Wie geht man mit vehementen Impfgegnern um?
Ich akzeptiere, dass einige Leute aus gesundheitlichen Bedenken ihr Kind nicht impfen wollen. Gründe gibt es da viele. Manche Kinder sind zum Beispiel gegen Stoffe allergisch, die in den Impfseren enthalten sind. Manche Leute haben schon mal eine Impfnebenwirkung erlebt, die ihnen Angst gemacht hat. Ich denke auch, dass da alle Eltern sich gründlich und kritische eine eigene Meinung bilden sollten, wie viele Impfungen sie sich und ihren Kindern geben lassen wollen. Ich weiß auch, dass es in Kreisen intellektueller Eltern ein zunehmender Trend ist, hier skeptisch zu sein. Aber: Ich finde es wichtig, dass man da selbstständig zu einer Meinung kommt.
Neulich kam mir schon wieder eine Mutter unter, die selbst Impfgegnerin ist. An sich nichts besonderes, denn ich weiß das von mehreren Eltern, dass sie diesen Standpunkt vertreten. Was an dem Fall aber neu war, war die vehemente Intoleranz dieser Person. Mein jüngstes Kind ist noch unter drei Jahre alt, also in einem Alter wo das Immunsystem noch nicht so tadellos alle Keime abwehrt wie beispielsweise bei Schulkindern. Dass da mit häufigeren Infekten gerechnet werden muss, ist normal. Nun hatte diese Mutter eben angefangen mich regelrecht zu beschimpfen, dass mein Kind nur deshalb ständig krank sei, weil ich es angeblich zu viel impfe. Da blieb mir erst mal kurzzeitig der Mund offen stehen. Ich konnte gar nicht glauben, dass es Leute gibt, die so etwas ernst meinen.
Ich legte also der Person freundlich meine Ansicht dar, dass ich da keinen Zusammenhang sehe. An dem Punkt hätte man das Gespräch auch problemlos abbrechen können, aber die andere Mutter hörte einfach nicht auf zu agitieren. Sie erzählte mir eine Masse an Informationen, die aus wissenschaftlicher Sicht wohl kaum so haltbar sind. Sie zweifelte die Wirksamkeit von Impfungen generell an. Ebenso erzählte sie mir, was angeblich für lebensgefährliche Gifte und Schwermetalle in den Impfseren enthalten seien, ohne dass Eltern dies gesagt würde. Auf meine Frage, wie solche Substanzen die Arzneimittelzulassung erfolgreich bestehen würden, konnte sie mir freilich nicht antworten.
Weiter ging es mit Theorien, dass die Seuchen, gegen die man impft sowieso nicht real existent seien. Also nach deren Meinung gäbe es zum Beispiel keine Masern. Komisch nur, dass ich als Kind selbst mal Masern hatte und diese auch heute wieder auf dem Vormarsch sind. Ebenso vertrat sie die Ansicht, dass diese Krankheiten sowieso nur als B-Waffen während einem Krieg zum Einsatz kämen und nicht in Friedenszeiten zur Anwendung kämen.
So weit so komisch. Anfangs habe ich versucht noch mit der Person zu diskutieren. Aber wenn sich jemand so in sein Argumentationsgebäude versteift hat, dann kann man da mit Vernunft und Argumenten sowieso nichts ausrichten. Im Gegenteil: Sie fing immer mehr an mit zu beschimpfen, wie verantwortungslos ich angeblich sei, mein Kind zu impfen.
Mir ist so eine Situation noch nie passiert. Normalerweise reicht es, wenn man Standpunkte austauscht und jeder dann seine Meinung bewahrt. Aber in dem Fall habe ich die Person einfach stehen gelassen, weil einfach nur noch fassungslos war, wie aufdringlich man da agitiert wird. Wie geht ihr mit so etwas um? Oder ist euch dergleichen auch bisher noch nie passiert? Würdet ihr solchen Menschen vielleicht sogar ins Gesicht sagen, dass ihr sie auf Schadensersatz verklagt, wenn ihr unqualifizierter Medizinischer Rat dem eigenen Kind geschadet hat? Oder kann man solche Personen anderweitig in die Schranken weisen, indem man ihnen klar macht, dass so ein Verhalten irgendwie aus Laiensicht nicht mehr unter die Freiheit der Meinungsäußerung fällt?
Denn irgendwie kann ich mir nicht so recht vorstellen, dass man einfach so herum laufen darf und als Nichtmediziner andere Leute so subjektiv und unsachlich zum Thema Impfen zu bequatschen. Denn ich denke nicht, dass jeder einfach so im realen Leben jenseits des Internets medizinische Beratung ohne Qualifikation erteilen darf. Wie würde ihr da vorgehen? Oder würdet ihr solche Leute nur auf offener Straße laut auslachen? Oder würdet ihr sogar ausfallend werden und denjenigen beschimpfen?
Das ist schon eine Hausnummer, so einem Menschen zu begegnen, der ohne fundiertes medizinisches Wissen sich selbst Zusammenhänge zusammenknüpft und diese seinem Gegenüber sogar beleidigend einreden möchte. Mir sind solche Menschen bisher noch nicht untergekommen, ich würde sie mir ehrlich gesagt auch nicht wünschen, weil sie irgendwo paranoide Züge zeigen, die man einfach schwer durchbrechen kann. Auf zielgerichtete, ihre Naivität offenbarende Fragen haben sie freilich keine Antwort parat, weil sie weder das entsprechende Wissen mitbringen, um diskutieren zu können, noch auf Gegenargumente eingehen.
Als Arzt hat man in solchen Situationen die recht schwierige Aufgabe, die Eltern möglichst klar, umfassend und verständlich aufzuklären. Offene Fragen sollte es nach dem ärztlichen Gespräch möglichst keine mehr geben, wenn doch, sind sie deutlich anzusprechen. Hat man den Eindruck, dass die Eltern komplett dicht machen und keinerlei Aufklärung für notwendig halten und von vornherein blockieren, kann man, glaube ich, als Arzt auch wenig machen. Ich persönlich finde solche Eltern verantwortunglos, da es unzählige Berichte von vielen tödlich verlaufenden Erkrankungen gibt, die man mittels Impfung durchaus verhindern kann.
Mir fällt gerade ein, dass ich kurz lachen musste, nachdem ich diese Passage eben gelesen habe.
[...]dass mein Kind nur deshalb ständig krank sei, weil ich es angeblich zu viel impfe.
Es gibt sowas, das nennt sich Grundimmunisierung: Bis sich der Körper auf den Erreger einstellen und Antikörper bilden kann, braucht er gewisse Reize, die ihm durch maximal 4 Grundimpfungen gegeben werden. Zumindest bei den Säuglingen bzw. Kleinkindern ist man mit rund 2-3 Jahren mit 95% aller Impfungen durch (laut STIKO-Empfehlungen), die wichtigsten wird man bis zu dem Alter gemacht haben. Alles, was danach kommt, sind Auffrischungen, die mit einer Injektion getan sind und womit man dann meist für 10 Jahre Ruhe hat.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich auf solche Menschen reagieren würde. Eine gewisse, nachvollziehbare, rational belegbare Skepsis ist ja schön und gut, aber sobald solche Gedanken paranoide, schizophrene Züge annehmen, hört für mich der Spaß an. Man kann sich ja vieles zusammenreimen, aber irgendwelche Verschwörungstheorien aufzustellen und allein aus diesem Grunde mit der Gesundheit der Kinder zu spielen, halte ich für grob fahrlässig und unverantwortlich.
Bin zwar um Gottes Willen kein Mensch, der seinen Mitmenschen was Böses wünscht, aber gerade diesen Eltern würde ich mir mal wünschen, dass sie haarscharf am Tod durch Polio oder Masern vorbeischrammen, um ihnen die Augen zu öffnen - aber selbst dann würden sie wohl darauf bestehen, dass es etwas anderes war und die Impfung den Verlauf nicht wesentlich hätte beeinflussen können.
Ich glaube, dass deine Bezeichnung "vehementen Impfgegner" hier nicht passt und du damit den Impfgegnern generell unrecht tust. Denn - ich behaupte mal - so eine Einstellung haben eben nicht alle (eigentlich die wenigstens) Impfgegner.
Es ist immer wieder ärgerlich, wenn Impfschäden regelmäßig verharmlost werden bzw. die Wahrscheinlichkeit dazu heruntergesetzt wird. Dabei wird nie bedacht, dass Ärzte hier darüber zu befinden haben, wann ein Impfschaden als solcher anerkannt wird und damit indirekt andere Ärzte "anschwärzen" müssen. Das ist ein schwieriger Weg und wer schon mal wg. Verfehlungen eines Polizisten gegen eben einen Polizisten gerichtlich vorgehen musste, wird wissen, was es bedeutet, von Beginn an in der Rolle dessen zu stehen, der mutmaßlich lügt. Weil es eben langwierig (teuer) ist, hier eine Anerkennung zu erreichen, sind die Zahlen auch sehr gering. Und diese Zahlen werden aber regelmäßig herangezogen, wenn es darum geht, das Risiko einer Impfung zu bewerten.
Jetzt zu dem von dir geschilderten Fall: hier bringt es ja recht wenig, Argumente zu sammeln oder eine Diskussion zu beginnen. Wenn auf eine solche fundamentalistische Ansicht in einer höchst privaten Frage getroffen wird, kann man auch gleich darüber streiten, was die einzig richtige Lieblingsfarbe sein kann. Hier kann man eigentlich nur deutlich machen, dass man nicht weiter über das Thema sprechen will und das Thema wechseln oder aber schlicht gehen.
derpunkt hat geschrieben:Ich glaube, dass deine Bezeichnung "vehementen Impfgegner" hier nicht passt und du damit den Impfgegnern generell unrecht tust. Denn - ich behaupte mal - so eine Einstellung haben eben nicht alle (eigentlich die wenigstens) Impfgegner.
Über die Bezeichnung dieser Person habe ich auch lange gegrübelt. Möglicherweise hat ja getku recht und es geht bei dieser Person wirklich irgendwo in die Richtung von paranoiden oder schizophrenen Ideen? Vielleicht wäre so ein Begriff passender. Ich bin aber kein Psychiater und Psychologe und würde mir nicht zutrauen so eine Diagnose aus einer losen Bekanntschaft zu fällen. Das würde vermutlich noch nicht mal ein Psychiater oder Psychologe wollen, solche Verhaltensweisen ohne Test als krankhaft zu bezeichnen. Mir ist da einfach das Eis zu dünn, um solche Behauptungen aufzustellen.
Vielleicht fällt dir, derpunkt, ja eine bessere Bezeichnung ein? Aber ich denke schon, dass ich trotz nicht optimaler Begrifflichkeit im ersten Absatz meines Threads schon eindeutig klar gestellt habe, das ich Unterschiede mache. Ich sehe nämlich durchaus einen Unterschied zwischen jemanden, der friedlich seinen Weg geht und auch mal gegen eine Impfung ist und jemanden, der anfängt, gegenüber andersdenkenden ausfallend zu werden.
Im Übrigen ist mein Kind natürlich nicht "so viel" geimpft. Auch unser Kinderarzt hält sich an das übliche Prozedere, das von der Stiko als Empfehlung heraus gegeben wird. Von daher kann ich durchaus verstehen, wenn manche Leute über dieses vermeintliche Argument laut lachen müssen.
Ich finde solche Diskussionen haben durchaus ihre Berechtigungen, wenn sie sachlich stattfinden. Wenn man also logisch argumentiert und man dann miteinander ins Gespräch kommt, kann man schön darüber reden auch ohne einer Meinung zu sein.
Der geschilderte Fall ist aber auf jeden Fall ein Sonderfall. Diese Frau hat meiner Meinung nach schon irgendwie psychische Probleme. Es scheint ein bisschen so als hätte sie ein ganz eigenes Bild ihrer Welt und würde sich nicht großartig darum scheren was andere Menschen denken.
Wenn jemand dauernd auf eine so unsachliche Art und Weise argumentiert, reicht es mir irgendwann und ich sage dann nichts mehr, verabschiede mich und gehe. Ich sehe alles andere als Zeitverschwendung an und das brauche ich nicht.
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