Dauer von Trauer abhängig von Todesursache?

vom 22.03.2017, 08:35 Uhr

Ich sehe gerade einen Bericht, in dem der Vater eines Todesopfers der Germanwings-Katastrophe sagt, dass er nach fast zwei Jahren den Verlust immer noch nicht verarbeitet hat und jeden Tag um den Verlust trauert. Ich kann das schon verstehen, denn Verlust ist nie auf die leichte Schulter zu nehmen.

Kann es sein, dass es möglicherweise auch von der Art der Todesursache abhängt, wie lange man trauert und wie viel Zeit man mit der Trauerbewältigung benötigt? Oder hat das damit gar nichts zu tun? Würde es euch leichter fallen, mit einem Todesfall abzuschließen, wenn die Person natürlicherweise gestorben wäre oder wegen einer Krankheit? Dauert es grundsätzlich länger zu trauern und alles zu verarbeiten, wenn man seine Angehörigen durch so eine Katastrophe verloren hat? Was meint ihr dazu?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Schwer zu sagen. Sicherlich kommt es auch auf den Menschen selbst an, wie er eben mit dem Verlust eines Angehörigen umgeht. Ich denke aber schon, dass es einen Unterschied macht, ob jemand absichtlich mit Gewalt aus dem Leben gerissen wurde oder eben durch sein Alter irgendwann verstirbt.

Ich denke, dass es bei dem German Wings Absturz eben so plötzlich und unerwartet kam, dass man eben doch länger damit zu tun hat. Gerade auch, weil es einem so absolut sinnlos vorkommt. Immerhin hätte der Pilot ja auch irgendwo Selbstmord begehen können und nicht noch hunderte anderer Menschen mit in den Tot reißen müssen.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Wenn ein Mensch aus einem "intakten" Leben gerissen wurde, die Angehörigen nicht damit gerechnet haben, dass dieser Mensch stirbt, ist es für die Angehörigen immer schwerer mit dem Tod fertig zu werden. Wenn eine Krankheit zum Tod führt und die Angehörigen wissen, dass dieser Mensch eine tödliche Krankheit hat, dann kann man sich als Angehöriger darauf vorbereiten. Dann ist es oft sogar so, dass man sagt, dass es gut für den Verstorbenen war, damit er sich nicht noch weiter quält.

Ein schneller Tod ist für die Angehörigen nicht gerade schön. Man muss dann den Tod von diesem Menschen erst mal verstehen, ehe man trauern kann. Das dauert dann auch dementsprechend länger. Wenn ein Mensch wochenlang, monatelang oder gar jahrelang eine Krankheit hat und man weiß, dass dieser Mensch nicht mehr gesund werden kann, dann ist man oft auch erleichtert für den Menschen, der sich nicht mehr quälen muss.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Diamante hat geschrieben:Wenn ein Mensch aus einem "intakten" Leben gerissen wurde, die Angehörigen nicht damit gerechnet haben, dass dieser Mensch stirbt, ist es für die Angehörigen immer schwerer mit dem Tod fertig zu werden. Wenn eine Krankheit zum Tod führt und die Angehörigen wissen, dass dieser Mensch eine tödliche Krankheit hat, dann kann man sich als Angehöriger darauf vorbereiten. Dann ist es oft sogar so, dass man sagt, dass es gut für den Verstorbenen war, damit er sich nicht noch weiter quält.

Diamante hat es perfekt ausgedrückt, denn mein Vater ist mit Mitte 50 ganz plötzlich an einem Herzinfarkt verstorben, was für unsere ganze Familie sehr tragisch ist. Wir trauern immer noch und vor einigen Tagen hat mich die Trauer wieder gepackt und ich habe sehr lange geweint, obwohl es schon über ein Jahr her ist. Ich verstehe immer noch nicht ganz, dass mein Vater nicht mehr lebt.

Mein Großvater hingegen hat seine Lebensqualität durch eine schlimme Krankheit verloren, er lag vor seinem Tod tagelang im Krankenhaus und hing an den Geräten. Einen Tag vor seinem Tod kamen wir ihn mit der ganzen Familie besuchen. Meine Großmutter meinte, dass er loslassen konnte, weil wir uns indirekt verabschieden konnten. Den Tod von meinem Großvater kann ich akzeptieren, den Tod von meinem Vater allerdings nicht.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9232 » Talkpoints: 24,53 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Zum einen hängt das sicher von der Todesart ab. Wenn jemand plötzlich einen Herzinfarkt bekommt, dann ist das leider eben Schicksal und könnte fast jeden so treffen. Leicht ist das nicht, aber solche Gründe akzeptiert man eben, weil man damit rechnet, dass jeder irgendwann krank werden kann.

Aber so irrationale Vorfälle, dass ein Angehöriger Opfer von einem Selbstmörder wird, der kollektiv Selbstmord begeht oder bei einem Terroranschlag ums Leben kommt oder durch ein Zugunglück oder so, das ist natürlich immer schwerer zu verkraften, weil man sich als Angehöriger immer viel schneller überlegt, ob man das nicht hätte verhindern können. Beispielsweise hätte man ja den Besuch mit Auto abholen können, statt ihn Bahn fahren zu lassen, oder dem Kind die Teilnahme an der Klassenfahrt verbieten können. Auch wenn das total unrealistische Szenarien sind, das anders gemacht haben zu können, belastet das trotzdem. Weil das eben theoretisch vermeidbar gewesen wäre, wenn man das vorher gewusst hätte. Da hilft es auch nicht, sachlich zu argumentieren, dass man das ja nicht vorher wissen konnte, alleine die theoretische Möglichkeit kann einen schon belasten.

Zum Anderen hängt es sicher davon ab, wie alt der Angehörige ist, der verloren wurde. Wenn der neunzig Jahre alte Opa in so einem Unglück ums Leben kommt, wird man auch länger trauern, als wenn er einer natürlichen Todesursache zum Opfer gefallen wäre. Aber man hat halt im Hinterkopf, dass die Lebensuhr sowieso schon am ablaufen war und man eh demnächst hätte Abschied für immer nehmen müssen. Aber wenn man ein Kind verliert, das gerade am Anfang des Lebens stand oder deutlich zu jung zum Sterben ist, ist der Abschied natürlich schwerer. Als Eltern wird man sich da immer fragen, wie das wohl gewesen wäre, das Kind noch erwachsen zu sehen, welchen Beruf das Kind wohl ergriffen hätte und so weiter.

Apropos Abschied nehmen müssen für immer. Ich denke neben der Todesart macht auch einen Unterschied, ob man sich ordentlich verabschieden konnte oder nicht. Wenn bei meinem Angehörigen überraschend Krebs im Endstadium entdeckt wird und ihm nur noch wenige Tage zu leben bleiben, kann ich trotzdem von der sterbenden Person Abschied nehmen in dem Wissen, dass es für immer ist. Dann kann man vielleicht noch einen offenen Streit beilegen und sich entschuldigen oder was auch immer. Wenn ein Angehöriger bei einem Flugzeugunglück oder ähnlichen umkommt, verabschiedet man sich ja nur auf bald und wird der Möglichkeit beraubt, richtig mit einem Abschied abzuschließen. Ich denke auch, dass dieser Zustand den Abschied sehr erschweren kann. Vor allem weil in so einem Unglücksfall ja meist mehrere erschwerende Faktoren zusammen kommen ist eine lange Trauerzeit gut nachvollziehbar.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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