Geht es uns heutzutage wirklich zu gut?

vom 17.03.2017, 13:24 Uhr

Vor einigen Tagen hat mir mein Browser auf der Newsseite einen Artikel über ein Interview mit Uwe Ochsenknecht zum Lesen angeboten. Den Artikel findet man hier. Er sieht den Zustand unserer Gesellschaft sehr kritisch und meint sinngemäß, dass der Wohlstand den Zusammenhalt in der Gesellschaft untergräbt und daher egozentrisches Verhalten eher befördert werde. So wie er hier wiedergegeben wird, würde laut seiner Ansicht nach niemanden mehr interessieren, wie es zum Beispiel den Nachbarn ginge. Zusammenhalt entstünde wohl erst wieder wenn Leid Menschen zusammen hält.

Ganz so wörtlich würde ich das nicht nehmen wollen, und das niemanden eher durch einen großen teil der Gesellschaft ersetzen wollen. So eine Pauschalisierung tut meiner Meinung nach denjenigen unrecht, die sich mit viel Herzblut sozial engagieren. Und letztlich ist so ein Verhalten ja auch eine Charaktersache, finde ich. Es gibt ja durchaus auch Menschen, die sich am Leid anderer weiden, statt solidarisch zu reagieren. Ich war zugegeben noch skeptisch, ob man das so sehen kann und sollte und wie viel da wirklich dran ist.

Ein paar Tage später läuft mir meine Nachbarin über den Weg, die über neunzig Jahre alt ist und noch erstaunlich rüstig und klar im Kopf. Ohne dass ich ihr von dem kürzlich gelesenen Interview erzählt habe, fing sie von sich aus an zu erzählen, wie sie ihr erstes und einziges Kind kurz nach Kriegsende geboren habe und mit annähernd nichts groß gezogen habe. Es war viel wichtiger, dass man überhaupt irgend etwas zu Essen hatte und ob es reichte. Trotzdem haben sie alle versucht, aus der harten Situation das beste zu machen und gemeinsam mit dem nahen Umfeld an einem Strang gezogen.

Da kam von ihr auch die sinngemäß gleiche Aussage, dass sie nicht verstehen könne, warum heute viele Leute immer unzufriedener mit der Situation werden, immer mehr haben wollen und immer mehr Ängste entwickeln, obwohl es uns doch momentan eigentlich so gut geht. Oder dass sie aus Kleinigkeiten bei der Kindererziehung Probleme entwickeln, obwohl ein Kind auch unter viel schlimmeren Bedingungen glücklich aufwachsen kann. Und auch obwohl man sogar in sehr harten Zeiten Glück empfinden kann, suchen heute immer mehr Leute vergeblich nach dem Glück, obwohl sie eigentlich schon täglich ein großes Stück vom Glück haben, das aber zu selbstverständlich und alltäglich erscheint um als solches noch gesehen zu werden.

Das hat mich dann doch recht nachdenklich gemacht. Ist da vielleicht etwas dran, dass es uns tatsächlich heute zu gut geht? Dass wir durch den Wohlstand einfach überdrüssig geworden sind und gar nicht mehr genug schätzen können, was wir wirklich haben? Dass wir uns als Ersatzbefriedigung auf kleine Probleme stürzen, die wir als viel größer empfinden, als sie objektiv sind? Wie seht ihr das?

Denkt ihr, dass wir gerade in einer Phase sind, dass man wieder einen Dämpfer braucht, weil die Erinnerung an wirklich harte Zeiten langsam aus dem kollektiven Gedächtnis verschwindet, weil der letzte Krieg und die letzte echte Not schon zu lang her ist und die Zeitzeugen schon weitgehend weggestorben sind? Habt ihr darüber schon mal nachgedacht? Kennt ihr ähnliche Meinungen von anderen Personen? Wie denkt ihr darüber? Wie viel bräuchte man noch mehr um glücklicher zu sein? Oder gehört ihr zu denen, die das alltägliche Glück und den relativen Wohlstand genießen können?

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ich würde sagen, dass es vielen Menschen sehr gut geht, aber einigen geht es auch extrem schlecht. Es kommt oft vor das man obdachlose Menschen in großen Städten sieht. Daran kann man sehen, dass viele Menschen sich darauf ausruhen, dass es ihnen gut geht und dabei nicht an andere denken.

Ganz allgemein gesagt geht es manchen Menschen zu gut, da stimme ich zu. Als Beispiel würde ich den Krieg in einigen Ländern sehen. Diese Leute wollen keinen frieden halten, deswegen geht es denen zu gut. Die betroffenen müssen ja keinen Krieg führen, keiner zwingt sie dazu.

» Redfly008 » Beiträge: 208 » Talkpoints: 26,59 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Dass es uns so wahnsinnig gut geht, würde ich nicht sagen. Ok, wir haben hier keinen Krieg, aber Krieg ist ja auch eine Ausnahmesituation, die man vielleicht nicht als Vergleich heranziehen sollte. Es ist wohl ziemlich jede gesellschaftliche Situation besser als Krieg, bei dem man Angst um das Überleben haben muss.

Ich finde beispielsweise, dass heutzutage auch viel erwartet wird. Die Anforderungen und Schule und Beruf sind hoch und ich kann froh sein, dass ich es durch dieses Anforderungssystem irgendwie geschafft habe, sodass ich einen ganz netten Job bekommen habe. Aber mir tun Leute leid, die beispielsweise in rollenden Wochen arbeiten müssen oder die körperliche sehr schwere Arbeiten haben und sich dabei die Gelenke kaputt machen.

Meine Mutter ist beispielsweise Krankenschwester und muss da sicherlich Aufgaben machen, zu denen ich mich niemals überwinden könnte. Aber andererseits wird sie es sicher anders empfinden und jemand, der in einer rollenden Woche arbeitet, der wird das womöglich auch anders empfinden und es wird für ihn normal sein.

Ich habe im Gegensatz zu vielen anderen den Vorteil, dass ich nebenbei in der arbeit viel Privates machen kann, dass ich eher gehen kann, ohne dass ich das nacharbeiten muss, weil ich eben schneller fertig bin und dass ich viele Freiheiten habe, die andere nicht haben. Dennoch strebt man ja immer nach einer Verbesserung und findet Dinge, die noch schöner und noch freier sein könnten.

Wenn ich mich mit Leuten in normalen Jobs vergleiche, dann habe ich eine sehr angenehme Situation, aber dennoch gibt es Menschen, denen geht es noch besser und auf die schaut man dann hinauf. Die wiederum werden sich auch an bestimmten Dingen stören und so ist es doch immer. Man hat, egal auf welcher Stufe man sich befindet, immer gewisse Dinge, die noch besser sein können. Dauerhaft vollkommen zufrieden ist man nie.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich denke, dass es uns gut geht, aber das hat mit 2015 nachgelassen. Seitdem werden wir deswegen überrannt und ich mag die heutigen Zeiten nicht mehr. Auch probiert man, mit diversen Aktionen auch noch etwas herauszuholen. Auf meinem Yahoo Account bekomme ich direkt in den Posteingang Mails, die um Friedenserhaltung bitten. Dabei wird auch immer auf vorhergehende Mails verwiesen und auch nachgefragt, ob man diese auch bekommen und gelesen hatte. Diese kommen aus dem arabischen Raum und ich frage mich, was man mit diesen Mails erreichen will.

» celles » Beiträge: 8677 » Talkpoints: 4,08 » Auszeichnung für 8000 Beiträge



Ich finde schon, dass es uns in Deutschland beispielsweise zu gut geht. Hier sind wir abgesichert und keiner kann extrem tief fallen, beziehungsweise kann man immer wieder Teil eines Systems werden, wenn man dies auch möchte. Abgesichert ist man hier aber auf jeden Fall und bekommt auch alle Lebensmittel im Übermaß, was auch nicht überall der Fall ist.

Wenn manche darüber meckern, dass ihr Arbeitslosengeld beispielsweise nicht ausreicht, das finde ich dann schon jammern auf hohem Niveau. Immerhin gibt es auch Länder, in denen man tagelang nicht weiß wie man an Essen kommt, verseuchtes Wasser trinken muss und so weiter. Uns geht es gut, dass muss man sich auch nicht schlecht reden oder mies machen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich finde diese Aussage schwierig, weil es ja keinen objektiven Maßstab gibt. Also es gibt keine Definition die uns sagt, wann genau es uns gut geht und aus der man dann eben ableiten könnte, wenn es uns zu gut geht. Und "gut gehen" bedeutet ja auch für jeden etwas ganz anderes. Die einen denken, dass es ihnen gut geht wenn das Materielle stimmt, die anderen stellen irgendwann fest, dass es ihnen erst richtig gut geht seit sie sich vom Materialismus verabschiedet haben.

Ich selber tendiere aber schon dazu diese Aussage zu unterschreiben weil ich einfach sehe, wie viele Leute sich mit irgendwelchen Erste Welt Luxusproblemen herumschlagen. Die Art und Weise, wie Ernährung zelebriert und dogmatisiert wird zeigt doch zum Beispiel, was für ein extremer Überfluss bei uns herrscht. Deine Nachbarin hat sich früher sicher keine Sorgen darüber gemacht, ob das Essen für ihr Kind bio-vegan-glutenfree ist, sie war einfach froh, dass sie etwas zu Essen auf den Tisch bringen konnte.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


@Ramones: Bitte wo lebst du denn? Es ist verdammt einfach hier durch das soziale System zu fallen, dazu gibt es mehr als 200.000 Bundesbürger (Schwarzziffer deutlich höher) die das bereits "geschafft" haben. Wieder in die Gesellschaft zu finden und das noch "einfach" zu nennen ist ebenfalls kindliche Naivität die mit der Realität rein gar nichts zu tun hat.

Meinst du alle Obdachlosen sind freiwillig Obdachlos? Aber damit sie Gelder beantragen könnten, brauchen sie einen festen Wohnsitz. Nur welcher Vermieter gibt eine Wohnung an jemanden, der kein Einkommen hat und nichts. Solche Gutmenschen mögen in deinem Kopf existieren in Wahrheit gibt es sie nicht. Damit man sich anmelden kann mit Wohnsitz muss man 4 Wochen dort mindestens wohnen, eine Obdachlosenunterkunft zählt dazu nicht. Vorher keine Leistungen, keine Krankenversicherung und kein nichts was du so toll als Absicherung siehst. Sozialämter die dafür zuständig sind schlagen sich und schieben sich die Obdachlosen gegenseitig zu mit den Rechnungen und beim Arzt werden diese ebenfalls weggeschickt, wie auch in anderen Einrichtungen wenn sie nach Essen, Arbeit oder Unterkunft fragen und sei es nur das sitzen vor dem Geschäft.

Behandelt wie es nicht mal Tiere werden, so sieht es aus, Menschen der dritten Klasse die keine Beachtung finden. Oder meinst du ein hingeworfener Apfel, eine leere Dose mit Pfand neben den Mülleimer stellen bringt sie damit weiter und gelangen da mit wieder in das soziale Netz? Da weiß man auch nicht wie man den nächsten Tag etwas zu Essen hat, in den Unterkünften wirst du beklaut, verprügelt und Essen gibt es auch nicht für alle. Das ist auch in Deutschland Realität und nicht nur in dem dritte Welt Land was du dir gerade vorstellst.

Man kann aber immer sagen, dass es einem zu gut geht solange man etwas zu meckern hat. Das war früher so, das ist heute so, dass wird auch in Zukunft so sein. Je mehr man hat, desto mehr möchte man auch haben. Früher gab es einfachere bescheidene Wünsche und gerade wenn man den Krieg selbst mitgemacht hat, weiß was es heißt Angst zu haben, das Haus über den Kopf zerbombt zu bekommen und dankbar zu sein, wenn es eine einfache Brotsuppe gibt nachdem man eine Woche nichts zu Essen hatte, ja dann hat man niedrigere Ansprüche. Diese Grundansprüche sind aber bei den meisten inzwischen gedeckt und entsprechend wird nach mehr gestrebt. Hat es jemand eher als man selbst, dann kommt Unzufriedenheit und Neid auf.

Mit dazu bei trägt aber auch, dass nicht jeder Mensch gleich ist. Wenn man mal davon ausgeht, dass ein durchschnittlicher Bundesbürger der arbeitet 3800 Euro Brutto verdienen soll, dann frage ich mich wirklich was ich dann gewesen bin? Ich hatte davon nicht einmal die Hälfte bei einer Vollzeitarbeit und andere kriegen mehr bei nicht einmal einer Teilzeitarbeit? Du hast hier ein sehr starkes Gefälle von Reich zu Arm, die Reichen werden immer reicher und die Ärmeren immer Ärmer was ebenfalls nochmals weitere Unzufriedenheit stiftet. Der Anteil der Mittel- und Unterschicht ist dabei am wachsen und immer mehr die noch zum Mittelstand vor einigen Jahren gehört haben, sind inzwischen die Unterschicht und werden auch wie diese behandelt - Menschen zweiter Klasse. Das ist dieses von oben heran blicken und den Apfel hinwerfen zu einem Obdachlosen, damit kann man es vergleichen was abgeht.

Damit das es genug Leute gibt die prahlen mit dem was sie haben, wie toll es ist nicht arbeiten gehen zu müssen da ein verdienst reicht und diese dann mit ihrem Problemen um die Ecke kommen die keine sind wie z.B. Überforderung mit Kindererziehung bei einem Kind wenn man sonst nichts anderes zu tun hat wie eine Arbeitsstelle zu bekleiden, dann ist das Jammern auf hohem Niveau. Oder das Helikoptern von Müttern kommt auch nur daher, dass diese Langweile und zu viel Zeit haben, früher standen die Mütter mit auf den Feldern und die Kinder durften mit anpacken bzw. wurden nebenbei erzogen. Heute muss sich alles nur um das Kind drehen, dass es von morgens bis abends das Rundum Sorglos Mutti Paket bekommt mit Hintern Pudern in jeder Hinsicht und Dauerhafter Animation mit Entertainment.

Andere bekommen es auch zusammen mit Arbeit, mehreren Kindern und jammern nicht. Aber Ramones zieht hier auch nur wieder auf die Unterschichten ab, zählt sich selbst höchstwahrscheinlich zur Oberschicht mit einem "reichen Mann" an der Seite. Bringt dann Welt- und Realitätsfremde Aussagen wie Marie Antoinette, die auch vom Stapel gelassen hatte wenn das Volk kein Brot hat, soll es eben Kuchen essen. Ohne mal darüber nachzudenken, dass wenn kein Brot vorhanden ist mit Sicherheit auch kein Kuchen da ist und schon gar nicht für die Unterschicht. Genau so kommt es mir vor, wenn ich lese wie doch niemand durch das soziale Netz fallen kann und man mit Handkuss wieder aufgenommen wird wenn man denn nur will und es allen zu gut geht, nur weil man von sich selbst auf alle anderen schließt.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



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