Sollte man Grundschülern das Programmieren lehren?

Ich habe kürzlich die Aussage gehört, dass man schon in der ersten Klasse den Schülern das Programmieren lehren sollte. Wenn sie von klein auf damit aufwachsen würden, würden sie besser mit den ganzen Netzwerken, Viren und den ganzen Details zurechtkommen als wenn sie es viel später lernen würde. Argumentiert wurde damit, dass das in England und in Estland ja auch üblich wäre und den Kindern dort hätte es auch nicht geschadet.

Ich sehe das ziemlich grenzwertig. Ich finde, dass man Kindern in dem Alter erst einmal vernünftig lesen und (manuell) schreiben lehren sollte, bevor man sie an die Computer-Tastatur setzt. Ich sehe eher die Gefahr gekommen, dass die Augen davon schlechter werden (durch zu nah sitzen am Bildschirm und die kleine Schrift) und dass die Schüler die Feinmotorik, die man durch das Schreiben mit der Hand ja lernt, gar nicht richtig ausbauen können. Würdet ihr wollen, dass man Grundschülern schon in der ersten Klasse das Programmieren lehrt? Wie sinnvoll wäre so ein Konzept?

Ich muss ehrlich sagen, dass ich davon nichts halte und würde das Bestandteil eines Schulkonzeptes sein, dann würde ich mir überlegen, ob mein Kind wirklich diese Schule besuchen soll. Wie du bin ich nämlich der Meinung, dass die Kinder wichtigere Sachen zu erlernen haben und das ist in erster Linie das Lesen, Schreiben und auch die restlichen Fächer.

Aber wozu muss ein 6 oder 7-jähriges Kind programmieren können? Will ich wirklich, dass es dann den ganzen Tag vor dem Rechner sitzt, statt draußen zu spielen? Ich glaube kaum. Die Kleinen müssen so viel lernen, was anstrengend genug ist, da steht sowas wirklich hinten an. Außerdem kann man sowas noch früh genug lernen, wenn man das denn will.

Fraglich ist ja: muss man das überhaupt können? Wenn sich ein Kind dafür interessiert, dann soll es das gerne machen (wenn es dabei anderes nicht außer Acht lässt). Aber es reicht vollkommen, wenn man das in der 7. oder 8. Klasse dann im Informatikunterricht hat, finde ich.

Ich bin auch der Meinung, dass Programmieren später kommen kann. Schon allein, weil es ja wenig bringt, wenn man weiß, was man da schreiben muss, wenn man noch gar nicht schreiben kann. Und in vielen Programmiersprachen sind die einzelnen Anweisungen dann auch noch auf Englisch, also müsste der arme Erstklässler dann ja, eventuell bevor er überhaupt richtig lesen und schreiben kann, auch noch lernen, was denn "switch", "case" oder "print line" bedeuten.

Ein genereller "Medienkurs" o.ä. in der vierten Klasse oder so wäre vielleicht noch sinnvoll. Da könnte man den Kindern auch erklären, auf was sie achten sollten, wenn sie im Internet unterwegs sind, z.B. wie man offensichtliche Viren-Links erkennt. Aber Programmieren kommt mir, ehrlich gesagt, für die breite Masse nicht allzu wichtig vor. Ich hatte nicht mal die Wahl, zur 9. Klasse hin Informatik zu wählen, das wurde erst ein Jahr nach mir eingeführt. Und trotzdem habe ich bisher beim Studium keine Probleme, beim Programmieren mit den anderen mitzuhalten.

Eine kurze Google-Suche ergab auch, dass in England zumindest das Programmieren nicht als neues Fach eingeführt wurde, sondern dass ein existierendes Fach dazu quasi umgebaut wurde. Das funktioniert dann sicher auch deutlich besser, als es komplett neu einzuführen, aber ich kann mir aus meiner Grundschulzeit kein Fach vorstellen, das man dafür gut nehmen könnte.

Ich bin ja Informatiker, und das Programmieren war immer meine Leidenschaft. Ob es nun Sinn macht, einem Grundschulkind das Programmieren beizubringen, weiß ich nicht wirklich. Die Aussage, dass sich die Kinder dann besser mit Netzwerken usw. auskennen werden, kann ich so nicht bestätigen. Ein Aspekt ist der, dass das klassische Programmieren immer mehr in den Hintergrund gerät. Es ist schon eher eine Art Relikt aus der Steinzeit.

Ich bin jetzt 54, und als ich lernte zu programmieren, da kannte ich schon gar nicht mehr die maschinennahe Programmierung, also das, was die Leute so in den 6oer oder 70er Jahren machten. Und heute gibt es Entwicklungswerkzeuge, welche die Art von Programmierung langsam überflüssig macht, welche ich gelernt habe. Also funktionale, prozedurale oder objektorientierte Programmierung. In der Zukunft wird eher nach dem Baukastenprinzip programmiert. Und die Kinder von heute wachsen sowieso in die digitale Welt hinein. Denen muss man nicht erklären, was ein Virus ist, was ein Netzwerk ausmacht. Für die gehört das zum Leben wie für mich als Kind schnell klar wurde, dass man nicht über eine rote Ampel läuft.

Was allerdings das erlernen der Programmierung bewirken kann ist das Folgende: Man erlernt auf relativ interessante Art und Weise das logische Denken. Habe viele Schüler ja immer Angst vor der Mathematik, so können sie aber trotzdem an diese Denkweise herangeführt werden, in Form von Programmierung. Ich sehe darin eine große Motivation. Das Erlernen von logischen Zusammenhängen durch eine spielerische Art und Weise. Aber ob dies bereits im Grundschulalter Sinn macht, wage ich doch zu bezweifeln. Man begibt sich in der Grundschule auch nicht an die Trigonometrie, sondern erlernt erst mal die Grundrechenarten.