Wie schnell baut ihr Vorurteile gegenüber anderen auf?

vom 03.03.2013, 21:21 Uhr

Ich denke, dass jeder von uns unterschiedlich schnell Vorurteile gegenüber anderen aufbaut. Der eine sieht eine ungepflegte Person, findet bereits ihr äußeres Erscheinungsbild abstoßend und stempelt sie deshalb als asozial ab. Für den anderen gilt sie dagegen erst als asozial, wenn er etwas Näheres über ihre Lebenssituation erfährt, so zum Beispiel dass sie schon seit Jahren arbeitslos ist und eigentlich arbeiten könnte, aber sich um keinen Job bemüht.

Was würdet ihr sagen, wie schnell ihr Vorurteile gegenüber anderen aufbaut? Genügt euch dazu bereits der alleinige Anblick einer Person oder müsst ihr erst etwas über die Charaktereigenschaften oder die Lebensumstände dieser Person erfahren, um sie in irgendeine Schublade zu stecken?

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» Pointer » Beiträge: 1772 » Talkpoints: 20,77 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Bei mir dauert es meistens so lange, bis ich die Person sehr gut kennengelernt hatte. Zum Beispiel hatten wir Schweizer auf dem Schiff, die sehr farbenfroh und teuer angezogen waren und eine Suite hatten. Die wurden beim Einschiffen bevorzugt behandelt und ich dachte, die reden sicher mit niemandem. Eines Tages saßen die an unserem Tisch und seitdem haben wir jeden Tag sehr lieb miteinander geredet. Bei anderen Menschen, die sehr ungepflegt daher kommen, bleiben die Vorurteile meist, weil ich mit so einer Grundeinstellung nichts beginnen kann. Auch bei Leute mit sehr seltsamen Stimmlagen kann ich die Vorurteile kaum abbauen.

» celles » Beiträge: 8677 » Talkpoints: 4,08 » Auszeichnung für 8000 Beiträge


Da ich selbst leider oft erlebt habe, dass ich zu Unrecht durch Vorurteile in die falsche Schublade gesteckt wurde, versuche ich dasselbe nicht bei anderen zu erreichen. Selbstverständlich ist es bei manchen Menschen, die von vornerein einen unsympathischen Eindruck auf einen machen etwas schwieriger, aber ich bin dennoch gewillt, mich eines Besseren belehren zu lassen und mögliche Vorurteile zu dementieren.

Ich hatte es bereits oft erlebt, dass mir Personen anfangs lästig waren und ich mich im Nachhinein sogar mit manchen von ihnen anfreunden konnte. Das lag manchmal daran, dass die Leute zunächst absichtlich ein abblockendes Verhalten an den Tag gelegt haben und sich verstellten, während sie in Wahrheit eine gänzlich andere Persönlichkeit hatten. Nachdem ich diese Personen näher kennen gelernt hatte, fiel die Maske und es entpuppte sich ein positiveres Bild. Es ist natürlich angenehmer, wenn nicht umgekehrtes der Fall ist.

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» LongHairGirl » Beiträge: 845 » Talkpoints: 47,97 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich bin eigentlich relativ unvoreingenommen und stempele niemanden nur wegen seines äußeren Erscheinungsbild ab. Ich baue also erst relativ spät irgendwelche Vorurteile auf - nämlich mehr oder weniger dann, wenn ich es bereits ganz klar für mich bestätigt sehe und es weniger ein Vorurteil, als vielmehr ein Urteil über die jeweilige Person ist.

Gut, ab und an kommt es doch auch vor, dass man jemanden sieht und sich gleich seinen Teil dazu denkt. Aber dies geschieht mir nur sehr selten, denn ich habe in den meisten Fällen auch einfach ganz andere Dinge im Kopf, als mental irgendwelche Leute in dazu passende Schubladen zu stecken.

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» olisykes91 » Beiträge: 5367 » Talkpoints: 24,16 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich manchmal recht schnell Vorurteile aufbaue. Wenn ich zum Beispiel eine ungepflegte Person mit fettigen Haaren sehe, dann steckt sie bei mir relativ schnell in einer Schublade und ich denke mir, dass sie sich nicht wäscht und, dass sie wahrscheinlich nicht sehr gebildet ist, beziehungsweise, keinen großen Stellenwert in der Gesellschaft hat.

Das klingt jetzt hart, aber oft trifft das auch zu bei ungepflegten Menschen. Oder wenn so ein Typ in Hip Hop Klamotten und seinem Gangster Rap Klingelton an mir vorbei Läuft und sich total cool fühlt, dann denke ich mir nur, OH MEIN GOTT, der kann ja nicht wirklich viel im Kopf haben, wenn er so etwas toll findet und gutheißt.

Manchmal bin ich echt schlimm was meine Vorurteile angeht. Viel zu vorschnell. Ich will mich unbedingt ändern was das angeht. Ich nehme mir in letzter Zeit immer wieder vor, eine Person erstmal näher kennen zu lernen bevor ich mir ein Urteil bilde.

Ich muss aber auch dazu sagen, dass sich meine Vorurteile immer nur in mir drinnen abspielen und ich nichts davon nach außen trage, wenn ich mir nicht sicher bin, dass es nicht begründet ist. Bevor ich eine Person nicht gut genug kenne, und sich meine Vorurteile ihr gegenüber nicht bestätigt haben, würde ich niemals Irgendjemanden angehen oder beleidigen. Ich bin da ein sehr höflicher Mensch und möchte auch niemanden grundlos verletzen.

» Salina » Beiträge: 80 » Talkpoints: 44,02 »


Die Idee von Vorurteilen besteht doch darin, dass sie sich nicht erst über Zeit aufbauen, sondern oft blitzschnell aus dem ersten Eindruck entstehen. Schließlich sollen sie uns ja auch eigentlich helfen, uns in unserer Umwelt und mit den Mitmenschen zurecht zu finden. Wer von sich behauptet, überhaupt keine Vorurteile zu haben, hat meines Erachtens sowieso keine Ahnung, wovon er redet.

Um ein ganz banales Beispiel zu bringen: Wenn man einen Menschen mit sehr dunkler Hautfarbe sieht, denkt man sich dann normalerweise spontan (zumindest hierzulande, mit einem normalen Bildungsstand und ohne Neonazi-Hintergrund), dass die Person wohl AfrikanerIn im weitesten Sinne ist.

Dabei könnte der Mensch ebenso gut auch aus den USA stammen, oder hier in Deutschland geboren sein, oder auch aus der Karibik kommen und so weiter. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich zuerst betont vorurteilsfrei gibt und erst später die Vorurteile auspackt.

Ich meine, wenn sich der Typ dann tatsächlich als Nigerianer entpuppt, ist es ja kein Vorurteil mehr, ihn für einen Afrikaner zu halten, sondern eine bestätigte Tatsache. Von daher finde ich, dass man schon eine merkwürdige Form der geistigen Akrobatik betreiben muss, um Vorurteile über Zeit aufzubauen. Ob sie im Nachhinein bestätigt werden oder nicht, steht ja auf einem ganz anderen Blatt.

» Gerbera » Beiträge: 11315 » Talkpoints: 48,61 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Schon vom ersten Moment an steckt man einen Menschen in eine Schublade. Erst über die weitere Zeit kann dieser aus dieser Schublade wieder heraus kriechen und wird in eine andere gesteckt. So sind die bösen Ausländer an allem Schuld und wird zuerst gerufen wenn man einen sieht, dass es aber auf den einzelnen gar nicht zutreffen mag wird dabei erst einmal komplett außer acht gelassen.

Ich nehme mich dabei nicht aus, ich bin auch ein Mensch und stecke entsprechend auch in Schubladen wenn ich jemanden treffe. Mit dem Unterschied, dass sich meine wieder öffnen lassen und nicht direkt zu gesperrt werden und die andere Person gar keine Chance mehr hat aus dieser heraus zu kommen nur aufgrund meines eigenen Urteils. Das ist eine Fähigkeit die eben nicht jeder hat. Und das kann man erst festmachen, wenn man auch die Tatsachen und Fakten auf dem Tisch hat, wie Gerbera es mit den Hautfarben angesprochen hat als Beispiel.

Man kann auch das deutsche Volk nehmen als Beispiel. Dort wird gesagt, diese fressen nur Sauerkraut und sind fleißig. Die Amis nennen uns alle Nazis. Schon steckt man in dieser Schublade auch wenn man kein Sauerkraut mag, eine faule Sau ist und kein Nazi ist. Einfach nur weil sie das von einem denken, genauso wie wir vermuten, dass jeder mit dunkler Hautfarbe aus Afrika kommt, dumm ist und keine Schulbildung genossen hat. Bis sich dann mal das Gegenteil heraus stellt.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Was den Punkt Vorurteile betrifft, so kann ich mit Stolz behaupten, dass ich dem Verlangen Jemanden vorzuverurteilen ganz selten in meinem Leben erlegen bin

Das liegt sicherlich daran, dass ich schon sehr viele Erlebnisse in meinem Leben hatte, wo sich Jemand als ein ganz anderer Mensch herausstellte, als man zunächst vermuten sollte. Diese Erlebnisse hatte ich bereits sehr früh in meinem Leben und deshalb hat mich das insofern geprägt, dass ich jeden Menschen zunächst ganz neutral betrachte, ungeachtet seiner Herkunft und seines Aussehens. Ich will mal exemplarisch zwei Erlebnisse aufzeigen, die mich geprägt haben.

In der Oberstufe hatte ich Deutsch Leistungskurs. Das war von 1979 bis 1981. Mein Deutschlehrer war sehr groß und sehr breitschultrig. Er hatte ein kantiges Gesicht und sah irgendwie dem Max Schmeling ähnlich, also der Deutschen Boxlegende. Zudem hatte er eine Narbe auf der Stirn und schaute immer grimmig drein. Aber was war das für ein tollpatschiger, sanftmütiger Mensch! Der war so lieb, wie man es sich kaum vorstellen kann. Er war nett zu jedem aber wirklich jedem Menschen. Und er war irgendwie, das Wort fällt mir als Mann gar nicht so leicht, süß. Er lud unsere Klasse mal zu sich nach Hause ein. Alles voller Bücher! Er las seinen eigenen Angaben zufolge ca. 500 Bücher pro Jahr. Er war so ein Softie, jegliche Aggressivität war ihm fremd. Anekdote am Rande: In diesem Deutsch Leistungskurs befand sich auch Ulla Kock am Brink, mit der ich das Abitur machte, falls Jemand diese Dame aus dem Fernsehen kennen sollte.

Beispiel Nummer Zwei: Als ich ein sehr junger Mann war, fiel mir in unserer Stadt ein Mann auf, der so um die Vierzig war. Recht klein, sehr muskulös. Lange blonde Haare, ähnelte sehr dem Punk-Sänger Iggy Popp. Er war total braungebrannt, von oben bis unten tätowiert, und an jedem Ohr gefühlte 100 Ringe. Piercings hatte er natürlich auch., Und selbst im Winter lief er mit ärmellosen Shirts herum. Das war in den Achtzigern, also zu einer Zeit, als man noch nicht so frei war, was das Denken über tätowierte Leute betraf.

Kurzum: ich hatte irgendwie Angst vor diesem Mann. Also ganz klassisch ein Vorurteil. Wenn ich ihn sah, dann wechselte ich die Straßenseite. Ich wurde dann irgendwann einmal Vater und meine Tochter kam mit 3 in den Kindergarten. Und dort traf ich diesen Mann, der sein Kind ebenfalls dort hinbrachte. Und wir kamen ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass dieser Mann hochgebildet war und recht erfolgreich als Unternehmer war. Er klärte mich auf, dass sein extremes Äußeres ihm sogar zu vielen Aufträgen verhalf, weil man ihn dadurch als sehr authentisch ansah und sich auch der eine oder andere Kunde damit brüstete, geschäftliche Kontakte zu solche einem Exoten zu pflegen. Seitdem habe ich so glaube ich Niemanden mehr bewusst vorverurteilt.

» Freidenker28 » Beiträge: 749 » Talkpoints: 1,02 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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