"Kreatives Chaos" als Rechtfertigung für Unordnung?

Immer wieder höre ich von anderen Leuten und ihr "kreatives Chaos", welches man im Bastelzimmer, auf dem Schreibtisch und in anderen Orten der Wohnung vorfinden kann. Auch ein ehemaliger Freund von mir bezeichnet seinen Schreibtisch als kreatives Chaos, aber der volle Aschenbecher quillt über und leere Eisteepackungen befinden sich unter seinem Tisch.

Das kreative Chaos dehnt sich mittlerweile vom Schreibtisch über die ganze Wohnung aus. Meistens kamen von ihm noch so abgedroschene Sprüche, von wegen nur ein Genie beherrscht das Chaos. Wenn andere Personen von ihrem kreativen Chaos berichten, dann sehe ich es oftmals nur als Ausrede. Bei mir bleibt auch etwas liegen und ich räume nicht stundenlang auf, aber ich würde meinen Tisch nicht als kreatives Chaos bezeichnen.

Ist die Bezeichnung "kreatives Chaos" eigentlich nur eine Rechtfertigung für Unordnung?

In vielen Fällen sicherlich. Man kann aber auch seinen Bereich haben, indem das kreative Chaos herrscht und dennoch ansonsten ordentlich sein. Ich habe beispielsweise auf meinem Schreibtisch gerne so etwas, was von außen vielleicht als Unordnung und Chaos zählen würde, aber es für mich nicht ist, denn das ist meine Art der Ordnung auf meinem Schreibtisch.

Wenn Gäste kommen ordne ich alles schön ein und mache den Schreibtisch optisch schön, aber im Alltag würde ich das so nicht machen und komme damit auch nicht so gut klar, wenn alles geordnet liegt. Meiner Meinung nach muss da jeder seinen Weg finden und wenn einer so ein bisschen Chaos braucht ist das ja auch nicht schlimm, wenn der Rest ordentlich ist.

Solange es nicht ganz offensichtlich "Mitbewohner" in Form von Insekten, Mäusen oder Ratten gibt, weil überall Essensreste herumliegen und die Wohnung nicht verwahrlost aussieht als würde sie einem Messi gehören, stört mich ein bisschen Unordnung überhaupt nicht.

Bei uns sieht es ab und zu auch etwas unordentlich aus und damit leicht chaotisch. Aber bei uns gibt es wie gesagt keine "Mitbewohner", es schimmelt nicht, es liegen keine Essensreste herum und auch keine Schmutzwäsche oder dergleichen. Solange es eben sauber ist, komme ich mit ein bisschen Chaos durchaus zurecht und wüsste auch nicht, was daran so schlimm sein sollte.

Ich halte es da mit Einstein. Denn wenn ein unordentlicher Schreibtisch einen unordentlichen Geist repräsentiert, was sagt dann ein leerer Schreibtisch über seinen Besitzer aus? Studien zeigen, dass unordentliche Schreibtische zwar nicht die Menge an Ideen beeinflussen, aber die Einfälle sind kreativer und origineller.

Ohne mein Chaos arbeite ich definitiv schlechter. Aber bei mir liegt kein Müll herum und theoretisch hätte man mit ein paar Handgriffen Ordnung. Trotzdem bietet das Umfeld ideale Bedingungen für schnelle Lösungen, viele Punkte zum Anknüpfen und neue Ansätze. Ich mag mein Chaos, in dem ich trotzdem mit einem Griff alles finde.

Ich definiere "kreatives Chaos" als etwas, das nur für nicht Betroffene nach Chaos aussieht. Wenn ich zum Beispiel nähe und ein Kleidungsstück zugeschnitten habe liegen für den Außenstehenden überall Stoffstücke, Papierstücke, Scheren, Stifte, Stecknadeln und so weiter verstreut und es sieht ziemlich chaotisch aus. Da ich den Stoff aber zugeschnitten habe weiß ich, was wo hin gehört und sehe einen Sinn in dem Chaos.

Für manche ist das aber sicher wirklich nur eine Ausrede, ein dummer Spruch mit dem man die eigene Faulheit rechtfertigt. Klingt schließlich besser als "ich hatte keine Lust zum Aufräumen". Das merkt man nicht nur daran, dass dann Müll herum liegt sondern auch, dass die Leute selber nicht mehr durchblicken und Dinge suchen müssen.

Für mich ist ein kreatives Chaos auf einen bestimmten Bereich begrenzt, wie zum Beispiel auf den eigenen Schreibtisch oder die Bastelecke oder etwas in der Art. Außerdem würde ich solche Dinge wie Zigarettenkippen und leere Eisteekartons nicht als kreatives Chaos werten, weil diese Dinge ja mit einer kreativen Aufgabe nicht wirklich etwas zu tun haben.

Wenn man gerne alle angefangenen Dinge auf dem Schreibtisch liegen hat und so dann leichter Ideen bekommt, ist das ja in Ordnung. Gleiches gilt natürlich auch für ein Bastelzimmer. Das finde ich dann schon in Ordnung, allerdings sollte das Chaos eben nicht überhand nehmen und sich vor allem auf den Bereich beschränken. Wenn man bei totaler Unordnung in der ganzen Wohnung von kreativem Chaos redet, dann würde ich auch davon reden, dass das nur die Unordnung rechtfertigen soll.

"Nur das Genie beherrscht das Chaos!" musste ich in meiner Kindheit leider viel zu oft hören. Mein Vater hat damals seinen ganzen Kram, hauptsächlich Werbung, Zeitungen, Zeitschriften, aber auch Arbeitsunterlagen nie aufgeräumt und die Unordnung hat sich von seinem Schreibtisch auf das ganze Haus ausgebreitet. Zu Spitzenzeiten war sogar der Platz unter der Treppe völlig zugemüllt und mit einem weißen Tuch abgedeckt. Ich durfte damals im Teenageralter nicht einmal Freunde mit nach Hause bringen, was mir meiner Meinung nach ziemlich geschadet hat.

Ich räume heute nicht alles immer sofort weg, chaotisch ist es bei mir aber auf gar keinen Fall. Für mich sind die Leute, die solche Sprüche klopfen, auch nicht kreativ, sondern einfach nur faul. Es mag einige Ausnahmen geben, aber die wenigsten ziehen positive Energie aus ihrem Durcheinander. Da soll man lieber zugeben, dass man keinen Bock auf Aufräumen hatte.

Cloudy24 hat geschrieben:Ich definiere "kreatives Chaos" als etwas, das nur für nicht Betroffene nach Chaos aussieht. Wenn ich zum Beispiel nähe und ein Kleidungsstück zugeschnitten habe liegen für den Außenstehenden überall Stoffstücke, Papierstücke, Scheren, Stifte, Stecknadeln und so weiter verstreut und es sieht ziemlich chaotisch aus. Da ich den Stoff aber zugeschnitten habe weiß ich, was wo hin gehört und sehe einen Sinn in dem Chaos.

Für mich persönlich geht die Grenze zwischen "Dreck" und "Unordnung": Bei mir liegen gerade auf dem Schreibtisch häufig Sachen wild verstreut herum, die ich aber selbst immer im Auge habe, das heißt ich weiß, wo alles ist. Das sind aber eben Papiere, Bücher, Schreibmaterial etc. ... wenn jetzt zu solchen Dingen Essensreste, schmutziges Geschirr oder dreckige Socken kommen, dann hört bei mir die Toleranz aus.

Ich bin der letzte Mensch, der Leute für ihren Mangel an Ordnungssinn verurteilt, aber sauber muss es sein! Ein Staubkörnchen hier, eine Spinnwebe da, das ist alles nicht so schlimm. Aber wenn es eklig wird, Dinge gammeln oder streng riechen können, dann werte ich das nicht mehr unter "kreativem Chaos", sondern unter Dreck, und da kann mir dann auch niemand erzählen, dass so etwas die kreativen Ergüsse des Geistes fördert.