Wieso werden Waldorfschüler diskriminiert?

Ich glaube seit ich denken kann, ist in meinem Umfeld beim Wort "Waldorfschule" die Rede von einer Beleidigung oder einer Schule für Behinderte. Eigentlich immer. Fachwissen hat jedoch niemand, sondern scheint es immer nur um Gerüchte zu gehen, die man hört. Oder man mutmaßt sich diese Ansicht an, weil vielleicht wirklich einige Menschen von den Schulen etwas Probleme im Gedankengang haben, ich weiß es aber nicht.

Bei uns wurde Waldorfschüler absolut als Beleidigung aufgefasst. Wenn jemand dumm ist, kam die Antwort "gehst Du auf die Waldorfschule?". Doch auch wenn jemand etwas gehandicapt wirkt wurde gesagt, dass ist bestimmt einer von der Waldorfschule. Die klatschen da ihre Namen usw.

Jetzt wo ich älter bin, bin ich irgendwie auch empört darüber, wie gemein wir als Kinder waren. Wenn nun jemand wirklich gehandicapt ist, dann macht man sich darüber natürlich nicht lustig oder nimmt es als Gegenstand andere mit der Bezeichnung "Waldorfschüler" zu beleidigen. Doch wir haben es früher getan. Heute würde mir das niemals über die Lippen kommen.

Doch trotzdem frage ich mich, wieso Waldorfschüler diskriminiert werden, ausgelacht und teilweise verspottet? Wo ist das Problem der Leute, was ist mit den Mädels und Jungen dieser Schulen anders? Ich habe wirklich nichts über Waldorfschüler negatives berichten können. Ich habe mal im TV das mit dem Namen tanzen von einer Waldorfschülerin gesehen, aber deswegen jemanden diskriminieren?

Wisst ihr, wo das Problem der vielen Leute ist, wenn es um Waldorfschulen und deren Schüler geht? Wieso sind sie Gegenstand vieler verbalen Attacken, Belustigungen & Co?

Gerade Kinder und Jugendliche haben doch Spaß daran, andere zu diskriminieren, zu beleidigen, und sich selber als groß und toll hinzustellen. Wenn man nicht als "schwul" oder "behindert" (in der Regel synonym gebraucht) bezeichnet wird, dann muss eben die Figur, der Vorname, der Beruf des Vaters oder der Mutter, die Zahl der Geschwister, die Augenfarbe, der ethnische Hintergrund oder die Zahnspange herhalten. Frag mich eher, weswegen man nicht gemobbt und diskriminiert werden kann.

Da also jede tatsächliche oder vermeintliche "Andersartigkeit" als Ursache für Diskriminierungen hergenommen werden kann, ist es auch nicht so weit her geholt, dass man SchülerInnen einer alternativen Privatschule deswegen verhöhnt. Davon abgesehen hat wohl tatsächlich kaum jemand eine konkrete Vorstellung davon, wie es an einer Waldorfschule zugeht, aber jeder hat schon Gerüchte gehört, dass es da sehr ganzheitlich und esoterisch zugeht, und sehr viel gefühlt und künstlerisch ausgedrückt wird.

Während in Regelschulen oft knallharter Leistungsdruck herrscht, gibt es in Waldorfschulen, wenn sie sich an die Regeln halten, weder Lehrbücher noch Noten noch Sitzenbleiben, und künstlerische und emotionale Begabungen zählen genauso viel wie Mathe und Deutsch. Überhaupt wird viel gebastelt und anscheinend immer total einfühlsam auf die Befindlichkeiten und Entwicklungsstufen der Schüler eingegangen.

Es ist also in meinen Augen nachvollziehbar, dass die Waldorfpädagogik nach der Ansicht vieler weltfremde Kuschelpädagogik darstellt, und die Absolventen erst einmal eine steile Lernkurve zu bewältigen haben, wenn sie in der Lehre oder im Studium nicht mehr einfühlsam begleitet werden, sondern Leistung bringen müssen, auch wenn sie sich gerade nicht fühlen.

Und entsprechend entstehen dann eben die Klischees von Waldorfschülern als empfindsamen Schöngeistern und bastelnden Weicheiern, welche in unserer auf Leistung und Konkurrenz gepolten Gesellschaft nicht ernst genommen werden. Vermutlich spielt auch der Neid eine Rolle, aber ehrlich gesagt wundert es mich nicht, dass Waldorfschüler zumindest in ihrer Altersklasse belächelt, wenn nicht gar diskriminiert werden.

Ich denke, dass jeder, der auch nur ein bisschen von dem was der Jugendliche so kennt, ausgegrenzt und beleidigt wird. Waldorfschulen scheinen immer noch einen besonderen Stellenwert zu haben und viel weiß man über solche Schulen tatsächlich nicht, wenn man Schüler einer "normalen" Schule ist.

Wenn man dann noch hört, dass dort der eigene Name getanzt wird und so weiter, was ja scherzhaft immer in irgendwelchen Comedieprogrammen zu finden ist, dann ist das natürlich sehr weit weg von einer "normalen" Schule, die man so kennt.

Dennoch finde ich das Konzept an sich nicht so schlecht. Wobei die Kinder eben sehr von dem Druck erlöst werden und auch künstlerisch gut gefördert werden, aber ich denke, dass der Druck dann nach so einer Schule extrem hoch ist und vielleicht auch weniger leicht zu packen ist.

Den Zusammenhang zwischen Behinderung und Waldorfschule muss man mir mal erklären. Ich hatte früher auch Vorurteile gegenüber der Waldorfschule, aber die musste ich dann revidieren. Der Bruder meiner Lebensgefährtin ist Lehrer an einer Waldorfschule und ich habe mich sehr oft mit ihm unterhalten und war auch bei sehr vielen Events an seiner Schule.

Ich hatte früher nur Vorurteile im Kopf und heute bin ich absolut von dem Konzept begeistert. Wenn ich nochmal zur Schule gehen dürfte, dann würde ich mir eine Waldorfschule aussuchen. Die Sache mit dem eigenen Namen, der getanzt wird ist eher ein Klischee, welches so nicht stimmt. Es geht da um die sogenannte Eurhythmie, bei der Gedichte gelesen und zeitgleich mit einer Art Ausdruckstanz untermalt werden. Man kann auf der Waldorfschule ganz normal sein Abitur machen, und es ist weder leichter noch schwerer als auf einem normalen Gymnasium.

Freidenker28 hat geschrieben:Man kann auf der Waldorfschule ganz normal sein Abitur machen, und es ist weder leichter noch schwerer als auf einem normalen Gymnasium.