Durch Figuren im Fernsehen Verständnis für Autisten fördern?

vom 03.04.2017, 04:53 Uhr

Ich denke, The Big Bang Theory werden viele von euch bereits kennen. Man sagt ja, dass die Figur des Sheldon Cooper wohl sehr an einen Autisten erinnern soll und möglicherweise auch einem Autisten nachempfunden worden ist, beim letzten Punkte bin ich nicht sicher. Ich habe kürzlich jedoch gelesen, dass in der US-Version der Sesamstraße eine neue Figur eingeführt werden soll, die ebenfalls Autismus hat.

So soll die Figur Julia heißen, vier Jahre alt sein und einen Kuschelhasen haben. Die Folge läuft wohl am 10. April zum ersten Mal und die Figur soll in Deutschland wohl nicht eingeführt werden. Ich weiß gar nicht, wie das in anderen Serien ausschaut und wie stark Autisten dort präsentiert und porträtiert werden.

Haltet ihr es für möglich, dass man mehr Verständnis für Autisten hat, wenn man autistische Charaktere vermehrt in Film und Fernsehen vertreten sind? Haltet ihr es für sinnvoll, Autismus in den Medien mehr zu thematisieren oder ist das unnötig?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Sheldon Cooper soll kein Autist sein, sondern jemand mit einem Asperger-Syndrom, also einer leichten Form des Autismus. Manche Verhaltensweisen von ihm hat ja auch der ein oder andere, der kein Asperger-Syndrom aufweist. Es gibt ja viele Menschen, die beispielsweise gerne ordnen oder gerne immer nur die gewohnten Bahnen leben, ohne dass das gleich eine Krankheit sein muss.

Vielleicht geht es gar nicht so sehr um die Krankheit, sondern einfach darum, toleranter zu sein, wenn jemand nicht dem Mainstream folgt und sich in manchen Punkten anders verhält als der Durchschnitt. Beispielsweise hat Sheldon Cooper in der Serie ja auch eine Abneigung gegen körperliche Nähe und Sexualität und das kommt ja in unserer Gesellschaft auch gleich komisch an, wenn sich jemand nicht gerne anfassen lässt oder kein Interesse an Sex hat.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Sheldon Cooper ist kein "Autist", und soll auch keinen darstellen, sondern eine grell überzogene Parodie eines verkopften Wissenschaftlers ohne Sozialverhalten. Die Serie soll auch mitnichten Verständnis für irgendwen oder irgendwas fördern, sondern einfach nur unterhalten und dafür sorgen, dass sich das Publikum über die schrägen Typen amüsiert. In vielen, wenn nicht den meisten Sitcoms kann man den Figuren schließlich alle möglichen psychischen Krankheiten und Auffälligkeiten unterstellen, weil schrille Parodien eben eher zum Lachen sind als todlangweilige, milde depressive Normalbürger wie du und ich.

Ich glaube also erstens nicht, dass es das Verständnis für ein wie auch immer geartetes psychisches Problem oder sonstwie von der Norm abweichendes Verhalten fördert, wenn man sich über die Figur in den Medien lustig macht und sich schier einnässt darüber, wie blöd die sich doch anstellt. Zweitens bilden Filme und Serien nicht die Wirklichkeit ab, auch wenn viele Leute sich das kaum vorstellen können, sondern zeigen bestenfalls verzerrte Ausschnitte, die noch dazu einen bestimmten Zweck erfüllen sollen. Und dieser ist mit Ausnahme der Sesamstraße oder der Sendung mit der Maus nur selten Aufklärung oder die Erweiterung des Horizonts, sondern meistens nur ein Schockeffekt, billiges Gelächter oder selbstgefälliges "Immerhin bin ich nicht so asso!"

Ähnlich sehe ich es auch bei Schauspielern mit Down-Syndrom, die zwar hin und wieder im Fernsehen auftauchen dürfen, aber dann immer die liebenswerten Trottel abgeben müssen, die das Publikum erwartet, und die es mit jener Mischung aus Mitleid und Herablassung betrachten kann, welche das Schicksal der meisten Menschen mit Behinderung darstellt. Auch hier wird in meinen Augen kein "Verständnis" gefördert, sondern es werden Vorurteile vom Menschen mit Down-Syndrom als ewig herzigem treu-doofen Kind perpetuiert. Unterhaltungs-TV will schließlich gerade nicht aufklären und zum Nachdenken bewegen, sondern nur die Lücken zwischen den Werbeblöcken auf billige Art füllen.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



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