Wieso können Schüler kein fließendes Latein?

vom 24.10.2016, 18:46 Uhr

In der Schule bin ich von Latein verschont geblieben, stattdessen entschied ich mich neben dem Pflichtfach Englisch für Französisch und Spanisch. In beiden Sprachen konnte ich auch halbwegs Unterhaltungen führen und hatte auch ein recht gutes Hörverständnis, sodass ich französische oder spanische Dialoge im Fernsehen verstand.

Obwohl Latein ebenfalls gelehrt wurde und so manch einer damit von der siebten bis zur dreizehnten Klasse "gequält" wurde, konnte aber keiner fließend Latein. Oft hieß es als Begründung meiner Mitschüler, Latein sei eine tote Sprache und würde nun mal nicht gesprochen. Aber was zur Hölle treibt man dann sieben Jahre lang im Lateinunterricht, wenn man nicht mal normal sprechen kann? Dass es sinnlos ist, fließende Unterhaltungen zu üben, ist mir schon klar, aber durch das Lernen der Sprache müsste es Schülern doch theoretisch möglich sein?

Ist Latein so unglaublich kompliziert, dass es nicht gesprochen werden kann, trotz jahrelangen Unterrichts? Und wenn ja, wie haben es Römer dann bewerkstelligt?

» Cappuccino » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Um Gottes Willen, sieben Jahre Schule reichen zum Sprechen nicht aus. Zumal man im Unterricht grundsätzlich nur lateinische Texte ins Deutsche übersetzt. Man spricht das nicht und oft reicht es für eine Klausur aus, einen einzigen Satz zu übersetzen. Der geht dann aber über mehr als eine halbe Seite eines Reclam Heftes. :lol:

Teilweise ist man schon 10 Minuten damit beschäftigt, nur den Hauptsatz zu finden und die Nebensätze zu ordnen. Dann kämpft man sich Stück für Stück durch und hat eine Rohfassung. Danach kommt der erste Feinschliff, bei dem man die Grammatik nach festen Regeln anpasst und danach das "rund machen", damit es gut klingt. Das natürlich auch immer unter Beachtung der tausend Regeln dafür.

Sprechen wäre wegen der unendlich vielen Deklinationen flüssig nur mit viel viel mehr Übung möglich. Das nächste Problem sind die Vokabeln selbst. Wie möchtest du dich unterhalten, wenn es die ganzen modernen Worte nicht gibt? Wie soll man die ganzen Dinge und Tätigkeiten nennen, die es damals noch nicht gab?

» cooper75 » Beiträge: 13432 » Talkpoints: 519,92 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Nicht alles, was man in der Schule (jenseits der vierten Klasse) lernt, ist immer sofort und für Außenstehende unmittelbar als praktisch anwendbar zu erkennen. Im Falle von Algebra beispielsweise kräht ja auch keiner "Was nützt einem die Fähigkeit, eine Parabel zu berechnen, wenn man im Supermarkt steht und Preise vergleicht!?" Oder "Was interessiert mich die Hauptstadt von Mosambique, ich muss nur wissen, wo mein Drogendealer wohnt!"

Und Latein lernt man eben nicht, um sich im Vatikan einen Kaffee bestellen zu können (da sprechen noch ein paar Leute Latein, aber die Sprache ist wirklich sauschwer), sondern um sich mit den kulturellen, geschichtlichen und philosophischen Inhalten auseinander zu setzen, die in dieser Sprache überliefert wurden. Zu Deutsch: Man lernt auf Latein über altes Zeug, weil es einen interessiert.

Außerdem ist Latein, weil die Sprache sich ja nicht mehr verändert und von komplexen Konstruktionen geprägt ist, sehr gut dazu geeignet, dass man lernt, wie eine Sprache überhaupt aufgebaut ist. Wenn man sich da erst einmal durchgekämpft hat, hat man die Grundlage für ein halbes Dutzend romanische Sprachen schon im Kopf, und Englisch kommt einem lächerlich einfach vor, da man gelernt hat, sechs Fälle und soundsoviele Zeiten auseinander zu halten. Wenn man dann noch fließend über den letzten Urlaub referieren kann, ist man schon ein ziemliches As in Fremdsprachen, aber nötig ist es eigentlich nicht.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Mir stellt sich die Frage, wieso man Unterhaltungen führen sollte. Man spricht Latein eben einfach nicht. Wobei ich sagen muss, dass Latein einfach die Grundlage vieler anderer Sprachen ist und man deswegen auch einiges versteht, ohne die Sprache wirklich je gelernt zu haben. Das gilt zum Beispiel für spanisch oder natürlich für italienisch.

Latein ist unheimlich praktisch, wenn man später etwas im medizinischen Bereich erlernen will. Sei es ein Medizinstudium oder eine Ausbildung in dem Bereich. Nein, man lernt das nicht, um sich zu unterhalten. Wobei Mediziner teilweise schon eine eigene Sprache sprechen und kennt man sich da nicht aus, versteht man eben nichts. Und das ist ja auch so gewollt. Insofern spricht man es ja doch irgendwie.

Die die ich kenne, die Latein gewählt haben, haben das auch aus diesem Grund gemacht: entweder wollten sie etwas Medizinischen erlernen, oder etwas mit Sprachen. So oder so war es hilfreich und vermutlich auch hilfreicher, als hätte man sich für eine andere Sprache entschieden. Auch wenn man diese vielleicht richtig sprechen kann.

Ich habe übrigens zwei Freundinnen, die sich damals wirklich auf Latein unterhalten konnten. Mir persönlich hat das Interesse daran gefehlt. Vokabeln lernen habe ich wirklich eingesehen und das man einiges übersetzen muss, auch. Aber das Sprechen dieser Sprache empfand ich persönlich als überflüssig.

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» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge



Wer spricht denn Latein? Kein Mensch. Ich hatte nur 3 Jahre Latein. Ich könnte es sprechen, wenn ich Sätze vor mir liegen sehe, keine Frage. Aber Sätze bilden kann ich nicht. Das macht man im Lateinunterricht einfach viel weniger als in anderen Sprachen. Und dann waren es eben meist Sätze der alten Römer.

Sowas wie: Pontius, der König der Etrusker segelte der Sage nach über das große Meer. Pontius erkannte die Vorzeichen für das bevorstehende Unrecht nicht.

Ich behaupte mal, dass die meisten sowas auch nicht auf Englisch, Spanisch oder Französisch sagen können. Wozu auch? Nur im Lateinunterricht lernt man eben nicht wie man einen Kaffee bestellt oder jemanden den Weg beschreibt.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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