Sich nach Jahrgangstreffen durch Vergleiche schlecht fühlen?
Kürzlich hatte ich ein Jahrgangstreffen meines alten Abiturjahrgangs. Dabei wurde ich von einigen ehemaligen Schulkameraden positiv überrascht, dass diese doch mehr "durchgestartet" waren, als ich es ihnen zugetraut hatte. Einige, die ich eigentlich für Schnarchnasen gehalten hatte, waren auch zeitweise mit Erasmus und ähnlichem ins Ausland gegangen.
Irgendwie habe ich mich danach niedergeschlagen gefühlt wegen der vielen Vergleiche, die man im Kopf ja selbst anstellt. Dabei kann ich über meinen Lebenslauf gar nicht klagen, doch trotzdem kommen einem immer fiese Gedanken wie "du hättest auch in eine exotischere Stadt ziehen können" oder "Wieso hast du kein Auslandspraktikum gemacht?".
Kennt ihr dieses Gefühl? Oder lasst ihr euch von Erfolgsgeschichten ehemaliger Schulfreunde nicht niederschlagen? Oder habt ihr im Gegenteil das Gefühl, ohnehin viel erfolgreicher als eure Mitschüler zu sein?
Ich war einmal bei einem Jahrgangstreffen, welches sich für mich als einer der schönsten Tage meines Lebens erwies. Es war unser 20-Jähriges Jubiläum. Ich war in der Schule eher der Mitläufertyp, sehr schmal und ohne jegliches Selbstbewusstsein. Ich war immer der Meinung, dass ich nicht gut aussehen würde und keinen Schlag bei den Mädchen hätte. Das lag eindeutig an meinen Minderwertigkeitskomplexen. Als ich mein Abitur gemacht hatte, zog ich aus meiner Geburtsstadt weg und sah auch Niemanden aus meiner Jahrgangsstufe wieder.
In den folgenden Jahren veränderte ich mich gewaltig. Sowohl äußerlich als auch vom Selbstbewusstsein her. Das lag zum einen daran, dass ich nun sehr intensiv Bodybuilding betrieb, und zum anderen, dass ich ein ganz neues Leben begonnen hatte mit ganz neuen Freunden und Bekannten. Ich fing also bei Null wieder an, eine Art Reboot wenn man so will. Früher war ich absolut unsportlich und jetzt sah ich aus wie ein Leistungssportler und hatte keinerlei Probleme damit, auf Menschen zuzugehen.
Nun stand das Stufentreffen an, und ich hatte Angst, dass ich wieder in meine alte Rolle zurückfallen würde. Ich hatte wirklich Angst davor, mit meiner Vergangenheit konfrontiert zu werden. Aber es lief ganz anders, als ich befürchtet hatte. Zunächst erkannte mich Niemand. Und ich war erstaunt, dass gerade die Männer sich sehr hatten gehen lassen. Dicke Bäuche sah ich im Übermaß. Und Niemand wollte glauben, dass ich derjenige war, der damals so unscheinbar war. Für mich war es ein Glücksmoment ohnegleichen.
Ich bin der Ansicht, wenn man psychisch gesund und gefestigt ist, dann hat man doch gar keinen Grund, sich schlecht zu fühlen, nur weil andere angeblich mehr erreicht haben. Wozu? Es kommt selten vor, dass ich mal neidisch bin und bin der Ansicht, dass man sein Leben selbst in der Hand hat und alles selbst erreichen kann, wenn man es denn möchte und sich auch genug bemüht. Wenn der direkte Weg nicht möglich ist, dann nehme ich eben die Umleitung und komme trotzdem an mein Ziel.
Warum sollte ich dann also neidisch sein und mich schlecht fühlen, weil andere frühere Klassenkameraden angeblich besser aussehen oder mehr erreicht haben? Wenn man psychisch gefestigt und gesund ist, dann steht man drüber und macht sich keine Gedanken über solche Bagatellen und dann fühlt man sich auch nicht wegen irgendwelcher Vergleiche besser oder schlechter als andere.
Es hieß von meiner ehemaligen Klasse auch mal, dass ein Treffen geben sollte und dies in Planung sei. Allerdings muss ich auch sagen, dass ich nicht gerade besonders erfreut war. Ich weiß auch nicht, ob ich wirklich hingegangen wäre, wenn es denn statt gefunden hätte, was es allerdings nie hat.
Ich muss sagen, dass mir viele Fragen über mein Privatleben doch eher unangenehm gewesen wären und ich mich auch gar nicht mit anderen messen wollen würde, wer nun was geleistet oder erlebt hat. Daher kann ich schon verstehen, dass man sich da manchmal Gedanken macht. Aber ich denke, dass dies ganz natürlich ist und es den anderen ehemaligen Klassenkameraden vielleicht genauso geht und sie sich fragen, was sie vielleicht doch hätten noch anders machen können.
Ich kenne diese Treffen ebenfalls und finde es immer reichlich amüsant, wie manche sich davon herunter ziehen lassen und dann noch neidisch werden wenn andere mehr erreicht haben als man selbst oder auch andere Dinge vorweisen können, die man nicht hat. Nicht jeder hat ein Jahr im Ausland verbracht der das auch behauptet, dazu habe ich in meinem Jahrgang einige Lügner gehabt die sich ins bessere Licht rücken wollten und in Wahrheit nichts geschafft hatten, Zuhause saßen mit Kind und ohne Ausbildung. Aber angeblich habe man inzwischen studiert und arbeite bei dieser und jenen Firma. Einfache Recherche im Internet hat etwas anderes belegt und diese Damen waren peinlich berührt.
Positiv überrascht war ich eigentlich nur von zwei. Eine war mit 17 bereits schwanger, hat ihre Ausbildungsstelle nicht antreten können zur Kinderkrankenschwester und ist dann von der Oberfläche für mich verschwunden. 10 Jahre später, hat sie bereits zwei Kinder, Ausbildung nachgeholt, Studium angefangen und arbeitet in dem gewünschten Beruf und hat sich doch sehr gemausert. Da hätte ich erwartet, dass es die typische Gebärmaschine wird die niemals in ihrem Leben arbeitet und das auf die Reihe bekommt.
Ein anderer war einfach nur high den ganzen Tag. Egal wann man ihn gesehen hat, er hat entweder was eingeworfen, geraucht oder sonstiges. Auch dieser hat sein Leben in den Griff bekommen, hat eine Ausbildung in der Bank gemacht und ist auf dem besten Wege zum Filialleiter gewesen. Auch den hab ich in seinem Anzug und mit seinem komplett anderen Verhalten erst gar nicht erkannt und musste mich mehrmals fragen, wer das denn ist. Bis ich darauf gekommen bin, dass das der Kiffer von damals war der immer nur breit war und mit dem nichts anzufangen war, mit schlechten Noten und Abwesenheit geglänzt hat.
Ich habe zwar nicht alles das was ich damals wollte, aber bin dennoch erfolgreich. Ich habe meine Ausbildung gemacht, habe in diesem Job gearbeitet, studiert und arbeite nun in etwas anderem. Verdiene gutes Geld, mein Job macht mir Spaß, ich habe ein tolles Kind, bin glücklicher Single und meine Träume die ich so habe realisiere ich in verschiedenen Geschäftszweigen meiner Firma. Darüber hinaus besitze ich mehrere Immobilien, bewohne mein Eigenheim und was will ich mehr?
Mich hätte es auch schlechter treffen können aber für so alberne Dinge wie ein Jahr im Ausland wohnen würde ich nichts von dem was ich erlebt habe in meinem Leben eintauschen wollen. Das gehört zu mir, habe ich akzeptiert und es ist doch nie zu spät, wenn man auch später noch solche Dinge in Angriff nimmt und meinetwegen erst mit 50 ins Ausland geht für ein Jahr. Muss doch nicht alles direkt nach der Schule sein, nur weil man dort jung ist und die Welt bereisen möchte, so gibt es auch andere Dinge die wichtig sind im Leben und manchmal auch wichtiger als das.
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