Offene Terminverweigerung für andersdenkenden Patienten OK?
In Österreich macht ein Arzt Schlagzeilen, der Austro-Türken eine Terminvereinbarung verweigert, wenn sie mit Erdogan sympathisieren. Jetzt hat der Arzt deswegen Schwierigkeiten. Findet Ihr es OK, wenn ein Arzt politisch Andersdenkenden bei ihm Termine versagt? Ist dies ein Recht dieses Arztes oder sollte er Eurer Meinung nach alle behandeln müssen, egal in welche politische Richtung sie denken?
Natürlich ist das nicht in Ordnung. Das steht jeglicher medizinischen Ethik entgegen. Das Genfer Gelöbnis ist da zurecht ziemlich eindeutig. Privat darf jeder denken, was er möchte. Aber ärztliche Hilfe hat jeder zu erhalten. Sonst behandelt der eine keine Anhänger von Erdogan, der nächste keine Linken, wieder eine keine Rechten, der nächste keine Geschiedenen und noch ein anderer keine Homosexuellen oder uneheliche Kinder. Das geht gar nicht.
Irgendwie hast Du auch Recht. Eine Friseuse hat das bei uns auch so gesehen und die musste dann Schmerzensgeld zahlen. Ich glaube auch, dass man in Österreich stärker auf den Erfolg Erdogans reagiert, als in Deutschland. Noch dazu brauchen Österreicher Visa für die Türkei, wohingegen Deutsche sogar mit Personalausweis einreisen können.
Ich frage mich gerade, wie der Arzt feststellt, dass dieser Patient mit Erdogan sympathisiert. Der Patient wird es ja nicht immer raushängen lassen. Dass man einen Menschen mit einer anderen politischen Gesinnung als einer selber nicht sehr sympathisch findet ist ja doch bei jedem so. Aber die wenigsten lassen das doch heraushängen.
Sicher ist das nicht ok. Aber jeder Arzt kann sich seine Patienten immer noch aussuchen, wenn es nicht gerade ein Notfall ist und auch kann eine Friseurin sich einen Kunden aussuchen, wenn diese nicht gerade angestellt ist. Jeder hat da das Hausrecht.
Ich finde das Thema extrem schwierig. Einerseits stellen sich bei mir alle Nackenhaare auf, wenn Menschen so eingeteilt werden und ihnen medizinische Hilfe oder Dienstleistungen verweigert werden. Steht ihnen diese Einschätzung zu? Wie hier schon gesagt wurde: wie sieht denn ein Erdogan-Sympathisant aus? Und was macht den zu einem schlechterem Menschen als einem Kinderschänder, der nett aussieht und von dem man es nicht ahnt?
Wo soll denn das hinführen? Wer will denn verurteilte Kindermörder wirklich gerne behandeln? Sollen die dann mit den schlimmsten Krankheiten nach Hause geschickt werden? Brauchen wir dann Pflegezentren à la Mutter Theresa, die jeden behandeln - solange sie dem christlichen Glauben beitreten?
In den USA gab es doch die Welle, wo Geschäfte und Restaurants Homosexuellen ihre Dienstleitungen verweigert haben. Das ist ja sogar eine angeborene Sache - im Gegensatz zum Erdogansympathisieren. Sollte man da eine Grenze ziehen?
Also wie gesagt, da sträubt sich alles in mir. Das ist so überheblich und anmaßend. Andererseits kann ich es sehr gut verstehen, dass man Menschen, die man verurteilt, nicht bedienen will. Ich verurteile ja auch gerade solche Menschen, die andere verurteilen und das wären mir mit Sicherheit nicht die liebsten Kunden.
Und im Grunde genommen sollte es jedem freistehen, sich seine Kunden oder auch Patienten auszusuchen. Es ist sein Geschäft, seine Praxis, seine Zeit, seine Mühe, seine Würde. Auch wenn ich die Einteilung nicht teile und sie manchmal absolut unter aller Sau finde, steht doch auch mir nicht zu, das zu beurteilen.
Aber der Staat ist halt auch keine Einzelperson wie ich. Ihm steht das zu, finde ich. Gleichberechtigung, Grundgesetz, Antidiskriminierung, Religionsfreiheit etc. Das sind alles Werte, die die Regierung vertritt und für die sie sich einsetzen muss. Und in dem Rahmen darf man Vorschriften machen. Und als Arzt oder Geschäftsinhaber ist man halt keine Privatperson mehr und da gelten mehr Vorschriften.
Mich würde es auch erst einmal interessieren, wie dieser Arzt es feststellt, wer von seinen türkischstämmigen Patienten welche Politik gut findet und wie er vielleicht auch gewählt hat bei der Wahl in der Türkei. Aber ich muss auch sagen, dass es nicht geht, dass ein Arzt Patienten ablehnt, die politisch anders denken als er selber. Privat kann er ja denken, was er möchte, aber als Arzt hat er einfach eine Aufgabe zu erfüllen und das muss doch unabhängig von politischen Interessen gewährleistet sein.
Auch für Ärzte gibt es keine Behandlungspflicht, solange es sich nicht um einen Notfall handelt. Wenn er möchte, darf er Patienten durchaus ablehnen, denn es handelt sich um einen ganz normalen zivilrechtlichen Vertrag, bei dem jeder sich aussuchen kann, mit wem er den schließen möchte. Hier in der Gegend wird dies auch öfter praktiziert, indem der Arzt selbst entscheidet, ob er noch einen Patienten aufnimmt.
Erst letzt hat die neue Hausärztin meines Freundes sich mit ihren Partnern beraten, ob sie ihn noch aufnimmt oder nicht. Sie hatte also keinen strikten Patientenstopp wie die meisten anderen Ärzte hier, sondern hat von Fall zu Fall entschieden, welchen Patienten sie nimmt oder nicht. Und ob sie ihre Entscheidung nun aufgrund der ärztlichen Vorgeschichte trifft oder einer doch recht extremen politischen Meinung, obliegt allein ihr.
Probleme könnte es eventuell dann nur mit den Krankenkassen geben. Mit der Ärztekammer könnte ich es mir nicht vorstellen, da der Arzt einfach damit argumentieren kann, dass das Vertrauensverhältnis mit diesem Patienten einfach nicht aufgebaut werden kann. Rein rechtlich sollte es meiner Meinung nach daher okay sein. Ob es für seinen Ruf gut ist, muss der Arzt selbst entscheiden.
Ich bin ja grundsätzlich der Meinung, dass sich jeder seine Kunden aussuchen können sollte und wenn ein Arzt eine eigene Praxis hat bietet er im Prinzip auch eine private Dienstleistung an. Nur sollte dann auch die Pflicht zur Transparenz bestehen, also wenn jemand eine bestimmte Gruppe Menschen nicht bedienen möchte sollte er das auch gut sichtbar aushängen. Der freie Markt wird schon selber entscheiden und wenn auch Heterosexuelle nicht bei einem offen homophoben Bäcker einkaufen wollen hat sich das Problem bald von selber erledigt.
Zumindest in Deutschland hat man bei Ärzten allerdings das Problem, dass es keinen freien Markt gibt. Es könnte nicht einfach ein Erdogan freundlicher Arzt nebenan eine Praxis eröffnen um dann von den abgewiesenen Patienten zu profitieren. Der würde sehr wahrscheinlich keine Zulassung von der Krankenkasse bekommen.
Generell kann ich es schon ein bisschen nachvollziehen, mit bestimmten Gruppen kann man persönlich einfach nichts anfangen. Dennoch ist es seine Arbeit und dieser muss er nachgehen. Kranke Menschen abzulehnen aufgrund ihrer politischen Einstellung entspricht nicht seinem geleisteten Eid und da bleibt auch die Frage im Raum, wer als nächstes abgelehnt wird.
Immerhin gibt es ja auch andere Menschengruppen, die einem vielleicht unsympathisch sind: Kinderschänder, Mörder, Nazis und so weiter. Will er die auch alle nicht behandeln und vor allem wie will er das überhaupt herausbekommen. Niemand wird sich ein Schild umhängen auf dem Nazi steht oder Anhänger von Erdogan.
Letztendlich denke ich nicht, dass man sich als Arzt so halten kann, immerhin müsste man dann auch diversen Stellen nachweisen, warum man das so macht und da man gegen seinen Eid handeln würde, würden da sicherlich auch Schritte folgen. Menschlich auf das Persönliche übertragen ist das eine nachvollziehbare Einstellung, aber beruflich gesehen sollte man sich so etwas sparen, wenn man Geld verdienen möchte und jeder Notfall, jeder Patient sollte in diesem Land gleich behandelt werden.
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