Gibt es eine Entschuldigung für unterlassene Hilfeleistung?
Vor einigen Tagen habe ich den Medien entnommen, dass ein alter Mann um die 82 wohl in einer Bankfiliale zusammengebrochen ist und letzten Endes wegen unterlassener Hilfeleistung gestorben ist. Nach ihm haben 4 Bankkunden die Filiale betreten um ihre Angelegenheiten vor Ort zu erledigen, teilweise sind sie auch über ihn hinweg gestiegen und haben nicht auf ihn reagiert. Erst der 5. Bankkunde hat schließlich Hilfe geholt und ihm war der Zustand des alten Mannes nicht egal. Jetzt ermittelt die Polizei wegen unterlassener Hilfeleistung und hat auch schon die Namen der vier Bankkunden für ihre Ermittlungen herausgefunden. Klick.
Wie die rechtliche Lage in diesem Fall aussieht, soll hier eigentlich gar nicht thematisiert werden. Wenn unterlassene Hilfeleistung nicht strafbar wäre, dann würde die Polizei ja nicht in diesem Fall ermitteln. Aber wie sieht es auf der persönlichen und privaten Ebene aus? Findet ihr es entschuldbar, wenn man in einer Notsituation nicht hilft, weil man keine Zeit hat oder vielleicht zu einem Termin muss oder was auch immer? Welche Entschuldigung würdet ihr persönlich im Fall einer unterlassenen Hilfeleistung akzeptieren oder gibt es diese Entschuldigung in euren Augen gar nicht?
Meinst du in diesem konkreten Fall? Da sehe ich gar keinen Grund, warum man nicht helfen sollte. Selbst wenn man den Mann nicht selbst ansprechen mag, kann man Hilfe holen. Entweder durch Mitarbeiter der Bank, wenn es während der Öffnungszeiten ist und man wählt den Notruf. Immerhin ist der Gesetzgeber vor einigen Jahren dazu über gegangen, dass es reicht, wenn man Hilfe holt. Man kann sich ja leider heute nicht mehr sicher sein, ob ein optisch älterer Mann wirklich einer ist.
Anders sieht das aus, wenn es um Unfälle geht, wo Blut fließt. Da kann ich keinen Helfer gebrauchen, der droht jeden Moment aus den Socken zu fallen. Wer also weiß, dass er kein Blut sehen kann, der sollte sich darauf beschränken telefonisch Hilfe zu holen und nicht selbst Hand anlegen. Aber insgesamt kann man da niemanden entschuldigen, da es immer die Möglichkeit gibt den Notruf zu nutzen.
Moralisch gesehen gibt es gar keine Entschuldigung für solch ein Verhalten. Denn auch wenn Blut fließt, muss man als Ersthelfer nicht in der ersten Reihe stehen und sich im Blut wälzen wenn man es nicht sehen kann, ein einfaches betätigen des Notrufes reicht schon aus um seine Pflicht zu erfüllen. Ist man zu mehr nicht in der Lage, warum sollte man dafür dann jemanden Verurteilen? Nicht alle können Blut sehen, nicht alle haben einen Erste Hilfe Kurs abgeleistet und manche sind einfach komplett Überfordert. Aber das telefonieren kann ich von jedem verlangen, ansonsten wird auch mit dem Handy überall gewunken und gewedelt, eifrig getippt und Nachrichten gelesen. Aber dort geht es auf einmal dann nicht mehr und dafür fehlt mir das Verständnis.
Manches kann man schon entschuldigen. So muss keine Mutter anhalten, die auf der Rückbank 3 kleine Kinder sitzen hat wenn sie auf der Autobahn einen Unfall sieht um auszusteigen und zu helfen. In diesem Bezug hat die Aufsichtspflicht gegenüber ihren Kindern Vorrang aber sie muss dennoch den Notruf tätigen um ihrer Pflicht gerecht zu werden. Aktiv muss sie nicht eingreifen, sollte auch moralisch verständlich sein. Denn was bringt es wenn die Mutter eifrig reanimiert und ihre Kinder in der Zeit aus dem Auto aussteigen und über die Autobahn auf der Gegenseite rennen und dort überfahren werden? Nichts.
Termin hin oder her, es reicht wie gesagt aus den Notruf zu wählen. Alles andere ist nur optional für die Laien, auch wenn es schön wäre das mehr aktiv etwas machen anstatt dann nur zu stehen und zu gucken. Es macht auch keinen tollen Eindruck, wenn man nur den Notruf wählt und dann weiter geht, aber rechtlich ist das in Ordnung und man hat seiner Pflicht folge geleistet. Damit kann man auch seine Termine wahrnehmen, wenn diese einem wichtiger sind als ein Menschenleben.
Bei Medizinern sieht das nochmals anders aus. Dieser kann nicht einfach den Notruf wählen und abhauen zu seinem Termin, da er noch die Garantenstellung innen hat. Er muss aktiv helfen, ob es ihm passt oder nicht und auch ungeachtet dessen, dass es vielleicht nicht sein Fachgebiet ist mit blutenden Wunden wenn er sich ansonsten mit Würmern im Darm befasst.
Rechtlich gesehen würde ich mir dafür härtere Strafen wünschen und nicht nur was existiert. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen, nur weil jemand zu faul war, einen Termin hatte oder einfach keine Lust das Telefon zu bedienen und den Notruf zu wählen ist ein Mann nun Tod der vielleicht hätte gerettet werden können. Davon auszugehen, dass alles was in der Gegend liegt ein besoffener Penner ist, ist einfach übel. Aber der Trend der Gesellschaft geht dahin, Augen zu was mich selbst nicht betrifft und irgendwer anderes wird es schon machen. Dafür sollte man direkt mal 10 Jahre einfahren in den Knast, im Anschluss noch Schmerzensgeld an die Angehörigen abdrücken dürfen. Nur wenn es einem richtig weh tut, dann kommt vielleicht mal ein Umdenken in Gang, so wird das aber nur weiter zunehmen.
Es ist so einfach, Handy in die Hand nehmen wo fast jeder eines hat, drei Ziffern wählen und die 5 W Fragen beantworten. Das dauert keine 60 Sekunden, mehr muss man nicht machen als Laie und dennoch scheint das schon zu viel verlangt zu sein. Traurig, aber das kriegen sogar schon 3 jährige Kinder hin wie ich selbst schon erlebt habe. Ich habe auch schon einen 5 jährigen Jungen gesehen wie er seinen kleinen Bruder reanimiert hat während die Erwachsenen nur dumm herum standen und gegafft haben. Wird es Kindern aber schon so vorgemacht, dann wird das in der Zukunft nicht anders laufen.
Es gibt überhaupt keine Entschuldigung, denn jeder Mensch, egal ob er einen erste Hilfekurs gemacht hat oder nicht, weiß welche Nummer man wählen muss um einen Notruf abzusetzen und dafür ist immer Zeit. In Zeiten von Handys sogar noch besser als zu den Zeiten wo man sich erst noch eine Telefonzelle suchen musste. Auch ein leerer Akku ist nicht wirklich eine Ausrede, denn man kann jemand anderen ansprechen, anhalten oder wie im Fall der Bankfiliale das Telefon vor Ort nutzen, welches normalerweise zur Hotline geleitet wird, aber Notruf ist über diese Telefone auch möglich.
Einen Notruf kann jeder absetzten, direkt erste Hilfe leisten und dem Menschen direkt helfen kann sicherlich nicht und es bringt auch nichts, wenn der Helfer dann selber anschließend noch Hilfe benötigt. Nicht jeder kann Blut sehen oder in einer solchen Situation so besonnen bleiben, das das vielleicht gelernte Wissen abrufbar ist. Genauso bringt es nichts, wenn man versucht zu helfen und damit sich selber oder vielleicht die Kinder, die dabei sind in Gefahr bringt. Da finde ich darf ruhig ein wenig unterschieden werden, aber anrufen, das kann nun mal jeder.
Allerdings ist mir schon häufiger aufgefallen, das viele auch denken, das ist nicht so schlimm, das wird schon und dann auch nach dem Motto Augen zu und durch handeln oder eben auch einfach total verunsichert sind und Angst haben wegen einer Nichtigkeit den Notruf zu tätigen.
Ein Beispiel hatten wir da mal auf der Arbeit, ein Mitarbeiter fühlte sich nicht wohl und hat sich in den Erste Hilfe Raum gelegt. Der Ersthelfer (und die werden regelmäßig geschult) hat zwar zwischendurch mal geschaut wie es aussieht, war aber der Meinung, das der Mitarbeiter sich schon meldet, wenn es schlimmer wird. Als ich davon mitbekommen habe, bin ich mal schauen gegangen und hab gesehen roter Ausschlag auf der Haut war und der Puls am rasen war. Der Mitarbeiter wollte keinen Krankenwagen und der Ersthelfer war wohl so verunsichert, das er sich an den Wunsch des Mitarbeiters gehalten hat.
Aber was interessiert mich denn in einer solchen Situation was der verunfallte will? Der kann das meist ja gar nicht mehr richtig abschätzen. Ich hab dann kurzerhand den Krankenwagen gerufen, denn ich hatte einfach nur ein sehr ungutes Gefühl und das hat sich auch bestätigt. Der Mitarbeiter hatte einen anaphylaktischen Schock. Das hätte also auch ganz anders ausgehen können. Da hab ich eben auch gesehen, das trotz regelmäßiger Schulungen eine solche Verunsicherung herrscht, das man lieber einfach abwartet, was eben auch fatal sein kann.
Ich finde es richtig gut, das die Bank die Daten der Kunden weiter gegeben hat, denn diese sind über den Geldautomaten und die dahinter laufenden Prozesse mit Leichtigkeit herauszufinden. Da frage ich mich wirklich wie blöd muss man eigentlich sein. Jeder weiß, das unterlassene Hilfeleistung strafbar ist und auch das Geldautomatenräume eine Videoüberwachung haben und das man auf die Minute genau nachvollziehen kann, wann man Geld vom Geldautomaten abgehoben hat, denn letzteres steht ja sogar so auf dem Kontoauszug. Damit ist absolut klar, das man entweder erkannt wird oder eben sogar die vollen Daten über die Bank mit Leichtigkeit ermittelt werden können und bei einer Straftat ist die Bank auch berechtigt die Daten herauszugeben. Da greift der berühmte Datenschutz nicht mehr.
Ich habe ein Bild gesehen, wie der Mann in der Filiale lag und da kann niemand mehr sagen, man dachte es wäre ein Penner oder ähnliches, zum einen weil er mitten im Weg lag und auch die gesamte Haltung nicht auf einen schlafenden Menschen hindeutete, dafür lag er doch ein wenig zu "verdreht".
Ich hoffe das dieser Fall andere Menschen mal ein wenig aufrüttelt, das man nicht immer ungeschoren davon kommt, sondern eben auch mit den Konsequenzen leben muss, nur weil man sich da 3 Minuten gespart hat, dafür kann man jetzt im Nachhinein viel mehr Zeit, Rennerei, Ärger, Kosten investieren. Ich hoffe auch das die Konsequenzen, also die Strafen die verhängt werden in den Medien genannt werden. Wobei diese wahrscheinlich viel zu gering ausfallen.
Es gibt deshalb keine Entschuldigung, weil man schon mit einem kurzen Anruf rechtlich auf der sicheren Seite ist und fast jeder heute ein Handy dabei hat. Der Gesetzgeber schreibt mir nicht vor, dass ich anhalten muss wenn ich einen Unfall sehe und mich an den Opfern in erster Hilfe versuchen muss.
Wenn ich Nachts alleine unterwegs bin und wenn mir die Situation komisch vorkommt und ich deshalb nicht anhalten und aussteigen möchte muss ich das auch nicht, ich muss nur den Notruf wählen. Das gleiche gilt sicher auch wenn man keine Zeit hat. Denn während "keine Zeit" oft eine Ausrede ist gibt es ja wirklich manchmal Situationen, in denen man nicht am Unfallort aussteigen und auf den Notarzt warten kann. Ein geschäftlicher Termin hätte vielleicht Verständnis, aber ein Flug wartet nicht auf mich und den Schaden ersetzt mir ja niemand.
Die einzige Entschuldigung, die ich noch halbwegs nachvollziehen könnte, wäre, dass jemand die Notlage einfach nicht erkannt hat. An meinem früheren Wohnort hatte ich den ganzen Wahnsinn an Karneval bzw. Fasching direkt vor der Tür und ich hatte da mehrere Situationen, wo mir nicht direkt klar war ob jemand einfach nur betrunken ist oder ob der schon so weit weg getreten ist, dass stabile Seitenlage und ein Anruf beim Rettungsdienst angebracht sind.
Ich kann nicht nachvollziehen, wie man einen offensichtlich bewusstlosen Menschen einfach so liegen lassen oder sogar über ihn hinweg steigen kann, als wäre er einfach nur ein heruntergefallener Gegenstand. Da ist es doch egal, ob man einen Termin hat oder nicht, immerhin geht es um ein Menschenleben. Man hätte wenigstens den Notarzt verständigen können.
In Situationen in denen es viel Blut gibt, kann man sicherlich nachvollziehen, wenn sich jemand nicht ganz nah an die Verletzten heran traut, wenn er eben kein Blut sehen kann. Aber ich denke und weiß, dass man in solchen Situationen auch plötzlich über sich hinaus wachsen kann. Man sollte trotzdem immer dafür sorgen, dass der hilfsbedürftigen Person die Hilfe auch zukommt und eben den Rettungsdienst alarmieren.
Ich würde im Zweifelsfall schon den Notruf anrufen, aber erste Hilfe leisten könnte ich auch nicht. Ich muss zwar öfters solche Kurse besuchen, das gibt es auch bei uns in der Arbeit, dass da jemand kommt und uns in der ersten Hilfe schult, aber ich könnte mich dann nicht dazu überwinden, das auch anzuwenden und eine fremde Person anzufassen. Gerade wenn da jemand liegt, der vielleicht so wirkt, als sei er betrunken, dann hätte ich Angst, denjenigen anzufassen. Aber wie hier schon geschrieben wurde, muss man das ja nicht, es reicht ja, wenn man den Notruf wählt.
In dem Fall, der da durch die Medien ging, könnte ich mir vorstellen, dass die Leute vielleicht davon ausgegangen sind, dass schon der Notruf alarmiert wurde. Denn wenn der Raum da video überwacht ist, da denkt man vielleicht, dass doch jemand diese Überwachung gerade ansieht und schon jemanden verständigt haben muss.
@Zitronengras du kannst doch nicht wirklich davon ausgehen, dass die Leute dachten, dass da ein Notruf abgesetzt wurde. Selbst wenn jemand angerufen hätte, hätte man doch stehen bleiben können, noch mal anrufen können oder was auch immer. Muss man wirklich drüber steigen? Es hätte ja auch nicht geschadet, wenn man noch mal angerufen hätte.
Ich finde nicht, dass es eine Entschuldigung gibt, wenn man nicht hilft. Es ist verdammt noch mal die Pflicht eines jeden wenigstens einen Anruf abzusetzen. So schwer ist das doch nicht und die paar Fragen kann doch auch jeder kurz beantworten. Da muss man nichts machen, keinen berühren oder sonst irgendetwas.
Gerade in heutiger Zeit, wo jeder ein Handy hat finde ich es einfach nur fahrlässig, wenn man nicht mal schafft dieses Ding auch für sinnvolle Sachen zu nutzen. Es erwartet ja gar niemand dass man dann tatsächlich auch reanimiert, aber anrufen kann man doch wohl.
Außerdem hatte man ja meistens doch irgendwann mal im Leben einen Erste Hilfe Kurs und selbst wenn dieser ewig zurückliegt kann man es doch mal versuchen. Zu verlieren hat man doch nichts und in die stabile Seitenlage sollte man einen Menschen doch bekommen. Selbst wenn man sich das aber nicht zutraut kann man doch mit der Person reden, sagen das alles gut wird.
Ich finde die Vorstellung so schlimm dort zu liegen und in den letzen Minuten seines Lebens noch mitzubekommen wie andere Menschen über einen steigen. Immerhin war die Person ja nicht sofort tot. Es ist schlimm wo sich das alles hinentwickelt hat und wie egal uns ein Menschenleben geworden ist. Ich würde helfen, falsch machen kann man nicht viel und einen Versuch ist es doch wert.
Zitronengras hat geschrieben:In dem Fall, der da durch die Medien ging, könnte ich mir vorstellen, dass die Leute vielleicht davon ausgegangen sind, dass schon der Notruf alarmiert wurde. Denn wenn der Raum da video überwacht ist, da denkt man vielleicht, dass doch jemand diese Überwachung gerade ansieht und schon jemanden verständigt haben muss.
Nur weil irgendwo eine Videokamera hängt, heißt das noch lange nicht, das diese auch immer Life angeschaut wird von irgendwem anderes. Man muss sich da nur mal überlegen, was das dann alles kostet. Davon abgesehen ist ein Geldautomatenraum kein Hochsicherheitstrackt, wo es wichtig ist, das dieser permanent beobachtet wird (obwohl, wenn das so weiter geht mit den Geldautomatensprengungen, wer weiß das dann schon noch), ganz im Gegenteil gerade dort ist es wichtig aus Beweissicherungsgründen die Videoaufnahmen auf Band aufzuzeichnen und diese für eine gewisse Frist aufzubewahren. Was wie man in diesem Fall sehr wichtig ist.
Zumal dieses Denken, jemand anders ruft schon an oder jemand anderes hat schon angerufen, niemanden von der unterlassenen Hilfeleistung freispricht und auch überhaupt keine Entschuldigung ist.
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