander auszukommen, aber ich denke, dass der Schulalltag einfach auch Situationen schafft, die man im späteren Leben wiedererkennen und gebrauchen wird. Beispielsweise wird man zu Hause nicht gehänselt werden oder mal geschubst, man bekommt keine blöden Sachen an den Kopf geworfen, aber genau das kann einen starken Charakter formen und man lernt in der Schule eben auch, dass man miteinander agieren muss um Dinge zu schaffen, zu Hause lässt sich das schlecht vermitteln.

Meiner Meinung nach zieht man sich da ein weltfremdes Kind groß, was einem sehr lange am Rockzipfel hängen wird und was beim ersten Streit mit dem Chef vor der Tür steht, denn ohne geregelte Schulzeiten wird man kaum Kontakt zu den Kindern aus der Schule bekommen, sie sind ja auch eine Gruppe und da hinein zu finden ist sicherlich schwierig, was die Eltern dazu bewegen wird das Kind weiterhin zu isolieren und den leichten Weg zu gehen, wie ich finde der falsche Weg.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich denke schon, dass ohne Austausch mit andersdenkenden Menschen ein gewisses Maß an Intoleranz heranwächst. Das ist ja dasselbe Prinzip mit dem Heimunterricht in den USA. Dort gibt es keine Schulpflicht, wie wir sie kennen, sondern die Eltern dürfen ihre Kinder zuhause unterrichten. Auch dort werden viele Kinder von religiösen Eltern aus der Schule genommen, weil sie unter anderem die viel diskutierte Evolutionslehre stört.

Meiner Meinung nach sollte so etwas verboten sein, denn schließlich soll ein Kind auf dem Bildungsweg auch unterschiedliche Ansätze lernen und von unterschiedlichen Menschen. Auch die Social Skills werden beim Heimunterricht komplett vernachlässigt.

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» ninjafan » Beiträge: 1455 » Talkpoints: -0,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



In den USA gibt es auch den umgekehrten Fall. Keine religiösen Fanatiker, die nicht wollen, dass ihre Kinder lernen für sich selber zu denken, sondern Eltern, die mit Religion nichts anfangen können und merken, wie viel religiöser Schwachsinn in die öffentlichen Schulen Einzug gehalten hat. Das geht in machen Schulen so weit, dass gar kein richtiger Unterricht in den Naturwissenschaften mehr statt findet, weil die Religiösen sich mit der Ansicht durchgesetzt haben, dass wissenschaftliche Theorien etwas sind, an das man glauben kann oder auch nicht.

Für mich ist es schwer darin dann eine Förderung von Intoleranz zu sehen, weil das Ziel dieser Eltern ja eine gute Ausbildung der Kinder ist mit dem Ziel, dass sie nach der Schule studieren können und für alle Fächer die nötigen Voraussetzungen mitbringen. Wenn die Schule das nicht leisten kann und ich die Möglichkeiten hätte, würde ich ein Kind wohl auch lieber selber unterrichten. Das ist einfacher als die Fehler der Schule auszubügeln.

Was man auch wissen muss ist, dass viele der zu Hause unterrichteten Kinder sehr wohl Kontakt zu anderen Kindern haben, weil die Eltern darauf achten, dass sie in ihrer Freizeit raus kommen. Eigentlich auch logisch, dass die Kinder ihre Freizeit nicht auch noch zu Hause verbringen wollen, wenn sie schon den ganzen Tag dort gelernt haben. Selbst die Kinder von Religiösen treffen sich eigentlich regelmäßig zum Religionsunterricht am Sonntag.

Teilweise tun sich Eltern, die ihre Kinder zu Hause unterrichten, auch zusammen. Ich weiß zum Beispiel von einer Freundin, dass sie einmal im Monat eine Exkursion machen, also zum Beispiel in ein Museum gehen oder im Wald Pflanzen bestimmen, und da sind dann zehn Kinder dabei. Sport und irgendwelche kreativen Sachen machen die Kids auch zusammen und da kommen wohl teilweise auch andere Kinder aus der Nachbarschaft dazu, die ganz normal in die Schule gehen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Ich durfte einige alternativ beschulte Kinder, bzw. Kinder von Reisenden kennenlernen und finde nicht, dass jene Kinder intolerant sind. Eher im Gegenteil sind sie oft begeisterungsfähiger, neugieriger, offener und interessierter gewesen.

Bei streng religiöser Erziehung ist das vielleicht noch etwas anderes. Allerdings finde ich auch, dass Kinder sehr religiöser Eltern auch auf Regelschulen oft Außenseiter sind und wenig tolerant, da der elterliche Einfluss größer ist, als jener der Lehrer.

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» Trisa » Beiträge: 3297 » Talkpoints: 31,17 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Es mag Eltern geben, die vielleicht viel mit ihren Kindern reisen, eventuell auch aus beruflichen Gründen, und sich deshalb für Homeschooling entscheiden. Solche Menschen sind häufig offener und toleranter gegenüber neuen Dingen und vermitteln dies auch an ihre Kinder. Die Kinder, die mir zum Thema Homeschooling jedoch als erstes einfallen, sind meistens Kinder im mittleren Westen der USA, die in streng konservativen Kreisen groß werden, in denen nur eine Weltanschauung erlaubt ist. Woher sollen solche Kinder wissen, dass es auch andere Meinungen und teilweise auch andere Wahrheiten gibt?

Homeschooling fördert nicht automatisch die Intoleranz, macht es den Eltern jedoch leichter, ihre Kinder zu manipulieren. Nicht alle Eltern nutzen das aus, aber die Gefahr ist in bestimmten Gesellschaftskreisen doch schon recht hoch. Deswegen halte ich nicht viel davon, gerade weil die Sozialisierung mit anderen jungen Menschen und Lehrern als erste Vorgesetzte im Leben nicht stattfinden kann. Die daraus entstehenden Konflikte sind aber notwendig, um auf das spätere Leben vorbereitet zu sein.

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» ninjafan » Beiträge: 1455 » Talkpoints: -0,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ramones hat geschrieben:Innerhalb der Familie wird man sicherlich auch dazu gezwungen miteinander auszukommen, aber ich denke, dass der Schulalltag einfach auch Situationen schafft, die man im späteren Leben wiedererkennen und gebrauchen wird. Beispielsweise wird man zu Hause nicht gehänselt werden oder mal geschubst, man bekommt keine blöden Sachen an den Kopf geworfen, aber genau das kann einen starken Charakter formen und man lernt in der Schule eben auch, dass man miteinander agieren muss um Dinge zu schaffen, zu Hause lässt sich das schlecht vermitteln.

Warst du schon mal Mitglied einer Familie mit 9 Kindern? Sprich zum Haushalt gehören 11 Menschen mit an, natürlich kommt es auch unter Geschwistern zu hänselein, es wird geschubst, geheult, bekommt blöde Sachen an den Kopf geworfen und auch daraus kann man lernen. Kann sich ein Einzelkind vielleicht nicht vorstellen oder auch welche, deren Altersabstand zu den Geschwistern enorm ist aber es existiert und findet in jeder normalen Familie statt. Da ist nicht alles Sonnenschein wie du es dir in deiner Welt vielleicht vorstellst, bei mir war das mit meinen Geschwistern an der Tagesordnung und nicht anders, wie auch in der Schule.

Allerdings gab es den Unterschied, was Intern ist bleibt Intern und wenn es von draußen etwas gab, dann hat niemand etwas auf die Familie kommen lassen. So wurde geschlossen auf den Idioten eingeprügelt der meine kleine Schwester im Bus in die Toilette eingesperrt hatte und sie erst nach Stunden wieder raus konnte, gleichermaßen wie die drei Mobber meines Bruders hinterher Bekanntschaft mit seinen drei Schwestern gemacht haben. Egal was Zuhause war, draußen wurde Zusammengehalten aber was du meinst was nicht stattfindet, war die normale Tagesordnung innerhalb der Familie.

Man kann es schon damit fördern, wenn man den Kindern niemals etwas anderes zeigt und nur seines als das "richtige" suggeriert. Damit haben sie auch keinen Kontakt mit anderen die es anders sehen und sind wir mal ehrlich, es gibt Familien da zählt nur was einer von sich gibt und der Rest muss artig nicken und darf gar nichts anderes denken. Somit wirst du in solch einer Familie bereits von den eigenen Mitgliedern sabotiert und manipuliert und denkst dann in diese Richtung, da du gar keine Chance bekommst etwas anderes kennen zu lernen oder auch nur im Ansatz denken zu dürfen.

Somit muss man da immer den Einzelfall sehen wie es Zuhause ist, wie die Eltern eingestellt sind, das restliche Umfeld und wie der Ablauf vom Tag aussieht. Dürfen die Kinder niemals raus und keine weiteren Kontakte haben außer zur eigenen Familie, dann schürt das natürlich die Intoleranz anderen gegenüber. Auch wenn keine eigene Meinung gesagt werden darf und alles Bevormundet wird dann ja, trifft sicherlich nicht auf alle zu, aber durchaus auf einige und vielleicht sah man hier diesen Einzelfall und hat daher sein Urteil so ausgesprochen. Denn ganz ohne Grund kommt so etwas nicht und man schaut sich das lange an, schaut auch Gutachten an und was Mitarbeiter vom Jugendamt in den Gesprächen mit den Kindern erfahren haben und erst auf dieser Grundlage wird ein Urteil gefällt.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Mal abgesehen davon, dass bei neun Kinder auch bei Homeschooling ständig irgendwelche anderen Kinder da sind und die Hütte oft voller ist als eine durchschnittliche Schulklasse und die Kinder auch untereinander tolerant sein müssen, wer sagt denn, dass eine Schule Toleranz fördert?

Ich war auf einem Gymnasium, dass Kinder aus Scheidungsfamilien, von Nicht-Akademikern oder von Alleinerziehenden gnadenlos aussortiert hat. Wie viel Toleranz und Weltoffenheit lernt man denn in einer Schülerschaft, die biodeutsch und gehobene Mittelschicht und wo alles andere keinen Zugang bekommt oder wegselektiert wird?

Wie viel Toleranz fördert eine Privatschule, in der für Schüler der Chauffeur und mit 18 ein Porsche oder ein Ferrari normal ist? Wie tolerant werden Schüler einer türkischen Schule erzogen, wenn keine anderen Kinder da sind? Wie tolerant sind Kinder nach dem Durchlaufen einer Brennpunktschule?

Weder herkömmliche Schulen noch Homeschooling fördert automatisch Toleranz. Aber auf allen Schulen und beim Unterricht im Elternhaus ist es möglich Toleranz zu fördern und zu vermitteln. Das kann man wohl kaum Homeschooling festmachen.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


In vielen streng religiösen Familien kann man doch froh sein, wenn die Schule überhaupt besucht wird. Viele schwere Gemeinden in den USA und anderswo akzeptieren nur Homeschooling, weil sie eben nicht wollen, dass weltliche Kinder ihre religiösen Kinder verziehen, auf die falschen Wege leiten usw. Da liegt eher ein ganz anderes Problem, weil man hier wieder die Generation heranzieht, wie es der eigene Glaube will. Kinder genießen keine freie Entscheidung nichts!

Homeschooling ist nicht schlechter, als eine private Schule. Homeschooling wird ja auch mit Prüfungen versehen, um den Lernstand garantieren zu können. Ich hätte da persönlich keine Lust, aber es gibt zum Beispiel ein Kind in den USA, welches gegen fast alles allergisch ist und nur so mit seinen Klassenkameraden via Kamera und Homeschooling in Kontakt treten kann. Der Junge ist sonst todunglücklich, der hat mir so leid getan.

Private Schulen fördern doch oftmals auch Intoleranz. Viele viele reiche verzogene Bälger sind der Meinung, dass sie der Nabel der Welt sind? Das sie was besseres sind, weil sie auf eine Privatschule gehen? Das ist doch auch eigentlich kein großes Geheimnis. Hat sich denn niemand gefragt, wieso so viele wahre IQ-Kinder kaum Freunde haben? Sie sind vielleicht sau intelligent, aber menschlich in Gefühlsdingen usw. geht alles nach Lehrbuch, weil die kaum Peilung davon haben.

Ich finde daher das Intoleranz sowieso überall zu finden ist und am meisten im Elternhaus. Da beginnt die Intoleranz und die Schule, egal wo, macht es weiter. Deswegen ist es doch eigentlich egal, wo das Kind letzten Endes unterrichtet wird.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


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