Uralte Bäume weniger wichtig, als alte Denkmäler?

Neulich habe ich im Fernsehen von einem Problem in einer deutschen Kleinstadt gehört. In diese Stadt gab es eine kleine aber sehr alte Kapelle die neben zwei Bäumen stand. Die Bäume standen unter Denkmalschutz und waren ebenfalls schon sehr alt. Allerdings zerstörte das Wurzelwerk der Bäume nach und nach die Kapelle und es musste entschieden werden, was zu tun ist.

Interessanterweise schien die Kapelle den meisten Menschen wichtiger zu sein, als die Bäume. Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Kapellen gibt es überall und diese kann man auch restaurieren. Dennoch waren viele Menschen dafür, dass man die alten Bäume fällt, damit die Kapelle keinen Schaden nimmt.

Könnt ihr solche Entscheidungen nachvollziehen? Wie hättet ihr euch entschieden? Sind für euch alte Denkmäler auch wichtiger, als uralte Bäume? Nach welchen Kriterien sollte in diesen Fällen unterschieden werden?

Leider beschreibst du gar nicht um welche Stadt es geht, denn ich hätte mir von den uralten Bäumen gerne auch ein eigenes Bild gemacht, sie sehen bestimmt wahnsinnig schön aus. Ich kann deine Ansicht komplett verstehen, aber so ein Gebäude ist wohl teurer als so zwei olle Bäume, die man "überall" finden kann. Die Menschen werden sich schon wundern, wenn sie irgendwann einmal erfolgreich alle Bäume abgesägt haben. Schade!

Also in dem Fall kann ich die Entscheidung absolut nachvollziehen. Die Argumentation, dass es ja überall alte Kapellen gibt, kann man ja auch umdrehen. Und ich bin davon überzeugt, dass es wesentlich mehr alte Bäume gibt als alte Kapellen.

Ich bin natürlich ebenso der Meinung, dass alte Bäume geschützt werden müssen. Gar keine Frage. Ich liebe die Natur und ich liebe alte Bäume. Ich wohne im Ruhrgebiet und in meiner Heimatstadt Witten gibt es einen sehr alten Wald und die Anzahl der wirklich uralten Bäume, die ich kenne, ist immens. Und das hier im Ruhrgebiet! Es ist immer eine Schande, wenn ein Baum gefällt werden muss, der, wenn er reden könnte, eine ganze Ansammlung von Geschichten erzählen würde. Aber in dem beschriebenen Fall musste man abwägen. Was ist wichtiger. Ein von Menschen erschaffenes kulturelles Werk oder zwei Bäume? Ich glaube schon, dass die meisten Menschen sich für die Kapelle entschieden hätten. Außerdem kommt da natürlich auch noch eine religiöse Komponente hinzu.

Aber vielleicht wäre es ja auch möglich gewesen, beides zu retten. Zumindest bin davon überzeugt. Wahrscheinlich wäre es mit immensen Kosten verbunden. Aber aus technischer Hinsicht wäre es sicherlich machbar gewesen. Und vielleicht wäre es an der Zeit gewesen, dass die Naturschützer eine Initiative gegründet hätten, welche Geld sammelt um beides zur retten.

Ich kann das ebenfalls nachvollziehen, denn alte Bäume gibt es auch und nicht nur Kapellen. Wie will man sanieren wenn immer wieder weitere Schäden auftreten wegen der Bäume und irgendwann ist beides so zerstört, dass nichts mehr zu retten ist. Daher musste eine Entscheidung gefällt werden zu Lasten der Bäume.

Somit kann die Kapelle saniert werden und an einer anderen Stelle neue Bäume gesetzt werden, denn das ist meistens auch die Bedingung dafür, dass solche alten Bäume gefällt werden dürfen. Sicherlich dauert es auch lange bis diese wieder so groß und alt sind, aber meistens werden dann auch mehrere neue gesetzt und nicht nur die Anzahl die entfernt werden musste. Dann wird aber auch eine Stelle ausgesucht, an denen sie in Ruhe wachsen können und nicht die nächste Kapelle wieder in Gefahr bringen.

Ich kann mich, glaube ich, auch an diesen Fall erinnern. Wenn ich mich nicht sehr täusche, wurden diese Bäume vor zig Jahren viel zu nah an die Kapelle gebaut und ihre Wurzeln nehmen jetzt das Fundament des Bauwerks nach und nach auseinander. Ich glaube auch nicht, dass es hier objektive und rationale Argumente zu Gunsten einer Fraktion gibt, sondern dass es hier eigentlich nur rein subjektiv danach gehen kann, was einem gefühlt wichtiger ist: ein Natur-Denkmal im weitesten Sinne oder ein menschengemachtes historisches Objekt. Argumente lassen sich für beide Seiten finden.

Beispielsweise lässt sich nicht leugnen, dass man Bäume zu Dutzenden im Wald findet, und dass da auch keiner jault, wenn man Papier und Möbel aus uralten Bäumen macht, die auch nicht weniger wert sind, nur weil sie mitten im Wald weniger auffallen. Andererseits gibt es Feldkapellen ebenfalls im Dutzend, und nur weil ein Gebäude alt ist oder einem religiösen Zweck dient(e), muss es noch lange nicht wertvoll oder erhaltenswert sein. Und dann gibt es natürlich noch die Fraktion, die sowohl auf Bäume als auch auf alten Krempel pfeift und viel lieber einen schönen, ordentlichen, asphaltierten Parkplatz da sehen möchte.

Ich habe auch selber eigentlich kein Pferd in diesem Rennen, da mir sowohl die Kapelle als auch die Bäume egal sein können, weil ich ganz woanders lebe und weder eine persönliche noch emotionale Bindung an diesen Ort habe. Als Historikerin finde ich alte Gebäude interessant und schützenswert, als sauerstoffatmende Lebensform bin ich wiederum doch relativ abhängig von den tapferen Pflanzen. Aber letzten Endes würde ich persönlich wohl zum Gebäude halten und als Ausgleich eben ein paar Dutzend Bäume im Stadtpark oder wo auch immer pflanzen.

So eine Entscheidung zu treffen ist natürlich nie leicht und ich könnte mir vorstellen, dass die Verantwortlichen es sich sicher auch nicht leicht gemacht haben. Fakt scheint aber doch zu sein, dass nur eines gerettet werden konnte, entweder die Kapelle oder die Bäume. Und dann muss ich sagen, dass ich wohl auch schweren Herzens lieber die Bäume gefällt hätte, als die Kapelle wieder und wieder reparieren zu müssen.