Katastrophen zur Unterhaltung moralisch vertretbar?

vom 19.04.2015, 14:28 Uhr

Vor kurzem habe ich im Fernsehen eine Sendung gesehen die 10 größte Katastrophen oder sowas in der Art zeigen sollte. Dort wurden dann alle möglichen Unglücke detailliert gezeigt. Darunter waren Unglücke wie beispielsweise die Hindenburg was ja nun schon einige Jahre zurück liegt, aber eben auch die Entgleisung eines ICE vor einigen Jahren hier in Deutschland und einige Grubenunglücke wo Bergarbeiter umgekommen sind nachdem sie tagelang unter der Erde fest saßen.

Natürlich wurde das ganze Programm sehr detailliert und spannend beschrieben und man konnte sich das mit großem Interesse anschauen. Ich selbst aber musste immer daran denken, wie das wohl für die Menschen ist, die daran teilgenommen haben oder dort Menschen verloren haben. Sie schauen sich dann eine Sendung an, wo das Unglück bei dem ein geliebter Verwandter von ihnen umgekommen ist als Entertainment für andere Menschen dient.

Natürlich werden auch die Menschen die sich das anschauen etwas betroffen und schockiert sein, besonders wenn Opfer selbst oder Helfer aussagen, wie furchtbar es an dem Unglücksort ausgesehen hat, aber für jemanden der dort eine Person verloren hat ist das doch eine ganz andere Dimension. Und da frage ich mich, ob es sinnvoll ist solche Unglücke als Entertainment zu nutzen oder ob es da nicht vielleicht bessere Alternativen geben könnte.

Findet ihr es in Ordnung wenn man Sendungen aus Unglücken zusammenstellt und diese dann noch nach ihrer vermeintlichen Ungeheuerlichkeit einstuft in dem man sie von Platz eins bis zehn platziert? Wie würdet ihr euch fühlen, wenn man so eine Sendung auch mit einem Unglück machen würde, was ihr selbst erlebt habt oder wo eine Person aus eurer Familie oder so umgekommen ist? Findet ihr das sinnvoll oder sind das eurer Meinung nach auch Sendungen, die man getrost weglassen kann?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Also so ein Unglücksranking finde ich schon geschmacklos, aber generell finde ich es nicht verwerflich eine Dokumentation solcher Katastrophen herzustellen und über das TV zu verbreiten. Es muss sich das ja nicht jeder ansehen.

Wenn ich deinem Gedankengang folge, dürfte man auch keine Filme über die Zeit des Nationalsozialismus zeigen. Dabei muss ich einräumen, dass ich den TV-Beitrag nicht gesehen habe und daher nicht weiß, wie reißerisch das Ganze präsentiert wurde.

» Wundertüte » Beiträge: 193 » Talkpoints: 0,16 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich denke, dass es immer darauf ankommt, wie die Sendung eben gemacht wurde. Wenn es da rein um Sensationsgeilheit geht, finde ich es auch wirklich daneben. Aber als Informationssendung und zur Aufklärung was wann eben passiert ist, finde ich das schon in Ordnung.

Aber ich finde es schon Geschmacklos, wenn man in so einer Sendung entscheidet, welche Unglücke denn am schlimmsten waren und darauf eine Art Wettbewerb macht. Das würde ich mich dann auch wohl eher nicht ansehen. Meine Gedanken sind bei solchen Katastrophen auch immer bei den Menschen, die da betroffen waren. Eben bei den Verunglückten und auch bei den Angehörigen.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Was soll denn daran Geschmacklos sein? Das ganze sind nüchterne Informationen und niemand zeigt dabei die blutenden Einzelteile der Verletzten mitsamt deren Gesichtern und wühlt am besten noch nebenbei mit den Händen in deren Gedärmen herum. Das wäre Geschmacklos, findet man aber auf Youtube genug, auch Videos wie Einsatzkräfte am eigentlichen Tag des Einsatzes behindert und angegangen werden. Das ist moralisch nicht vertretbar, aber nüchtern darüber zu informieren und berichten jedenfalls nicht.

Das ist nichts anderes, als ein Zuschnitt aus den Nachrichten die dann noch erneut kommentiert werden warum man sie nun als schlimmstes Ereignis wahrgenommen hat, entweder aufgrund der Anzahl der Verletzten und Toten, oder das die Bergung im Anschluss entsprechend aufwendig war und man neue Techniken und Strategien zum Einsatz bringen musste.

Warum sollte es nicht legitim sein, ein Ereignis als besonders schlimm einzuschätzen auf einen Platz 1 zu setzen wenn dabei tausend Menschen gestorben sind und es tausend weitere Verletzte gab. Da ist ein "kleiner" Unfall mit "nur" 10 Toten und 5 Verletzen eine ganz andere Hausnummer. Zum einen von den ganzen Geschichten jedes einzelnen Patienten, wie auch für die Einsatzkräfte selbst. Denn es macht schon einen unterschied ob man das im normalen Rahmen sieht, 10 Tote sind durchaus normal oder ob man auf einen Schlag mit 1000 Toten konfrontiert ist und mitten drinnen steht. Wird ganz anders wahrgenommen und es greifen auch andere Strategien zur Bewältigung.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Ich würde spontan bezweifeln, dass eine Sendung mit dem Titel "Die 10 größten Katastrophen des Jahres" oder ähnlich Wert auf nüchterne und sachliche Berichterstattung legt. So ein bisschen sensationsgeil und blutrünstig muss man die Sache schon aufmachen, damit die Leute auch zuschauen. Nüchtern und sachlich wäre eine Statistik in Tabellenform, aber damit kann man schlecht die Lücken zwischen den Werbeblöcken füllen. Da braucht man schon mindestens ein paar Interviews mit Betroffenen und Helfern, die mit Tränen in den Augen ihre Erlebnisse schildern.

Mein Geschmack sind diese Sendungen schon deshalb nicht, weil offensichtlich mit dem Leid anderer Menschen Quote gemacht wird. Man stelle sich vor, dass da jemand vielleicht 12 Stunden lang Leichenteile geborgen hat, und dann auf dem Weg in den Feierabend ein Mikrofon unter die Nase gehalten bekommt: "Das Zugunglück hat mindestens 83 Tote gefordert, und die Aufräumarbeiten dauern wohl noch die ganze Nacht. Wie geht es ihnen als THW-Mitglied dabei? :mrgreen: " Dreimal dürfen Sie raten, Herr RTL2-Reporter.

Wenn ich fernsehe, möchte ich unterhalten werden oder etwas dazu lernen. Verstörte Gesichter und brennende Trümmer bewirken bei mir weder das eine noch das andere. Ob es moralisch vertretbar ist, interessiert die Medien doch meiner Meinung nach schon lange nicht mehr. Hier geht es um Einschaltquoten, und sonst gar nichts. Ich finde es auch ziemlich heuchlerisch, sich einerseits den ganzen Schmonz reinzuziehen und sich andererseits darüber zu beklagen, dass die Medien keinerlei moralische Standards mehr haben. Würde sich niemand mehr am Leiden anderer ergötzen, wäre die Berichterstattung eine ganz andere, und es würde auch niemand mehr versuchen, eine Show mit Ranking daraus zu machen.

» Gerbera » Beiträge: 11315 » Talkpoints: 48,61 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Als ich erst die Überschrift und dann den Text dazu gelesen habe, kam mir auch der Gedanke, dass das ja schon etwas skurril ist, so eine Sendung ganz zu sehen und sich dann darüber moralisch zu echauffieren. Denn offensichtlich hat die Erstellerin des Threads ja zumindest weite Teile des Formats gesehen, sonst könnte sie jetzt nicht so ausführlich darüber berichten. Das ist dann schon etwas widersprüchlich.

Ich gucke auch gern einmal im Halbjahr eine Trash-Sendung und meide das Fernsehen ansonsten weitgehend, nur mein Freund schaltet den Apparat dann manchmal an. Bei so einem Format würde ich aber auf Umschalten plädieren und nicht nur, weil es mein moralischer Kompass erforderte, sondern weil ich für mich keinen Sinn darin sehe, anderer Leute Unglücke anzugucken. Es gibt schon in den Nachrichten und im echten Leben für meinen Geschmack zuviel Elend.

Für manch einen ist diese Lust an der Sensation, am Unglück anderer aber sicher eine Form von Ventil und das meine ich jetzt überhaupt nicht zynisch oder dergleichen. Das Unglück eines anderen kann beruhigend wirken, wenn man es aus sicherer Entfernung und mit dem wohligen Gefühl sieht, nicht selbst dieser Mensch zu sein, dem gerade eine Katastrophe widerfahren ist. Hört sich makaber an, aber so etwas kann Leute sogar trösten. Sicher gibt es dann auch noch jene, die sich daran ergötzen, weil es so spektakulär ist. So oder so, es gibt eben einen Markt dafür, egal wie man dazu moralisch stehen mag.

» Verbena » Beiträge: 4921 » Talkpoints: 0,32 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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