Sind Praktikanten ausgenutzte und billige Arbeitskräfte?

vom 18.05.2016, 22:28 Uhr

Wenn es darum geht, Geld einzusparen, sind manche Firmenchefs ja sehr einfallsreich. Sie stellen lieber Praktikanten ein, damit diese die Arbeit verrichten. Und Praktikanten muss man ja keinen Arbeitslohn bezahlen, aber man kann es, wenn man mit deren Leistung zufrieden ist.

Sind Praktikanten aber wirklich die billigen Arbeitskräfte oder können ausgebildete Arbeitskräfte hier mehr Energie in den Job stecken, auch wenn dies letztendlich teurer ist? Würdet Ihr einen Praktikanten auch einarbeiten, auch wenn er vielleicht nur 6 Wochen in Eurer Firma arbeitet?

» kowalski6 » Beiträge: 3399 » Talkpoints: 154,43 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Als ich im Studium Praktika machen musste, da habe ich nichts dafür bekommen. Insgesamt musste ich vier Monate ableisten und zwei davon war ich in einem Unternehmen zwei an der Uni. In dem Unternehmen hieß es erst, ich solle in Abteilung A sein. Dann sollte ich auf einmal in Abteilung B wechseln, was vorher gar nicht abgesprochen war.

Als dann jemand krank wurde, der bestimmte Gutachten schreibt, sollte ich das übernehmen und musste dann mehrere Wochen lang die komplette Stelle dieses Gutachters ersetzen. Ich habe also jemanden, der dort Vollzeit arbeitet als kostenloser Praktikant mehrere Wochen lang ersetzt. Das empfinde ich schon als Ausnutzen.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ist in vielen Branchen nicht gerade unüblich, da für Praktikanten auch keine Arbeitgeberleistungen bezahlt werden müssen außer einer Versicherung. Somit sind diese sehr günstig und man kann mit ihnen machen was man möchte, denn wegen der Bescheinigungen und Zeugnisse sind diese darauf angewiesen.

War in meiner Ausbildung nicht anders. Als ich diese gemacht habe, betrug diese noch 2 Jahre. Ein Jahr davon war Schule hinterher musste man noch ein Jahr als Praktikant ableisten. Die "Gehälter" waren dabei sehr unterschiedlich und reichten von nichts bis zu 800 Euro im Monat, für eine Vollzeitstelle mit 48 Stunden Wochenumfang und Rufbereitschaft.

Der Arbeitgeber hat jedes Jahr 20 solcher Anerkennungspraktikanten eingestellt, ansonsten waren in den Kreisverbänden 2-3 üblich, da eigentlich vorgeschrieben war, dass 70% der Zeit auf dem Rettungswagen verbracht werden muss. Darüber hatte sich mein Ausbildungsbetrieb hinweg gesetzt und die Praktikanten auf dem Krankenwagen verheizt, denn dort waren sie billiger als ein angestellter Rettungssanitäter oder gar ein fertiger Rettungsassistent. Das hinterher die wenigsten überhaupt genug Erfahrung im Bereich Notfallmedizin hatten, war meinem Chef wirklich egal.

Aus diesem Grund hat er auch niemanden übernommen von seinen Anerkennungspraktikanten, wenn zeitgleich eine Stelle ausgeschrieben war und man sich darauf beworben hatte, dann wurde immer jemand von extern eingestellt anstatt jemand übernommen. Der Arbeitgeber weiß ganz genau warum das so der Fall ist und auf dem Blatt Papier wurden natürlich auch die 70% auf dem Rettungswagen bescheinigt, damit man eine Zulassung zum Abschlussgespräch bekommt und hinterher seine Urkunde beantragen kann.

Heute nicht anders, heute sitzen die Praktikanten bei uns im Lager oder in der Telefonzentrale. Bekommen dafür kein Geld, sitzen dort 8-10 Stunden am Tag und machen die gleichen Aufgaben wie die zwei einzigen Mitarbeiter die dafür bezahlt werden und das ganze "leiten" sollen. Das Team umfasst eine Personalstärke von 12 Leuten, alleine an Telefonisten.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Nicht jeder Praktikant kann heute noch für 0 Euro oder einen Hungerlohn eingestellt werden, denn auch viele 2Praktikanten" fallen darunter und haben Anspruch darauf, allerdings gibt es da leider immer noch Lücken, so das es immer noch Praktikanten gibt die kein oder nur sehr wenig Geld bekommen. Ich finde hier sollte von der gesetzlichen Seite nochmal ein wenig nachgebessert werden. Grob gesagt ist fällt nämlich jeder Praktikant dessen Praktikum zu einer Ausbildung gehört nicht unter den Mindestlohn und das kann weiterhin ausgenutzt werden.

Ich nehme da jetzt einfach mal das Beispiel eines Studenten, muss er ein Praktikum ableisten, das zwingend für das Studium vorgeschrieben ist (Studienordnung etc.) dann fällt er nicht unter das Mindestlohngesetzt. Leistet er ein freiwilliges Praktikum, dann hat er Anspruch auf den Mindestlohn und wird das Praktikum gar nach dem Studium absolviert, dann hat er auch Anspruch auf den Mindestlohn. Leider ist das aber häufig immer noch günstiger als ein volles Gehalt zu zahlen und viele nehmen freiwillig immer noch Praktika an, die nicht bezahlt werden und die Firmen nutzen das natürlich immer noch gerne aus.

Bei mir in der Firma ist es zum Glück nicht so, wir haben auch immer mal wieder Praktikanten, aber wir zahlen jedem (ausgenommen 2 wöchiges Schülerpraktikum), egal ob das Praktikum für die Ausbildung vorgeschrieben ist oder nicht den Mindestlohn, so bekommt auch der Student im Pflichtpraktikum sein Geld und das finde ich auch sehr fair, denn sie leisten nach einer gewissen Einarbeitungszeit auch ihre Arbeit und unterstützen uns Angestellte und haben damit auch eine Entlohnung verdient.

» StarChild » Beiträge: 1405 » Talkpoints: 36,05 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Praktikanten werden in der Regel ausgenutzt. Oftmals sind gerade Praktikanten sehr produktive Angestellte. Sie sind in der Regel noch mitten im Studium und ihr Wissen ist frisch. Sie sehen alles sehr idealistisch und sind auch noch nicht von der Arbeitswelt abgestumpft. Junges Blut sozusagen.

Und es ist ein Unding, dass gerade diese Menschen oftmals einen Hungerlohn bekommen. Es ist ja beinahe menschenverachtend, was so manche Betriebe da treiben! Ich kenne einen jungen Mann, der Tontechnik studiert hat. Der hatte mehrere Praktika gemacht und jedes Mal musste er ein Hörspiel fertig stellen. Er bekam dafür gar nichts. Aber man hatte ihm immer einen Job in Aussicht gestellt. Das machte er mehrere Male, bekam niemals den versprochenen Job und letztendlich schmiss er dann sein Studium.

» Freidenker28 » Beiträge: 749 » Talkpoints: 1,02 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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