Mehr vom Partner erfahren, indem man mit ihm streitet?
Ein Zitat von Goethe besagt, dass man sich in Beziehungen hin und wieder streiten muss, um mehr voneinander zu erfahren, sich so also besser kennenzulernen. Ich habe über dieses Zitat nun einige Zeit nachgedacht, bin mir aber doch etwas unschlüssig, wie ich dazu stehen soll.
Ich finde schon, dass Streitigkeiten auch zu einer Beziehung dazugehören. Dass man sich in Jahrzehnten nicht einmal streitet, könnte ich keinem Paar abkaufen. Und wenn, dann müsste die Beziehung doch sehr oberflächlich verlaufen, wie ich finde. Ich finde auch, dass ein Streit eine Beziehung auch festigen kann. Allerdings weiß ich nicht, dass man eben auf diese Weise mehr voneinander erfährt.
Irgendwie ist das ja schon der Fall, da man eben erkennt, dass der Partner einen anderen Standpunkt hat, als man selbst und damit auch andere Ansichten. Allerdings weiß ich nicht, ob man das nun als positiv auffassen kann. Wie steht ihr zu dieser Aussage?
Du hast länger darüber nachgedacht und dir fällt nur ein, dass man unterschiedliche Standpunkte vertritt? Und dann fragst du dich, ob das gut oder schlecht ist. Es ist weder gut noch schlecht. Es ist normal. Schließlich ist ein Partner kein Klon des anderen, er darf eine eigene und abweichende Meinung haben.
Natürlich lernt man bei einer Auseinandersetzung sehr viel über den anderen. Wie ist seine Diskussionskultur und wie ist seine Kommunikation in einer Stresssituation? Erkennt er die Meinung des anderen als gleichwertig an, oder wertet er die andere Sichtweise ab und nimmt den anderen nicht ernst?
Ist er in der Lage, sich in den anderen hinein zu versetzen und kann er den anderen Standpunkt verstehen? Ist ein vernünftiges Gespräch möglich oder blockt der andere ab oder flippt aus? Beharrt er auf seinem Standpunkt? Oder kann man die unterschiedlichen Sichtweisen auf Augenhöhe diskutieren?
Besitzt er die Fähigkeit zuzuhören und zu verstehen, warum der andere etwas so sieht oder so empfindet? Kann er erklären, warum er diese Sichtweise oder Gefühle hat? Ist er auch bereit dazu? Neigt er dazu, einem Konflikt auszuweichen? Versucht er die Sache auszusitzen und möchte ohne Lösung des Problems einfach weitermachen wie bisher, wenn der andere mürbe geworden ist?
Möchte er seinen Standpunkt durchsetzen oder ist er bereit, gemeinsam eine Lösung zu finden? Ist der andere grundsätzlich kompromissbereit? Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Man erfährt noch viel mehr. Unter anderem ob jemand im Streit verletzend oder persönlich wird. Ob er sich schnell und auch unbegründet angegriffen fühlt. Und so weiter und so fort. In Zeiten höchster Harmonie bekommt man davon nichts mit.
Für mich gehört Streit eigentlich nicht zu einer Beziehung dazu und ich bin sehr froh, dass mein Freund und ich in der bisher dreijährigen Beziehung noch nie gestritten haben. Das heißt nicht, dass wir ein Klon voneinander sind. Wir sind uns sehr ähnlich und haben weitgehend gleiche Interessen und Wertvorstellungen, aber manchmal hat man schon verschiedene Meinungen. Die führen aber nicht zu einem Streit, sondern das wird dann ganz sachlich, ohne Emotionen ausdiskutiert, indem man kurz Argumente austauscht. Viele Themen sind auch von vorne herein so, dass man gar nicht diskutieren muss, sondern schon ohne Diskussion, einfach wenn man feststellt, dass man verschiedene Wünsche hat, mit einem Kompromiss bedenkt oder einer gleich nachgibt, ohne dass man groß darüber reden muss. Das finde ich sehr angenehm, denn das vermeidet Streitigkeiten.
Er hat manche Eigenheiten, die ich als nicht perfekt ansehe, aber das nehme ich so hin. Beispielsweise kämmt er sich die Haare über dem Waschbecken und die liegen dann nachher auch im Waschbecken. Ich nehme das so hin, es ist ja nicht mein Waschbecken und an zwei Tagen in der Woche kann ich das auch aushalten. Wenn es mein Waschbecken wäre, würde mich das stören, ist es aber nicht - selig sind die, die ihre eigenen Wohnungen haben. Genauso würde ihn vielleicht meine Unordnung stören, aber da wir nicht zusammenwohnen, ist es für ihn irrelevant. Man kann auch vielen potentiellen Konfliktthemen aus dem Weg gehen, indem man einfach nicht zusammenwohnt, sodass jeder in seinem Umfeld machen kann, was er will.
Wir sind auch generell alle beide Menschen, die eher Konflikte vermeiden. Und da es eigentlich nichts gibt, worüber man sich großartig aufregen könnte, da nehme ich die paar Kleinigkeiten, die mich stören, so hin und er macht es ebenso und daher leben wir schön harmonisch, was ich auch wirklich gut finde und was ich nicht anders haben will. Genau das habe ich immer gesucht.
In früheren Beziehungen habe ich oft Konflikte erlebt und ich muss sagen, es stimmt schon, dass man den anderen da kennenlernt, aber eben in negativer Hinsicht. Man bekommt mit, wie bösartig manche sein können und was die einem für Gemeinheiten an den Kopf werfen können. Ich erinnere mich da beispielsweise an einen Ex von mir, mit dem ich auch mehrere Jahre zusammen war und dem passte ganz oft irgendwas nicht und da wurde er auch manchmal laut. Ich bin dann dazu übergegangen, ihm ganz viel zu verheimlichen, weil ich wusste, dass er sich über die Dinge, wenn er sie wüsste, nur wieder aufregen würde und ich hatte keine Lust auf die Zankereien. Und jedesmal, wenn er wieder seine kleinen Ausraster hatte, habe ich daran gedacht, die Beziehung zu beenden und habe es irgendwann auch wirklich gemacht, weil ich keine Lust auf Konflikte habe.
Für mich bringen Konflikte Menschen auseinander und ich habe dann meistens den Wunsch, den Kontakt ganz sein zu lassen. Ich sehe darin keinen Vorteil, jemanden im Streit so richtig kennenzulernen; diese Seite will ich gar nicht kennenlernen. Und ich finde eigentlich auch, dass erwachsene, intelligente Menschen verschiedene Meinungen ohne Streit abhandeln können sollten, ohne dass man laut wird oder den anderen beleidigt. Mich hat das immer gestört, wenn Männer immer Streit anfangen mussten und das wollte ich nie haben und bin froh, dass mein Partner das nicht macht und wir schön unsere Ruhe haben.
Ich kann mich coopers Ausführungen nur anschließen und in einem Streit erfährt man sehr vieles von einem Partner, was man in den Zeiten der Harmonie niemals erfahren würde. Man kann immer von sich sagen, dass man so nett ist und sich nicht streitet und nicht ausfällig wird, aber wenn es mal dazu kommt, dann kommt nicht selten eine ganz andere Seite mit heraus die man vorher so nicht kennengelernt hat.
Mein Ex Partner war angeblich auch so Harmoniebedürftig und wenn er angefangen hatte mit dem Streiten, dann wurde er direkt beleidigend, verletzend und hat nichts vernünftiges mehr von sich gegeben die noch sachlich und logisch waren. Ansonsten sprach er immer von Logik, kaum wurde es etwas lauter und rauer der Ton, dann flippte er mehr oder weniger voll aus und war immer das arme Opferlamm und wies alles von sich.
Ging dann soweit dass man bestritt etwas gesagt zu haben, obwohl es keine 10 Sekunden vorher gesagt wurde, aufgenommen und abgespielt wurde "das war ich nicht!" war dann die einzige Antwort die man drauf bekommt. Wer hat es dann gesagt wenn nur wir beide anwesend waren, auch darauf kam nur ein "ich habe das nicht gesagt". Fehlte es an allem kam dann nur noch ein "ich hab Recht" ohne das Begründen zu können. Softskills der Kommunikation nicht vorhanden, geschweige denn soziale Kompetenz.
Mir wäre es ehrlich gesagt zu blöde Jahrelang neben einer Person zu fristen, von der man nicht vieles weiß außer was sie von sich gibt. Überprüfen kann man das nicht was dort alles behauptet wird, bei einem Streit kommt all das hervor ohne das man es bewusst versteckt oder verstecken kann und dann sieht man erst einmal, wie die Menschen dahinter wirklich ticken die man sich als Partner ausgesucht hat.
Mein Ex war immer so, dass er im Alltag alles bejaht hat und scheinbar gut gefunden hat und wenn es dann mal wieder zum Streit kam, bekam man vorgeworfen, was da so in letzter Zeit seiner Meinung nach schiefgelaufen ist und das er alles anders gesehen hat, was man so gemeinsam gemacht hat. So etwas finde ich bescheuert, weil man doch sagen sollte, was einen stört, aber so scheinen viele zu sein.
Mittlerweile habe ich eine Beziehung, bei der das nicht so läuft. Wir sagen uns auch alles, was uns im Alltag nicht passt. Natürlich kommt es ab und zu zum Streit, aber das ist doch normal. Im Streit kommen aber keine Dinge heraus, die man vorher nicht gewusst hat.
Ich denke auch, dass man durch streiten noch vieles über seinen Partner heraus finden kann. Man sieht ja, wie er diskutiert und ob er da sachlich bleibt oder vielleicht doch aggressiv und auch ausfallen wird. Man erfährt so sicherlich auch, wo die Grenzen dabei sind und wann es dem Partner dann zu viel wird.
Ich glaube auch, dass dies noch Seiten aufzeigen kann, die man bisher von seinem Partner noch nicht kannte. Das können ja auch durchaus negative Eigenschaften sein. Ich habe es schon erlebt, dass jemand in einem Streit plötzlich übelst vom Partner beschimpft wurde und es richtig unter die Gürtellinie ging. Da sah man dann ein völlig anderes Gesicht des Menschen und hat schon schnell gemerkt, dass man ihn doch durchaus falsch eingeschätzt hatte.
Ich streite mich auch manchmal mit meinem Partner, wobei Streit das falsche Wort ist. Ich würde behaupten, dass wir auch mal aneinander geraten, aber ein Streit artet nie wirklich aus. Wir haben nicht für einen kurzen Zeitraum die Wohnung verlassen und es sind auch keine Haushaltsgeräte kaputt gegangen.
Mein Partner schreit mich nicht an und wird mir gegenüber nicht aggressiv, das schätze ich an ihm sehr. Wir können beide auch mal nachgeben und den ersten Schritt aufeinander zugehen. Ich bin da viel zickiger und emotionaler in einem Streit, dann keife ich ihn an, aber das akzeptiert er und dafür ist er dankbar.
Zum Glück beleidigt mich mein Partner im Streit nicht, bei einem befreundetem Paar sieht es ganz anders aus. Da haut der Mann Beleidigungen raus, beispielsweise bekommt die Frau dann die vulgäre Bezeichnung für das weibliche Geschlechtsorgan zu hören oder eine abwertende Bezeichnung für eine Prostituierte.
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