Angehörige bei geistigem Abbau besuchen sinnvoll?

Der Opa einer Freundin von mir ist an Demenz erkrankt und es ist sehr schwer für alle Familienangehörigen, das eben mitzuerleben und hautnah mitzubekommen, wie der Großvater immer weiter abbaut. So kann er sich oft schon kurz nach einem Besuch nicht daran erinnern, dass jemand da gewesen ist. Er erinnert sich teilweise auch nicht mehr an die Namen seiner Angehörigen und verwechselt sie.

Meine Freundin besucht ihren Großvater natürlich so oft sie kann und versucht für ihn da zu sein, auch wenn er sich nicht immer an sie erinnert und ihren Besuch auch schnell wieder vergisst. Ihr ist das aber wichtig, also behält sie das konsequent bei.

Jetzt hat aber ein Bekannter zu ihr gesagt, dass sie sich die Besuche doch sparen könnte, wenn der Großvater sich doch eh nicht mehr an sie erinnern würde und die Besuche wieder vergessen würde. Man könnte die eigene, kostbare Zeit doch viel sinnvoller nutzen seiner Meinung nach. Wie seht ihr das? Würdet ihr Angehörige besuchen, die geistig stark abbauen? Haltet ihr das für sinnvoll?

Das ist auf jeden Fall sinnvoll. Deine Freundin ist für ihren Großvater da, was man sehr schätzen sollte. Wenn sie gerne bei ihm ist dann ist es völlig egal, ob es sich danach noch daran erinnert oder nicht.

Außerdem ist es bei Leuten, die an Demenz erkrankt sind, sehr hilfreich, sie oft zu besuchen und mit ihnen zu reden. Denn wenn sie niemanden zum reden haben, wird es in manchen Fällen noch schlimmer und die Person baut geistig noch weiter ab. Wenn sie allerdings jemanden hat, mit dem die Person regelmäßig reden kann, dann kann das diese Person sogar ein wenig fit halten.

Ich finde schon, dass sie es richtig macht und selber mache ich das auch so. Auch wenn die Personen nicht mehr alles mitbekommen, einen vielleicht auch nicht immer erkennen, merken sie doch das man liebevoll mit ihnen umgeht und man selber erkennt auch, was passiert und kann dann im Todesfall vielleicht auch besser damit fertig werden, dass die Person verstorben ist. Ich denke, dass man auch zu solchen Zeiten noch Besuche machen sollte, wenn man es erträgt, aushalten kann und es einem vielleicht auch gut tut.

Demenz ist ja auch nicht jeden Tag gleich. Man weiß nie, wann derjenige einen guten Tag hat, seine Enkelin erkennt, sich über ihren Besuch freut und ihn auch länger in Erinnerung behält. Vor allem kurze Zeit vor ihrem Tod sollen Demenzkranke oft noch mal richtig wache Momente haben.

Und auch wenn der Demente sagt, er würde vernachlässigt werden, keiner würde ihn besuchen und solche Dinge. Vielleicht spüren sie tief drinnen trotzdem, dass sie nicht allein sind. Sie werden ja oft mit Kinder verglichen. Ich habe praktisch gar keine Erinnerungen an meine Kindheit, aber ich habe ein positives Grundgefühl. Ich weiß, dass ich nicht etwa missbraucht wurde und daher alles verdrängt habe. Ich hatte eine ganz normal schöne Kindheit, kann mich aber nicht an Einzelheiten erinnern. Wenn es Demenzkranken ähnlich geht, lohnt sich jeder Besuch.

Zudem geht es, so fies das vielleicht klingt, um das eigene Gewissen. Wenn der Großvater dann bald stirbt, kann man entweder an seinem Grad stehen und bereuen, sich nicht mehr um ihn gekümmert zu haben. Man weiß ja dann gar nicht, ob er sich nicht vielleicht doch mal gefreut hätte. Oder man ist beruhigt, weil man sein Möglichstes getan hat. Man bereut immer mehr, etwas nicht getan zu haben. Da denkt niemand an die verschwendete Zeit.

Ich würde zumindest näheren Verwandten öfters Besuche machen und ich würde mir auch wünschen, dass meine Verwandten sich so um mich kümmern würden. Ein Nachbar von mir hat Alzheimer und ich habe gesehen, dass er sein Leben lang hart gearbeitet hat, um seine Frau und seinen beiden Kindern alles zu ermöglichen und wenn ich ihm etwas helfen kann, dann mache ich dies gerne.

Ich habe damit durchaus meine Probleme, wenn jemand geistig abwesend ist. Ich habe das vor Kurzem mitbekommen und kann damit nur schwer umgehen. Ich bin dennoch gegangen, weil ich mir niemals verziehen hätte, nicht zu gehen. Drei Tage später verstarb die Person auch, was mir wirklich weh tat. Doch mein Besuch die drei Tage zuvor, hat sie kaum noch wirklich mitbekommen, außer mit einem Tschüss und Küsschen entsprechend gewertet. Ganz weg war sie offenbar nicht, aber auch nicht ganz da.

Das Bild habe ich hingegen immer vor Augen. Mein Freund konnte das nicht mehr und ich bin da gewesen, um ihm den Zustand zu berichten. Denn er hing sehr an diese Person und hat jeden Tag gelitten. Das macht ihm schwer zu schaffen, aber er wollte das Bild seiner geliebten Tante besser in Erinnerung halten, als das was dort zu sehen war. Auch irgendwie verständlich oder? Ich war da und konnte ihm daher sagen, wie der Zustand ist und ob er es schaffen würde, dadrüber hinweg zu sehen oder sich am Ende wirklich noch mehr quält, als er es immer noch tut.

Es war schwer, sie da so zu sehen. Sie wirkte so abwesend, nicht ansprechbar, starrte teilweise uns an, als wenn man in leere Augen sieht. Wenn das mein Freund jetzt noch mitbekommen hätte, oh man dann hätte er noch mehr Alpträume als sowieso schon. Das war besser für ihn. Auch ich hätte mir das gerne erspart, aber ich wollte einfach noch einmal kurz da sein, um zeigen, dass wir die Person lieben oder lieb haben und falls sie es irgendwie doch realisiert.

Man hatte einmal sogar das Gefühl, dass sie starrt und dann anfangen würde zu weinen, als wenn sie gewusst hätte, es geht zu Ende. Bohr Hilfe. Der Gedanke, dass mein Freund das noch gesehen hätte, macht mir Angst. Der wäre darüber nicht mehr hinweggekommen. Er ist so schwer getroffen, dass er die Straße, wo sie lebte meidet. Er kann an dem Haus nicht einmal mehr vorbeigehen ohne, dass er sich am liebsten übergeben würde.