Bewusst falschen Eindruck von sich vermitteln wollen?

Ich mache mir keine Gedanken darüber, welchen Eindruck ich bei anderen Menschen hinterlasse, sondern gebe mich einfach so, wie ich bin. Normalerweise versuche ich auch nicht, mich zu verstellen, sondern handle und spreche ganz spontan.

Allerdings habe ich nun gehört, dass es in manchen Situationen ganz hilfreich sein soll, anderen bewusst einen falschen Eindruck von sich zu vermitteln. Gerade dann, wenn man unterschätzt wird, kann man für einen positiven Überraschungseffekt sorgen und letztendlich auch eher einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Wann versucht ihr, anderen bewusst einen falschen Eindruck von euch zu vermitteln? Gibt es tatsächlich Situationen, in denen so etwas wirklich hilfreich und auch nützlich ist?

Ja, das mache ich gelegentlich. Hin und wieder fühle ich mich sehr sensibel und ich bin auch mal nah am Wasser gebaut, das möchte ich anderen Menschen nicht immer zeigen. Auch in der Schule fühlte ich mich bei Präsentationen gar nicht wohl, aber viel lieber wollte ich meine Nervosität bändigen und das nicht zugeben. Manchmal muss man sich selbst und seine Gefühle schon einmal in Kontrolle halten, ich gebe mich manchmal also manchmal viel bedachter und ruhiger, als ich eigentlich bin.

Schlimm finde ich es nicht und ich denke auch nicht, dass ich anderen Menschen etwas vorlüge. Ich finde es einfach angenehm, wenn andere Menschen in hitzigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren und nicht gleich in Panik verfallen, in diese Richtung kann ich mich auch verändern, weil ich selbst gerne so sein will und mich auch als Person verbessern will. Natürlich bekommt man auch einen falschen Eindruck von mir, da man mich ruhiger einschätzt als ich eigentlich bin.

Ich halte die sogenannte "Authentizität" generell oft für überbewertet. Im Endeffekt heißt es nur zu häufig "Sei einfach du selbst - aber doch nicht so! Schon mit einem Lächeln! Und wie du wieder aussiehst! Dein Musikgeschmack ist auch total peinlich!". Ich bin zwar mit meiner Persönlichkeit an sich ganz zufrieden, aber oft ist mein Gebaren nicht gerade öffentlichkeitstauglich. Beispielsweise bin ich viel lieber alleine als mit irgendwelchen nervigen Leuten zusammen, aber wenn es sich dabei um meinen Chef und meine Kolleginnen handelt, muss ich wohl oder über den Eindruck erwecken, mich in ihrer Gegenwart wohl zu fühlen.

Auch bei Bewerbungsgesprächen, Familienfeiern oder Ähnlichem versuche ich oft, einen Eindruck zu vermitteln, der nicht unbedingt der Realität entspricht. Schließlich ist es unhöflich und verletzt Gefühle, wenn ich bei jeder zutreffenden Gelegenheit offen verkünde, dass ich jetzt viel lieber daheim im Bett wäre. Besonders bei Bewerbungen spiele ich mittlerweile erfolgreich die Rolle der taffen Powerfrau und Macherin, obwohl ich in Wirklichkeit eher bequem und passiv bin.

Aber damit bekommt man nicht einmal einen Nebenjob im Einzelhandel, also gebe ich mich tatkräftig. Ich finde, dass die Fähigkeit, je nach Situation unterschiedliche Rollen spielen zu können, zu einem erfolgreichen Sozialleben einfach dazugehört. Wer stur auf seine Eigenheiten pocht und sich weder anpassen noch verstellen will, schneidet sich oft genug ins eigene Fleisch.