Antibiotikum vorbeugend gegen Blasenentzündung nehmen?

vom 03.11.2016, 15:44 Uhr

Eine meiner Freundinnen hat häufig mit Blasenentzündungen zu tun. Sie hat da auch schon vieles ausprobiert, was aber von keinem Erfolg gekrönt war. Sie erzählte mir nun, dass sie bei ihrem Frauenarzt war. Dieser hat ihr dann wohl geraten, dass sie nach dem Geschlechtsverkehr gleich eine Antibiotika Tablette nehmen sollte. Ihr Frauenarzt hat ihr dafür dann auch eine Packung Nitrofurantoin mitgegeben.

Meine Freundin meinte, dass der Arzt gesagt hat, dass dadurch die dann mögliche Bakterien gleich abgetötet würden und sie dann dazu noch viel trinken sollte. Ihr Frauenarzt meinte, dass das wohl einige Frauen so machen, die häufig an Blasenentzündungen leiden. Das Antibiotikum würden auch manche Menschen ihr Leben lang nehmen, wenn sie zum Beispiel einen Katheter hätten. Daher würde es nicht schaden, wenn meine Freundin dann nach dem Geschlechtsverkehr eine Tablette einnehmen würde.

Habt ihr schon mal etwas davon gehört, dass man Antibiotika vorbeugend nehmen sollte? Haltet ihr es für sinnvoll, wenn meine Freundin dies so anwendet? Würdet ihr das so machen? Ist das durchaus sinnvoll?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Du hast jetzt gar nicht geschrieben, wie lange der Arzt deiner Freundin dazu geraten hat das Antibiotikum als Präventionsmaßnahme zu nehmen. Aus diesem Grund gehe ich davon aus, dass es nicht bei dieser einen Packung bleiben würde, sondern dass deine Freundin mehr oder weniger "angefixt" wäre und sich dann regelmäßig neue Tabletten holen würde. Wenn sie wirklich so einiges ohne Erfolg ausprobiert hat, dann könnte ich mir schon vorstellen, dass sie so verzweifelt ist und dieses Antibiotikum dann mehr oder weniger über viele Monate, vielleicht sogar Jahre einnehmen würde, möglicherweise auch bis zum Lebensende.

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich rein gar nichts davon halte, ein Antibiotikum als Präventionsmaßnahme zu nehmen. Denn das fördert doch nur Antibiotikaresistenzen und wenn sie Pech hat, dann hilft das Antibiotikum nach kurzer Zeit gar nicht mehr und sie hat einfach Pech gehabt. Das ist für mich einfach keine dauerhafte Lösung.

Ich habe sogar vor kurzem von einer Studie gelesen, in der man 200 Frauen 12 Monate lang ein Antibiotikum gegen Blasenentzündung als Präventionsmaßnahme verabreicht hat. Innerhalb dieser 12 Monate hat man dann festgestellt, dass 90 Prozent der Bakterien dann Resistenzen entwickelt haben und knapp 71 Prozent der Frauen wurde sogar rückfällig und bekamen trotzdem eine Blasenentzündung, manche nur einmal und andere häufiger. Daher hört sich das für mich eher danach an, als ob die Pharma-Industrie auf diese Weise Geld verdienen möchte und dass das eigentlich nicht wirklich hilft und keine langfristige Lösung ist.

Ich habe neulich einen sehr interessanten Vortrag gehört und dort wurde dann gesagt, dass die Pharmaindustrie die meiste Kohle mit Antibiotika verdient. Wirklich mit Antibiotika, obwohl man diese ja eher kurzfristig nimmt und nicht jeden Tag wie Medikamente gegen Bluthochdruck, Allergiemittel oder gegen überhöhtes Cholesterin. Daher wäre ich da schon vorsichtig, wenn mir irgendein Arzt so ein Antibiotikum aufschwatzen will, dessen Wirkung in dem Fall gar nicht garantiert ist.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ich finde es ja etwas schockierend, dass hier anscheinend ein Antibiotikum verschrieben wurde, was man dann selber nach eigenem Ermessen einnehmen soll, also vielleicht mal eine Woche gar nicht, dann wieder zwei oder drei Mal am Tag. Über die Gefahr von möglichen Resistenzen wird kein Wort verloren, Nebenwirkungen sind auch kein Thema.

Und mit Nebenwirkungen meine ich nun keine akuten Nebenwirkungen, die man ja bei so ziemlich jedem Medikament bekommen kann wenn man Pech hat. Ich meine damit die Magen- und Darmprobleme, die ja relativ weit verbreitet sind wenn man ein Antibiotikum über längere Zeit oral einnimmt.

Ich muss sagen, dass ich mir in dem Fall wirklich überlegen würde ob ich den Arzt nicht wechseln sollte oder zumindest eine zweite Meinung einholen sollte. Denn einen Arzt, der mit einem verschreibungspflichtigen Medikament so sorglos umgeht finde ich nicht wirklich vertrauensvoll.

Täubchen hat geschrieben:Ich habe neulich einen sehr interessanten Vortrag gehört und dort wurde dann gesagt, dass die Pharmaindustrie die meiste Kohle mit Antibiotika verdient.

Bezieht sich das nur auf Menschen? Denn in der Tiermast werden ja extrem viele Antibiotika eingesetzt und da tatsächlich oft dauerhaft und rein zur Vorbeugung. Wenn da die Tiere mit zählen wundern mich die Zahlen deshalb überhaupt nicht.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



So selten ist doch in der Medizin die Dauer- oder zumindest Langzeiteinnahme von Antibiotika gerade bei mehrfach oder schwer Erkrankten nicht. Ich würde jetzt die Einnahme von drei bis zehn Tabletten im Monat noch nicht als dauerhafte Einnahme bezeichnen und glaube irgendwie nicht, dass bei einer einzelnen Tablette schon ein Selektionsdruck auf die Bakterien ausgeübt wird. Es kommt halt darauf an, wie oft die Mittel dann im Alltag zum Einsatz kommen werden.

Und selbst bei Akne oder Rosacea werden Antibiotika oral manchmal jahrelang gegeben, weil nichts anderes hilft. In der Urologie geht man wohl von verkapselten Bakterien in der Blase aus, die nur durch die Einnahme über ein Jahr lang bekämpft werden können. Allerdings birgt das alles natürlich schon auch Probleme, klar. Interessant finde ich, dass es oft gar nicht erfolgreich sein soll, ich habe diesen medizinischen Ratschlag aber selbst auch schon mal abgelehnt. Es wurde einfach so im Laufe der Zeit besser.

Die Frage ist ja auch, ob der Sex ganz sicher die Ursache der ständigen Blasenentzündungen ist oder ob es nur um eine Theorie des Arztes geht. Wenn es der Sex ist, würde ich erstmal die gängigen sonstigen Tipps befolgen wie zum Beispiel sofort hinterher die Toilette aufzusuchen etc.

» Verbena » Beiträge: 4943 » Talkpoints: 1,99 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Cloudy24 hat geschrieben:Bezieht sich das nur auf Menschen? Denn in der Tiermast werden ja extrem viele Antibiotika eingesetzt und da tatsächlich oft dauerhaft und rein zur Vorbeugung. Wenn da die Tiere mit zählen wundern mich die Zahlen deshalb überhaupt nicht.

In dem Vortrag ging es um den Verdienst der Pharma-Industrie an Antibiotika im Allgemeinen, also gehe ich schon davon aus, dass das die Tiermast mit einschließt. Zumal mir dieselbe Aussage nur auf Antibiotika bei Menschen irgendwie unrealistisch vorkommen würde. Daher denke ich schon, dass es eben in ihrem Interesse liegt, wenn sehr häufig Antibiotika verschrieben werden, egal ob sie benötigt werden oder nicht. Bringt schließlich massiv Kohle.

Ich stimme dir insofern zu, Cloudy, dass ich so einen Arzt als ziemlich unseriös empfinden würde, der einfach sorglos irgendwelche Antibiotika austeilt. Auf mich wirkt es durch die Beschreibung im Beitrag auch nicht unbedingt so, als wäre der Sex als die Ursache einwandfrei lokalisiert worden, sondern als ob das nur eine Medikation auf Verdacht wäre und das empfinde ich als sehr unseriös und wenig vertrauensvoll. Wenn man Pech hat, hat man dann Resistenzen und wenn es dann (beispielsweise in anderen Fällen) wirklich darauf ankommt, wirken die Antibiotika nicht mehr. Es gibt so schon genug Resistenzen, da würde ich das nicht mit noch mehr Antibiotika fördern wollen, wenn ich ehrlich bin.

Aber Fakt ist auch, dass die Verbreitung und Dichte von (Fach)Ärzten nicht überall gleich ist, so gibt es in der Stadt viel mehr Spezialisten als auf dem Land. Jetzt weiß ich nicht, wo Nelchens Freundin wohnt, aber wenn das auf dem Land sein sollte, wo eh schon Ärztemangel ist, wird es relativ schwierig, sich einen neuen (vertrauensvollen) Arzt zu suchen oder sich eine zweite Meinung einzuholen.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Meine Freundin hat dieses Antibiotikum schon ein paar Mal bekommen und sie hatte keinerlei Nebenwirkungen davon. Sie musste es sogar schon vom Urologen verschieben, über mehrere Monate einnehmen. Die Frauenärztin hat dieses Antibiotikum sicherlich nicht leichtfertig verschrieben. Sie hatte meiner Freundin auch gesagt, dass viele Patienten dies immer wieder nehmen müssten und auch Kinder so behandelt werden, wie viel und lange sie Blasenentzündungen haben.

Ich kann meine Freundin schon verstehen, dass sie das ausprobieren will. Alleine weil sie eben schon so lange Probleme hat und wirklich darunter leidet. Da greift man sicherlich nach jedem Strohhalm. Es ist nicht direkt bewiesen, dass die Blasenentzündungen immer durch den Geschlechtsverkehr kommen. Aber die Ärzte meinen, dass eine Frau dann sehr empfindlich ist und eben Bakterien in die Blase gelangen können. Daher sollte man anschließend und am besten direkt auf die Toilette gehen.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Das Problem an Antibiotika sind nicht unbedingt immer die Nebenwirkungen, sondern auch, dass es zu Resistenzen führen kann. Ich habe bei der Arbeit im Krankenhaus schon sehr häufig erlebt, dass bei Patienten keine Antibiotika mehr anschlagen und das kann im Notfall extrem gefährlich werden. Deshalb sollte Antibiotika wirklich nur dann verschrieben werden, wenn es wirklich nötig ist. Leider wird es immer noch, trotz dem Wissen über die Gefahr der Resistenzen, viel zu häufig verschrieben. Das gilt nicht nur für Blasenentzündungen, sondern auch Erkrankungen wie Mandelentzündung.

Bei mir wurde beispielsweise noch nie ein Rachenabstrich gemacht, obwohl das Ergebnis gerade einmal 5 Minuten dauert und ich habe einmal 3 Antibiotikapräparate hintereinander genommen, bis ich einen zweiten Arzt aufgesucht habe, welcher dann feststellte, dass es eine viral bedingte Entzündung ist und in diesem Fall hilft nun mal kein Antibiotika.

Gerade bei häufigen Blasenentzündungen sollte man lieber den Ursachen auf den Grund gehen. Häufig ist das zum Beispiel eine gestörte Darmflora, beziehungsweise Bakterien im Darm. Eine weitere sehr häufige Ursache sind hormonelle Verhütungsmittel, wie die Pille und auf so etwas sollte der Arzt auch hinweisen. Was der Frauenarzt in diesem Fall ihr da hingegen geraten hat ist einfach unverantwortlich und das nicht nur wegen den oben genannten Punkten, sondern auch weil Antibiotika nicht einfach so 1 Mal sporadisch angewendet werden sollte, sondern am Stück um die Bakterien zu bekämpfen und eine solche Einmaleinwendung die Gefahr von Resistenzen noch mehr verstärkt.

Wie oft deine Freundin Sex hat ist ja auch sehr unklar, so dass es sein könnte, dass sie die Tabletten theoretisch jeden Tag über einen langen Zeitraum hinweg anwenden würde, wenn eben ihr Sexualverhalten so ist. An der Stelle deiner Bekannten würde ich auf jeden Fall den Arzt wechseln und mir zu mindestens eine zweite Meinung einholen. Die beste Adresse dafür ist meistens der Urologe, diese beraten auch meistens neutraler und nicht so abhängig von der Pharmaindustrie, so sind zu mindestens meine Erfahrungen jedoch kommt es auch da darauf an wo man hingeht.

» bambi7 » Beiträge: 1248 » Talkpoints: 16,84 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



bambi7 hat geschrieben:Gerade bei häufigen Blasenentzündungen sollte man lieber den Ursachen auf den Grund gehen. Häufig ist das zum Beispiel eine gestörte Darmflora, beziehungsweise Bakterien im Darm. Eine weitere sehr häufige Ursache sind hormonelle Verhütungsmittel, wie die Pille und auf so etwas sollte der Arzt auch hinweisen.

Was hat denn eine gestörte Darmflora damit zu tun? Der häufigste Auslöser einer Blasenentzündung ist das Bakterium E. coli und das kommt natürlicherweise im Darm vor, weil es bei der Verdauung hilft. Wie soll man denn sonst verdauen, wenn Bakterien nur bei einer "gestörten" Darmflora auftauchen? Die häufigste Ursache einer Blasenentzündung ist, wenn dieses Bakterium seinen Weg in die Harnröhre findet und dann bis zur Blase "kriecht". Das hat mit der Pille an sich nichts zu tun. Eher Verhütungsmethoden wie Spermizide oder das Diaphragma begünstigen eine Blasenentzündung, die Pille aber (wenn überhaupt) in extrem seltenen Fällen. Die Pille als begünstigender Faktor taucht nicht einmal hier auf. Hormone können eine Blasenentzündung begünstigen, aber das ist eher in den Wechseljahren der Fall und nicht durch die Pille.

Hier kannst du noch einmal nachlesen, woher die Blasenentzündung ursächlich kommen kann. Eben auch durch Stress, weil Stress das Immunsystem schwächen kann. Dafür dass du angeblich im medizinischen Bereich tätig bist, verbreitest du erstaunlich viel gefährliches Halbwissen bzw. Unwissen.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


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