Teilnahme an Beerdigung als überflüssig empfinden?

vom 27.12.2016, 06:05 Uhr

Der Partner meiner Freundin hat in meinen Augen die Empathiefähigkeit eines Teelöffels und hat sich gestern nicht besonders sensibel verhalten. Meine Freundin hat mitgeteilt bekommen, dass ein naher Verwandter wohl jung verstorben ist, wobei der Termin für die Beerdigung noch gar nicht fest steht. Es wurde dann gestern auch über eine Teilnahme an Beerdigung und Trauerfeier diskutiert.

Meine Freundin würde schon sehr gerne zur Beerdigung fahren und an der Trauerfeier teilnehmen und sie hätte gerne, dass ihr Partner eben mitkommt. Er empfindet so etwas aber als komplett überflüssig und unnötig und als reinste Zeitverschwendung und das hat er ihr auch so gesagt. Mich hat sein Verhalten selbst total irritiert und wenn ich es nicht selbst miterlebt hätte, hätte ich mir das auch gar nicht vorstellen können.

Er ist der Meinung, dass der Verstorbene durch die Teilnahme an Beerdigung und Trauerfeier ja gar nicht mehr lebendig wird. Der Tod würde sich nicht ändern lassen und die Witwe braucht in seinen Augen eigentlich nur finanzielle Unterstützung, damit sie die Kosten der Beerdigung tragen kann. Daher wäre das Thema für ihn erledigt, wenn man die Witwe im Prinzip komplett im Stich lässt (meiner Meinung nach) und ihr einfach Geld zuschickt, damit sie nicht verarmt und fertig. Ich finde das ziemlich unsensibel und offensichtlich hat er nicht verstanden, wie wichtig so eine Teilnahme bei der Trauerbewältigung sein kann, je nach Charapter. Empfindet ihr die Teilnahme an einer Beerdigung auch als überflüssig? Wie hättet ihr da auf den Partner meiner Freundin reagiert?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich finde das Verhalten des Partners deiner Freundin unter aller Kanone. Immerhin hat deine Freundin einen geliebten Menschen verloren und aus seinem Verhalten strotzt der pure Egoismus. Natürlich sind Beerdigungen nicht schön, aber er sollte doch in erster Linie seine Freundin unterstützen und ihr eine Hilfe sein. Einfach für sie da sein.

Ich finde es schon wirklich sehr kaltherzig, wenn man eine Beerdigung als überflüssig ansieht. So etwas habe ich auch noch nicht erlebt oder gehört. Das scheint ja schon wirklich sehr berechnend zu sein und anscheinend hat der Mann kein bisschen Einfühlungsvermögen. Ich glaube, dass ich da als Freundin die Beziehung wirklich überdenken würde. Ich wäre sehr verletzt, wenn man mich in meiner Trauer so alleine lassen und hängen lassen würde.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Es kann schon sein, dass er ein empathieloser Egoist ist, dem die Gefühle der Freundin egal sind. Das müsste sich dann aber auch in vielen anderen Situationen im Alltag bemerkbar machen. Dann wäre die Beziehung rundweg miserabel und sie sollte schon lange über eine Trennung nachdenken.

Wenn das nicht der Fall ist, würde ich eher sagen, dass der junge Mann Angst hat. Angst davor, sich auf der Beerdigung falsch zu verhalten. Wahrscheinlich würde ihm das schnell zu viel werden, mit so vielen Menschen aufeinanderzutreffen, die alle gerade tieftraurig sind. Da kann man kein Small Talk über´s Wetter machen, da kann man keine Witze reißen. Das ist eine ganz unalltägliche Situation und da kann man nicht seine üblichen Strategien verwenden.

Die Freundin muss doch einschätzen können, ob ihr Partner ein ungehobelter Klotz ist oder ob er sich gerade untypisch verhält, weil er mit der Situation nicht klarkommt. Und je nachdem würde ich ihn für ein paar Tage nicht sehen wollen und über eine Trennung nachdenken oder auf ihn eingehen. Ihm sagen, dass er sich daneben benimmt. Dass er für sie da sein soll. Dass er selbst nicht traurig sein muss, aber Rücksicht auf sie nehmen soll. Ihm einfach bisschen den Weg zeigen, weil er ihn gerade offensichtlich nicht sieht.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich finde, dass er zumindest seiner Freundin besser beistehen müsste. Seine eigene Einstellung sollte er beiseite stellen, wenn sie seine Hilfe braucht und emotionale Unterstützung erfahren möchte. Ich kann schon nachvollziehen, wie er denkt, aber dennoch sollte er seiner Freundin beistehen. Für den Toten macht man das nur aus einem Gefühl des Respektes heraus. Der Freund verhält sich dennoch unter aller Sau zu seiner Freundin.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Teilweise kann ich nachvollziehen, was der Partner deiner Freundin sagt. Es kommt immer darauf an, wie eng das Verhältnis war zwischen deiner Freundin und dem Verstorbenen und warum deine Freundin zur Beerdigung will. Will sie dahin gehen, weil es Verwandtschaft ist und der Mensch eben jung verstorben ist oder weil sie eine enge Bindung zu diesem Menschen hatte und selber trauert. Wenn sie nicht selber trauert und auch zu der Witwe nicht so ein enges Verhältnis hat, dann kann ich schon nachvollziehen, warum der Partner so redet.

Ich kenne genügend Leute, die einfach nur der Leute wegen zur Beerdigung gehen. Das habe ich bei meiner Schwiegermutter gesehen. Jahrelang, ja sogar Jahrzehnte lang hat entfernte Verwandtschaft nichts von meiner Schwiegermutter gewollt und ist nicht mal zu Geburtstagen gekommen oder haben angerufen. Meine Schwiegermutter war bis ein Jahr vor ihrem Tod noch in ihrer Geburtsstadt im Osten und die Verwandten, die sie hatte, waren teilweise schon lange im Westen und hatten wohl Angst, dass sie auch nachkommen will und haben sich nicht mehr blicken lassen. Aber zur Beerdigung waren alle auf einmal da und taten so, als ob sie trauern. Das finde ich einfach fürchterlich und kann dann auch nicht nachvollziehen, warum sie da waren und empfand ihre Anwesenheit auch als überflüssig. Vor allem, weil sie ohne ein Wort zu sagen dann auch wieder weg waren.

Ein Besuch zu Lebzeiten finde ich da sehr viel besser und eigentlich hat der Partner deiner Freundin recht. Was hat der Tote noch davon und was hat die Witwe davon, wenn auf einmal zig Leute zur Beerdigung kommen, die sich sonst nicht haben sehen lassen? Die Witwe wird vor Trauer auch nicht mitbekommen, wer alles da ist. Mir wurde bei meiner Schwiegermutter auch nur erzählt, wer alles da war. Ich war viel zu sehr mit meiner Trauer beschäftigt.

Ich empfinde die Teilnahme an Beerdigungen nur dann sinnvoll, wenn man selber trauert und wenn man auch ein Verhältnis zu diesem Menschen hatte. Ansonsten halte ich eine Teilnahme an einer Beerdigung auch für überflüssig und manchmal sogar als Heuchelei, wenn man nie Kontakt mit dem Toten hatte und dann auf einmal auf der Matte steht und ich bin bestimmt ein Mensch, der auch Gefühle hat und diese auch zeigt.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Ich kann das Verhalten auch teilweise nachvollziehen. Wenn der Kontakt und die Bindung nicht so eng war und der Verwandte der Freundin nur jemand fremdes war, dann würde ich es auch als überflüssig ansehen wenn ich mit meiner Anwesenheit dort aufschlagen würde. Da finde ich es mehr geheuchelt, wenn man auf dem Friedhof den trauernden Gast gibt wenn es einem komplett egal ist und man den Menschen noch nicht einmal kannte, mit Respekt erweisen hat das gar nichts zu tun.

Aber auch die Freundin ist wohl die aus dem anderen Thread, die ihrem Partner die Pistole auf die Brust gesetzt hat und ihn dazu zwingen wollte um jeden Preis mit zu gehen damit sie jemanden hat zum Händchen halten. Es gibt Dinge, die muss man auch alleine machen ohne seinen Partner und das auch akzeptieren und respektieren, wenn jemand keinen Bezug zu der Person hatte und eben nicht mit möchte und das dann als überflüssig deklariert. So wie sie sich verhalten hat, hätte ich ebenfalls genau diese Antwort geliefert mit der überflüssigen Maßnahme.

Aber mal am Rande, manche besuchen eine Beerdigung auch nur um zu sehen ob die Person auch wirklich tot ist. Ist das Respektvoller wenn man sich nur vergewissern möchte, dass auch die richtige unbeliebte Person im Sarg liegt und auch alles schon fest zugeschüttet wird, damit diese auch nicht mehr heraus kommen könnte? Ich denke mal nicht und wenn man die Motivationsgründe mal ansieht warum jemand dort aufschlägt, sind nicht alle ehrbarer Natur, um den Angehörigen Trost zu spenden oder zum Händchen halten, auch wenn einige sich das darunter wohl vorstellen.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Ich halte den Besuch von Beerdigungen auch für hochgradig sinnlos und hätte auch keinen großen Nerv, mich mit der Trauer anderer Leute auf einer solchen Veranstaltung und danach zu belasten. Und ich finde auch nicht, dass man zwangsläufig zum Händchenhalten als Begleitung mit auf eine Beerdigung gehen muss.

Im Prinzip hat er doch Recht. Wenn eine Person tot ist, muss man damit eben leben. Dann am Grab zu stehen und darüber zu sinnieren, welch großer Verlust dieser absolut tollen Person ihr Tod doch ist, bringt sie auch nicht zurück. Dieses Getue mag den wirklich Trauernden in dem Moment wichtig erscheinen und ihnen zu helfen, aber umso richtiger finde ich es, dann fernzubleiben, wenn man nur heuchlerisch daneben stehen und genervt sein würde.

Wenn die Partnerin trauert und zur Beerdigung möchte, ist das ja ihr gutes Recht. Und vielleicht würde ich sie auch hinbringen und wieder abholen, aber damit muss es dann auch gut sein. Ihre Trauer ist zu respektieren und man sollte sie in schweren Zeiten auch unterstützen, aber doch nicht auf Kosten eigener Bedürfnisse und Einstellungen.

Lediglich unsensibel an der ganzen Geschichte finde ich die Art und Weise, wie er ihren Wunsch abgelehnt hat. Das kann man auch weniger brutal und trotzdem verständlich formulieren.

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» CCB86 » Beiträge: 2025 » Talkpoints: 2,88 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



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