Durch das Studium die Welt nur noch eingeschränkt sehen?
Ich habe eine ehemals gute Freundin, die Jura studiert und sich gerade auf das erste Staatsexamen vorbereitet. Ihr neuer Freund ist auch noch Jurist, aber bereits fertig. Oft fällt mir auf, dass die beiden durch das im Studium erlangte Wissen doch ziemlich eingeschränkt sind in ihrer Sichtweise. Dabei sollte es im Studium ja genau ums Gegenteil gehen.
Man merkt es daran, dass die beiden gerne mit Paragraphen um sich werfen und dann bei bestimmten Dingen anfangen, vor allen anderen darüber zu diskutieren, um welchen Tatbestand es sich bei bestimmten Vergehen handeln könnte. Als Laie sitzt man daneben und ist meist nicht besonders interessiert, wenn man sich selbst nicht besonders mit Jura beschäftigt.
Kennt ihr das auch, wenn Leute etwas studieren und dann alle Themen früher oder später zum Studium abdriften? Denkt ihr, durch eine Partnerschaft mit einer Person aus derselben Sparte wird das noch gefördert?
Ich kenne das durchaus auch, wobei es auch manchmal ganz spannend sein kann. Generell bin ich ein interessierter Mensch und kenne auch viele Studenten verschiedener Fachrichtungen und da ist es schon interessant aus verschiedenen Bereichen etwas zu hören. Ich finde das auch ganz normal, weil jeder gerne über Dinge redet, die einen interessieren. Wenn man also Spaß am Studium hat ist es ganz normal gerne darüber zu reden.
So ein Jurastudium ist natürlich auch nichts für Weicheier und erfordert großes persönliches Engagement und auch Interesse an für Außenstehende doch recht trockenen Paragraphen. Aber im Idealfall stellt dies nur eine vorübergehende Erscheinung dar. Wenn es nach dem Abschluss des Studiums darum geht, die Paragraphen auf die Wirklichkeit anzuwenden, kann man sich eine derartige Herangehensweise sowieso nicht mehr leisten.
Andererseits halte ich es aber auch für ganz normal, dass man sich für sein Studienfach speziell interessiert und sich in bestimmte Sachverhalte auch so detailliert einarbeitet, dass einem nicht mehr jeder Trottel, der von dem Thema keine Ahnung hat, mehr geistig folgen kann. Manche Leute studieren bekanntlich tatsächlich ein Fach, welches sie begeistert und nicht einfach nur irgendwas mit BWL in der Hoffnung, damit später mal den dicken Reibach zu machen.
Wenn man es also unbedingt so sehen will, kann es schon sein, dass es das Weltbild einschränkt, wenn man seine geistige Potenz auf ein bestimmtes Fachgebiet konzentriert und für andere Bereiche nicht mehr so viel übrig bleibt. Aber mir erscheint dennoch die Möglichkeit, sich in bestimmte Themen vertieft einzuarbeiten und viel dazu zu lernen, attraktiver, als nur Halb- und Bruchstückwissen über banalen Alltagskram anzuhäufen, bei dem jeder mitreden kann.
Ja das kenne ich sehr gut, aber weniger von Juristen und Naturwissenschaftlern, sondern eher von Philosophen und restlichen Geisteswissenschaften. Da man während seines Studiums doch recht viele Konzepte des Weltbildes eingeprügelt bekommt, kommt man in Gesprächen doch oft darauf zurück und dann driftet das Ganze sehr schnell ab, sodass Außenstehende gar nicht mehr verstehen, worüber man gerade redet.
Ich habe beispielsweise einen Kommilitonen, der das gleiche Fach wie ich studiert und egal worum es geht, wie aus aus dem Nichts plötzlich versucht ein Fachgespräch anzufangen, worauf ich mich nur ungern einlasse. Man verfällt durch ein Studium gerne in bestimmte Denkmuster die man für richtig annimmt und kann diesen schlecht oder nur sehr schwer entkommen, wenn man nicht offen bleibt und einen gewissen Grad an Skeptizismus mitbringt. Daher ist es durchaus normal, das man einen "Tunnelblick" entwickelt und den Rest ausblendet. Außerdem will man sich natürlich präsentieren und sein Wissen zur Schau stellen. Diese Kombination lässt einen die Welt noch eingeschränkter betrachten.
Dabei sollte es im Studium ja genau ums Gegenteil gehen.
Sagt wer? Man studiert ja nun im Prinzip einen Bereich. Bei deiner Bekannten ist das die Rechtswissenschaft und natürlich erlangt man dann in dem Bereich auch umfangreicheres Wissen, als es "normale" Menschen haben. Man geht tiefer in die Materie und wenn man das nicht studiert, kann man das eben kaum nachvollziehen. Da ist es schon ganz günstig, wenn man jemanden hat, der das dann nachvollziehen kann, was man so von sich gibt.
Ich studiere auch und dringe natürlich auch tiefer in die Materie ein, was dazu führt, dass man sich mit bestimmten Themen eben mehr beschäftigt. Mit Menschen, die das nicht studieren, kann man sich darüber nicht unterhalten, einfach weil sie nicht mitreden können und es vermutlich auch gar nicht wollen, weil das Interesse fehlt. Man müsste das Gespräch ziemlich runter brechen, um sich annähernd darüber unterhalten zu können und fraglich ist, ob dass dann Sinn ergibt.
Auch im Alltag sieht man immer wieder das, was man selbst studiert und natürlich kann man das nicht mehr so sehen, wie es Menschen sehen, die das nicht studieren. Dann würde man sich ja auch zurück entwickeln. Sieht man also einen profanen Beitrag im TV, dann denkt man sicherlich über die rechtlichen Konsequenzen nach, wenn man Rechtswissenschaften (übrigens studiert man kein Jura - auch das werden dir Rechtswissenschaftsstudenten näher erläutern können) studiert.
Hör also drüber weg oder frage nicht nach rechtlichen Aspekten. Du kannst deine Freundin auch auf ihre Verhaltensweise hinweisen und ihr sagen, dass dich das stört, aber erwarte dann nicht irgendwann einen juristischen Rat.
Durch ein Studium erlangt man Fachwissen, dass man mit normalen Menschen kaum zur Anwendung bringen kann. Daher scharren nicht wenige hinterher um sich die gleichgesinnten die da gleiche studiert haben und geistig auf einer Ebene sind. Dann wird natürlich auch das fachliche Diskutiert und immer wieder Bezüge aus dem Studium zur Anwendung gebracht, das ist vollkommen normal.
Wenn jemand nicht zu dem erlesenen Kreis gehört, dann ist das für ihn langweilig weil er nur Bahnhof versteht, sich nicht einbringen kann und auch ausgeschlossen fühlt. Auch das ist normal, aber wozu sollte man Jahrelang studieren um sich dann hinterher mit seinen "Artgenossen" dauerhaft über Nagellack, Promigeschichten und Klatsch zu unterhalten wenn man geistig doch weiter entwickelt ist als jemand ohne Fachwissen in einem bestimmten Bereich?
Eine eingeschränkte Sichtweise ist das sicherlich nicht, nur weil du nun in dieser Runde gelandet bist und dort gerade das ganze Thema war. Es ist mit Sicherheit nicht so, dass das 7 Tage die Woche 24 Stunden am Tag anhält und an nie über etwas anderes spricht, nur dann bist du wahrscheinlich nicht mit dabei und nimmst es daher so wahr. Ein Studium mit Fachwissen in einem Gebiet erweitert den Horizont und die Sichtweise um einiges, aber andere nehmen das als Einschränkung wahr wenn sie eben nicht zum erlesenen Kreis gehören.
Ich brauche mich auch nicht mit einem Verkäufer über Marketing der höheren Ebene unterhalten, mit ihm muss ich keine Prognosen diskutieren und auch keine Analysen erstellen was sich in 10 Jahren mit welcher Strategie am besten verkaufen lässt. Man bekommt zwar Antworten die aus dem Bauch heraus kommen und vom Gefühl her, aber fachlich steckt da wenig bis gar nichts dahinter. Daher diskutiere ich so etwas auch lieber mit meines gleichen, genauso wie die beiden Juristen. Oder würdest du die Laienmeinung dann hören wollen?
winny2311 hat geschrieben:Dabei sollte es im Studium ja genau ums Gegenteil gehen.
Sagt wer? Man studiert ja nun im Prinzip einen Bereich.
Sagen sehr viele. Wie traurig wäre es denn, wenn man an der Uni nur zum Fachidioten ausgebildet wird? Man hat so viele Möglichkeiten, seinen Horizont zu erweitern: durch Austausch mit anderen Studenten, Fächer im freien Wahlbereich, Studenteninitiativen usw. Selbst meine Dozenten ermuntern uns dazu eher interdisziplinär zu denken, aber das kann auch eine Besonderheit meines Fachbereichs sein. Ich hoffe, aus meinem Studium mit etwas mehr Erfahrungen rauszugehen als Fachwissen.
Bei dir klingt das ja fast so, als könnte man als Student nur noch mit seinen Kommilitonen befreundet sein, weil alle anderen automatisch unwissende Langweiler werden. Selbst wenn du als Student "tiefer in die Materie" eindringst, streust du dein Fachwissen doch trotzdem nicht in jedes andere Thema mit ein (was ja der Ursprung meines Threads war).
Sorae hat geschrieben: Auch das ist normal, aber wozu sollte man Jahrelang studieren um sich dann hinterher mit seinen "Artgenossen" dauerhaft über Nagellack, Promigeschichten und Klatsch zu unterhalten wenn man geistig doch weiter entwickelt ist als jemand ohne Fachwissen in einem bestimmten Bereich?
Ich weiß ja nicht, was für einen Freundeskreis du hast, aber ich kann mich mit meinen fachfremden Freunden sehr gut über alle möglichen Themen außer Nagellack und Klatsch unterhalten. Meine Freunde aus der Schulzeit studieren schließlich auch die unterschiedlichsten Dinge oder haben eine Ausbildung abgeschlossen und ich habe nicht das Gefühl, deswegen geistig weiterentwickelt zu sein. Nach Laienmeinungen wird bei uns auch gar nicht gefragt, denn es ist sehr ermüdend, sich abends beim Bierchen weiter über sein Fach diskutieren zu müssen. Dafür sind ja die eigenen Kommilitonen da.
Ich denke das es sich mit der Zeit legen wird. Er ist vom Fach und sie kurz vor der Prüfung da ist , scheint fast natürlich das sie nur von dem Thema sprechen. Als Laie steht man natürlich doof da, aber es wird auch wieder anders werden.
Ich habe zwei Arbeitskollegen die sich untereinander den ganzen Tag über Gel Nägel, Haarkuren und Klamotten unterhalten können. Sie sind Jung haben keine großen Verpflichtungen ist halt so. Wenn wir zusammenarbeiten haben wir aber auch ganz normale Themen.
Ähnliche Themen
Weitere interessante Themen
- Oberflächliche Bekannte, die einem etwas verkaufen wollen 1192mal aufgerufen · 11 Antworten · Autor: celles · Letzter Beitrag von Gorgen_
Forum: Freizeit & Lifestyle
- Oberflächliche Bekannte, die einem etwas verkaufen wollen
- Findet ihr Veganer die Eier essen seltsam? 1158mal aufgerufen · 16 Antworten · Autor: M. Mizere · Letzter Beitrag von Wibbeldribbel
Forum: Essen & Trinken
- Findet ihr Veganer die Eier essen seltsam?
- Kind bekommt von Mutter nur Toastbrot - noch normal? 528mal aufgerufen · 9 Antworten · Autor: Ramones · Letzter Beitrag von Wibbeldribbel
Forum: Familie & Kinder
- Kind bekommt von Mutter nur Toastbrot - noch normal?
- Fürs Abendessen im Hotel besonders hübsch aussehen wollen? 1142mal aufgerufen · 13 Antworten · Autor: Prinzessin_90 · Letzter Beitrag von Wibbeldribbel
Forum: Urlaub & Reise
- Fürs Abendessen im Hotel besonders hübsch aussehen wollen?
- Auf amerikanische Rezepte wegen Umrechnung verzichten? 391mal aufgerufen · 4 Antworten · Autor: Crispin · Letzter Beitrag von Wibbeldribbel
Forum: Essen & Trinken
- Auf amerikanische Rezepte wegen Umrechnung verzichten?