Als Deutscher Auschwitz besichtigen - komisches Gefühl?

vom 27.03.2015, 14:34 Uhr

Ich war auch noch nicht in Auschwitz, aber der Gedanke daran, was dort passiert und in welchem Ausmaß, verschafft mir ein wirklich beklemmendes Gefühl. Aber jetzt nicht unbedingt, weil ich ein Deutscher bin. Eher weil ich ein Mensch bin, und es mich erschrickt, dass so etwas überhaupt möglich ist. Alleine die Vorstellung, dass auf einem so begrenzten Raum mehrere Millionen Menschen umkamen erscheint mir beinahe surreal.

Ich würde gerne mal dort hinfahren, um zu sehen wie das auf mich wirkt, aber andererseits denke ich dann immer, dass der Wunsch dies zu sehen schon etwas an sich hat, was doch einer gewissen Sensationslust ähnelt. Deshalb weiß ich nicht wirklich, ob ich Jemals dorthin fahre.

Was Zitronengras schreibt, finde ich allerdings sehr richtig. Jemanden zu nötigen, sich diese Dinge dort anzuschauen, hat etwas oberlehrerhaftes, und ich denke mal, dass Jeder selbst weiß, dass das Unrecht dort nicht zu ertragen ist. Ich glaube auch nicht, dass Jugendlich da zu einer besseren Einsicht gelangen. Erkenntnis kommt doch letztendlich immer von einem Selbst heraus. In dieser Hinsicht teile ich die Meinung von Zitronengras, dass es wirklich Jedem selbst überlassen bleiben sollte, ob er sich diese Dinge anschaut.

» Freidenker28 » Beiträge: 749 » Talkpoints: 1,02 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich war noch nie in Ausschwitz, aber sehe das relativ entspannt. Ich möchte da aber gerne hin. Doch man muss hier unterschiedlich werten, um zu wissen, wieso ein beklemmendes Gefühl "okay" ist und welches übertrieben ist. Auf der einen Seite gibt es da den historischen Teil. Deutschland beziehungsweise Hitler und seine Nazi-Freunde waren für Ausschwitz und den dortigen Vorkommnissen verantwortlich. Das ist für viele beklemmend?

Kann ich nicht nachvollziehen. Es war Hitler und die damalige Zeit. Nur weil ich Deutsche bin, bin ich dafür nicht verantwortlich. Kein Amerikaner fühlt sich doch im Ernst für Hiroshima schuldig oder? Japaner für Pearl Harbor? Afghanen für die Taliban und den 11.September? Wohl kaum. Denn das eine hat mit dem anderen meiner Meinung nach nichts zu tun, aber das sieht natürlich jeder anders!

Ein beklemmendes Gefühl würde sich bei mir jedoch einschleichen, weil aich auf Tote laufe. So makaber es klingt, aber so ist es doch. An jeder Stelle könnte jemand erschossen worden sein, verhungert, gequält und mehr. Das wäre für mich das wahrlich klemmende Gefühl, welches mir in Ausschwitz entgegen kommen würde, aber nicht mehr und nicht weniger.

Ich würde mich fühlen, als laufe ich über Tote Menschen, was womöglich so ist. Doch als Deutsche nur wegen der Vergangenheit ein beklemmendes Gefühl haben, das kommt für mich nicht in Frage und diesen Schuh ziehe ich mir nicht an. Das wird schon politisch im Alltag immer mal wieder ausprobiert, aber das klappt bei mir nicht, weil das nicht in meiner Verantwortung lag.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ich kann mich nicht erinnern, dass wir als jugendliche Schüler scharf darauf waren, in ein Konzentrationslager zu fahren. Dennoch war das einfach Pflichtprogramm und wir wurden mit unserem Jahrgang in zwei in Deutschland gelegenen Konzentrationslagern herum geführt und vor Ort erklärt was dort passiert ist. Ebenso mussten wir damals in die Fotoausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht gehen.

Ich finde es richtig, dass wir nicht gefragt wurden, ob wir dort hin gehen wollen. Denn sonst wäre vermutlich kaum einer hin gegangen. Auch ich war beim ersten Besuch so zirka 15 Jahre alt und mir sind die Bilder und Berichte ziemlich unter die Haut gegangen. Aber ich fand das auch damals nicht zu früh. Da waren wir uns auch mit den Mitschülern einig. Wir haben später über die Eindrücke viel geredet, weil man die Bilder schnell auch nicht mehr los wird. Aber traumatisiert wurde bei uns dadurch keiner. Wir waren durch den Unterricht ja auch schon gut verbereitet gewesen.

Ob man mit der Schule unbedingt bis Auschwitz fahren muss, halte ich für fraglich. Alleine die Kosten für Fahrt und Unterkunft sind für manche Eltern schon nicht mehr erschwinglich. Und letztlich kann man durch gute Aufbereitung auch in anderen Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager den Schülern gut nahe bringen, was damals passiert ist. Und das Gräuel in einem durchschnittlichen Konzentrationslager reicht als Unterrichtsgegenstand eigentlich schon aus, da muss es nicht zwangsläufig ein Vernichtungslager sein.

Ja, ich habe mich unwohl gefühlt. Aber nicht wegen meiner Vorfahren. Ich fand es sehr berührend, und beunruhigend zu sehen, wozu Menschen fähig sind, wenn jemand ihnen glaubhaft versichert, sie täten das für einen guten Zweck und das Grausame sei eigentlich nicht falsch und grausam sondern gut und richtig. Und das ist es, was mich an solchen Orten eher beklommen fühlen lässt, zu welchen Abgründen und Taten der Mensch fähig ist.

Es ist ja nicht allein eine Frage der Nationalität. Es gibt auch andere Orte, die mich ähnlich schaudern lassen. Ich war auch in einer Gedenkstätte in Asien, die gezeigt hat, wie der Widerstand gegen die Kolonialherrschaft brutal gebrochen wurde. Das ist zwar nicht direkt zu vergleichen mit einem Konzentrationslager. Aber auch hier wurden in einem anderen Ausmaß Menschen geschlachtet, um eine falsche und grausame Idee und Herrschaftsform aufrecht zu erhalten.

Und ich denke, dass das bei heutigen Schülern nicht beachtet werden sollte, wer sich von selbst für solche Abschnitte der Geschichte interessiert und wer nicht. Ziel sollte sein, solche Taten generell in Zukunft nicht mehr geschehen zu lassen. Egal gegen welche Zielgruppe das geht. Und ich denke, das ist in der aktuellen politischen Lage wichtiger denn je, dass sich solche Grundmuster der Geschichte nicht mehr wiederholen dürfen. Nicht hier und nicht anderswo.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ich habe während der Schulzeit eine Pflichtveranstaltung in das KZ Dachau gehabt und fand es dort einfach nur interessant. Ich wüsste nicht warum ich mich dort wegen meiner Nationalität schämen sollte oder mich besonders beklemmt fühlen muss. Ich habe nicht mitgemacht bei dem ganzen Zirkus, ich habe keine Juden in den Ofen gesteckt und auch nicht in die umgebauten Duschen geführt, noch die Leichen hinterher mit einer Schaufel nach draußen geworfen.

Das alles war vor meiner Zeit und warum sollte ich mich für etwas schämen, was ich gar nicht begangen habe? Interessant ist es in der Form, dass alle wie die Dummen einem Spinner geglaubt haben und gemacht haben was er von sich gegeben hat. Aber wie gesagt, nicht meine Generation, nicht mein Leben und das ich dort mitgemacht hätte nach meinem heutigen Standpunkt ist doch eher fragwürdig.

Ich bin aber auch zu einer ganz anderen Zeit aufgewachsen, in der Frauen durchaus das Recht auf eine eigene Meinung hatten und wenn man mich für meine Meinung an die Wand stellt, dann ist das so. Blind einem Befehl folgen ohne das zu Hinterfragen kommt für mich nicht in Frage und diese Feigheit konnte ich noch nie nachvollziehen die dort an den Tag gelegt wurde von tausenden und zehntausenden.

Aussagen wie "ich schäme mich dafür" finde ich nicht angebracht. Was macht das deutsche Volk denn nun so viel schlechter als andere? Jede Nationalität kann auf so etwas zurück blicken aber ich habe noch niemanden gesehen der Amerikaner der sich dafür schämt was sie veranstaltet haben, oder die Chinesen, Japaner, Russen und Co. Das war auch nicht besser oder schlimmer und dort hörst du nichts mehr davon, aber hier wird noch hunderte Jahre lang danach darauf herum geritten, in der Vergangenheit die nicht zu ändern ist. Dafür fehlt mir das Verständnis gänzlich, besonders wenn man selbst nicht mitgemacht hat bei dem Theater.

Meine Großeltern waren davon ebenfalls betroffen. meine Großmutter war im KZ bis dieses befreit wurde von den Amerikanern. Im Anschluss war sie in Kriegsgefangenschaft und das war ebenfalls kein Zuckerschlecken. Mein Großvater war im russischen Lager und kam erst 15 Jahre nach Kriegsende von dort zurück und darüber hat er nie gesprochen. Die Narben an seinem Körper haben dazu aber mehr gesagt als es Worte je hätten deutlich machen können was dort abgegangen sein muss.

Da wäre es wirklich humaner gewesen, in eine Kammer gesteckt zu werden mit Gas und direkt den Löffel abzugeben anstatt hinterher 20 Jahre im Lager tägliche körperliche und psychische Folter erfahren und ertragen zu müssen. So etwas wird natürlich nicht angesprochen und einem bei einer Führung gezeigt, nach wie vor sind diese für die Öffentlichkeit Sperrzone.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



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