Evolution: Warum gibt es Depressionen?
Depressionen sind eine Erkrankung, die man Ernst nehmen sollte. So fühlen sich Betroffene oft antriebslos, neigen zu Selbstisolation und im Extremfall auch zu suizidalen Gedanken oder Taten. Man geht sogar so weit, Depressionen als eine Art Volkskrankheit zu bezeichnen, auch wenn diese Erkrankung oft noch stigmatisiert wird.
Ich verstehe aber nicht so ganz, warum es Depressionen aus evolutionärer Sicht überhaupt noch gibt. Wenn Depressive früher oder später zu Suizid neigen oder sogar zu antriebslos sind, um ihren Alltag zu bestreiten, sich Essen zu machen, die Kinder zu betreuen oder sogar sich zu pflegen, auf die Straße zu gehen um einzukaufen, zu arbeiten und dergleichen, dann wären diese Menschen doch eher im Nachteil. Also rein theoretisch müssten dann ja depressive Menschen im Laufe der Evolution aus selektiert worden sein, da derartige Antriebslosigkeit und das damit verbundene Desinteresse wohl kaum das eigene Überleben sichert.
Was meint ihr dazu? Warum gibt es aus evolutionärer Sicht überhaupt noch Depressionen? Sind sie nicht eher ein Nachteil? Gibt es vielleicht sogar Vorteile, die diese Erkrankung mit sich bringt? Oder ist es eher eine neue Erkrankung und die gab es früher gar nicht?
Ich muss gerade lachen, weil ich im Bekanntenkreis so einige Leute habe, die mit Depressionen kämpfen, allerdings sind die vor dieser Erkrankung bereits Eltern geworden. Da kann die Evolution nichts mehr dran machen. Ferner können Depressionen ja auch auskuriert werden und sind nicht zwangsläufig eine chronische Sache. Viele Menschen, die depressiv sind, funktionieren ja auch trotzdem irgendwie weiter und enden nicht im Selbstmord.
Ferner darf man die menschliche Intelligenz und die Gesellschaftsordnung nicht vergessen. Hier gibt es viele Mechanismen, die Menschen einfach auffangen. Wir haben uns so weit entwickelt, dass die Evolution im eigentlichen Sinne untergraben wird. Allein was die Medizin heute kann und tut, führt dazu, dass heutzutage viele Menschen lang leben und alt werden, die das früher gar nicht geschafft hätten, weil irgendeine Erkrankung dazwischen kam, die für uns heute Routine ist. Oder weil man Dinge wie eine Kaiserschnitt nicht kannte.
Das ist eine echt gute Frage! Ich würde mal sagen dass es einfach immer Schwächere in der Gesellschaft gegeben hat, das ist halt so. Aber deshalb sind Depressionen bestimmt keine Absicht der Evolution sondern einfach eine Krankheit, bei der der Stoffwechsel (der Hormone und Neurotransmitter) nicht mehr richtig funktioniert. Diese Personen können z.B. nicht so viele Glückshormone produzieren wie gesunde Menschen, können aber genauso gut auch durch Medikamente geheilt werden. Von daher denke ich dass man da genauso gut fragen könnte was z.B. Krebs oder Aids für die Evolution gebracht haben und man käme auf die gleiche Antwort: nichts. Es ist halt eine Krankheit bei der etwas nicht so läuft wie es soll.
Heutzutage ist es schon lange nicht mehr so, dass man mit einem Problem auf der Strecke bleibt und evolutionsbedingt ausselektiert wird. Ich denke, dass man einfach medikamentös und psychologisch gut aufgefangen wird, so dass man im Alltag trotzdem etwas machen kann und trotzdem ein Leben führen kann. Natürlich gibt es Suizide, aber das heißt ja auch nicht, dass man vorher nicht gelebt, kein Kind gezeugt oder sonst irgendetwas gemacht hat.
Depressiv zu sein ist nichts, was leicht ist, aber was man durchaus im Griff halten kann. Mit Medikamenten ist es einigermaßen gut machbar ohne Probleme zu leben, zumindest eine Zeit lang. Es ist ein Kampf, jeden Tag, aber man kann nur gewinnen.
Es ist eine Krankheit und Menschen, die krank sind leben trotzdem und werden auch immer leben. Natürlich würden solche Leute ohne Medikamente, wie bei vielen anderen Krankheiten wahrscheinlich der Evolution zum Opfer fallen, aber sie deswegen hat der Mensch Medikamente und erhält das Leben.
Ramones hat geschrieben:Heutzutage ist es schon lange nicht mehr so, dass man mit einem Problem auf der Strecke bleibt und evolutionsbedingt ausselektiert wird. Ich denke, dass man einfach medikamentös und psychologisch gut aufgefangen wird, so dass man im Alltag trotzdem etwas machen kann und trotzdem ein Leben führen kann.
Mir scheint es so, als hätten die wenigsten meinen Beitrag überhaupt verstanden. Mag sein, dass es mittlerweile gute Behandlungsmöglichkeiten gibt und man die Wahl hat sich je nach Ursache behandeln zu lassen, Medikamente zu bekommen und dergleichen. Das erklärt aber nicht, wie depressive Menschen in der Steinzeit überlebt haben. Damals gab es nämlich keine Behandlungsmöglichkeiten. Meiner Logik nach hätten depressive Menschen schon damals ausselektiert werden müssen, wenn sie nichts alleine auf die Reihe bekommen.
Depressionen sind ja nicht (nur) genetisch bedingt. Eine schnelle Googlesuche erzählte mir zwar, dass es vererbt werden kann, aber eben auch anders "erworben". In der Steinzeit gab es vielleicht weniger Leute, die genetisch bedingt depressiv waren, aber das hätte weder damals noch heute die anderen Fälle rausgefiltert.
Und abgesehen davon, wie andere es auch schon gesagt haben: Depressionen bedeuten ja nicht zwangsläufig, dass es einen gleich so schlimm erwischt, wie das überhaupt möglich ist. Mit einer ein wenig leichteren Ausprägung beispielsweise wäre es kein größeres Problem, Nachkommen in die Welt zu setzen. Oder auch nur, wenn es einem mal für eine kurze Weile besser geht. Und dazu dann noch die Leute, die erst betroffen waren, nachdem sie schon Kinder hatten.
Täubchen hat geschrieben:Meiner Logik nach hätten depressive Menschen schon damals ausselektiert werden müssen, wenn sie nichts alleine auf die Reihe bekommen.
Wenn man das als Prämisse zugrunde legt, dann müsste das doch eigentlich für jede mehr oder weniger genetisch determinierte Erkrankung gelten, aber dem ist ja nicht so. Zum einen gibt es spontane Mutationen, das heißt, ein Gen kann auch plötzlich bei einem ansonsten unbelasteten Individuum auftreten, zum anderen werden Gene ja auch stumm weitergegeben. Jemand, der ein entsprechendes Gen aufweist, kann ohne Probleme gesund bleiben und Nachkommen bekommen.
Bei vielen Krankheiten, wo man eine genetisch mitbestimmende Ursache annimmt, weiß man gar nicht so genau, welche Faktoren wie zusammen kommen müssen, um zum Ausbruch der Krankheit zu führen. Das kann man auch auf alle möglichen anderen genetischen oder Autoimmun-Krankheiten adaptieren. Und zum anderen gibt es ja gerade bei der Depression ein total weites Feld von Symptomatiken, nicht jeder ist gleich hochgradig suizidal oder katatonisch total gehemmt.
Wenn jemand in der Steinzeit so stark betroffen war, hatte er alleine natürlich schlechte Überlebenschancen, aber zum Glück sind Primaten, nicht nur Menschen, pflegerisch veranlagt und man weiß aus archäologischen Funden, dass zum Beispiel die Neanderthaler ihre behinderten Kinder und Verwandten mit durch das harte Leben zu schleppen versuchten. Warum nicht auch beim Depressiven, so es ihn denn gab?
Interessant finde ich die Frage, ob es Depressionen schon so lange gibt, wie es die Menschheit gibt. Aus der jüngeren historischen Vergangenheit weiß man, dass generell psychische Erkrankungen und neurotisches Verhalten in hochgradigen Krisenzeiten sehr viel seltener gewesen sind. Ich habe so einen Fall selbst einmal beobachtet, wo durch extrem schwierige Lebensumstände die zugrunde liegende psychiatrische Erkrankung plötzlich einfach dauerhaft und komplett vollständig verschwand. Das Gehirn dessen, der im Überlebenskampf ist, kann offenbar auch in einen solchen Krisen-Modus umschalten.
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