Wolltet ihr schon einmal bewusst belogen werden?

Ich kann es mir ehrlich gesagt gar nicht wirklich vorstellen, wie man bewusst belogen werden möchte. Mir liegt Ehrlichkeit sehr am Herzen, so dass ich erwarte, dass man ehrlich zu mir ist, egal wie weh die Wahrheit tut. Genauso versuche ich aber auch immer, möglichst ehrlich zu anderen zu sein. Eine Lüge ist für mich etwas Schlimmes, auch wenn ich die Wahrheit weiß, so dass ich eben nicht angelogen werden möchte, erst recht nicht von Menschen, die mir sehr wichtig sind.

Tatsächlich erlebe ich bei meinem Onkel und meiner Tante aber gerade etwas anderes. Die beiden befinden haben sich getrennt, leben aber noch zusammen. Mein Onkel hat dabei schon eine neue Freundin. Als seine Frau ihn darauf ansprach und er nicht direkt antwortete, meinte sie wohl zu ihm, dass sie es nicht ertragen könnte, die Wahrheit zu erfahren und dass er sie lieber anlügen solle, solange sie noch zusammen wohnen. Dann wäre die ganze Angelegenheit nicht so schmerzhaft für sie.

Scheinbar ist es nun tatsächlich immer so, dass mein Onkel wohl sagt, dass er einkaufen geht oder sich mit Freunden trifft, wenn er tatsächlich aber zu seiner Freundin fährt. Sicherlich weiß meine Tante, dass das so nicht stimmt, aber sie will es nicht anders, was ich auch nicht verstehen kann. Wolltet ihr schon einmal bewusst belogen werden? Könnt ihr das nachvollziehen?

Menschen sagen manchmal viel aus einer gewissen Emotionalität heraus und meinen das gar nicht so. Denn wenn sie sagt, sie möchte belogen werden, ist das eigentlich Unfug. Sie weiß ja, dass er sich mit der Freundin trifft. Sie äußert nur aufgrund ihrer Emotionalität, dass sie es nicht wissen möchte; in Wahrheit weiß sie es doch.

Und vielleicht denkt sie, sie wäre dann trauriger oder es würde ihr schlechter gehen, wenn ihr der Ex erzählt, wo er wirklich war. Aber macht es einen Unterschied, ob er das sagt oder ob er eine Lüge vorschiebt, von der die Frau aber genau weiß, dass es nicht stimmt? Läuft doch auf das Gleiche hinaus oder?

Vielleicht sagt sie das auch, um dem Ex noch ein wenig ein schlechtes Gewissen zu machen, um zu zeigen, wie sie leidet und was für ein schlechter Mensch er ist. Denn mit dieser Aussage präsentiert man sein Leiden nochmal so richtig.

Ich habe bisher noch nie bewusst belogen werden wollen. Ich kenne es, dass man Menschen etwas fragt und im Prinzip eine bestimmte Antwort möchte. Aber wenn die gelogen wäre, hätte mich das dennoch nicht weiter gebracht.

Es kommt vor, dass Menschen sich nach der Wahrheit denken, hätte ich das lieber nicht erfahren. Das ist jedoch meist nur daher gesagt, weil die aktuelle Wahrheit zu sehr weh tut oder wirklich veranschaulicht, was schief gelaufen ist. Manchmal ist die Wahrheit hart und deswegen wünscht man es sich wohl des Öfteren, dass man die Wahrheit lieber nicht kennenlernen wollte.

Als der Freund meiner Schwester Schluss gemacht hat, war sie am Boden zerstört. Er hatte jedoch nichts besseres zu tun, als ihr aufzubinden, wie oft er fremdgegangen ist, wieso und das sie aufhören soll, ihm nachzutrauern. Dadurch hat er statt besser, alles viel schlimmer gemacht. Sie hätte und bleibt heute noch dabei, davon lieber nichts wissen wollen. Seither ist sie nicht mehr so unbedarft in eine Beziehung gegangen.

Mir persönlich ist keinerlei Situation passiert, wo ich so gedacht habe. Das liegt aber daran, weil ich mit der Wahrheit sehr gut leben kann und sie im Prinzip erwarte. Ehrlichkeit kann jeder von mir erwarten und das wirklich bis ins kleinste Detail, was ich also Voraussetzung auch vom Gegenüber erwarte, weil sonst hat weder Freundschaft, Bekanntschaft noch Partnerschaft eine Chance bei mir.

Sicherlich kann ich mir aber denken, dass ich über manche Wahrheit traurig wäre und denken würde, puh was wäre, wenn ich es nicht gewusst hätte? Sowas wird früher oder später sicherlich mal auftreten, aber da muss man offenbar durch, weil das ein Lernprozess des Lebens ist oder?

In meinem Wertesystem steht Ehrlichkeit relativ weit obenan, weswegen ich mir eigentlich noch nie gewünscht habe, dass man mich aktiv anlügt. Für mich hat es auch etwas mit Respekt zu tun, ob man jemandem ins Gesicht lügt oder ob man der Person zutraut, mit der Wahrheit klar zu kommen, und sei sie auch noch so hässlich. (Die Wahrheit, nicht die Person.) Daher würde ich nie jemanden aktiv darum bitten, mich auf diese Art zu missachten. Soviel Selbstwertgefühl habe ich dann doch noch.

Allerdings bin ich auch der Meinung, dass es eine Grenze gibt zwischen "lügen" und "jedes Detail lang und breit auswalzen". Wenn mich beispielsweise mein Partner betrogen hätte, würde ich es ebenfalls als herabsetzend empfinden, wenn er auf einmal einen Anfall von Ehrlichkeit bekommt und mir jede Einzelheit unter die Nase reibt, die mir vielleicht entgangen sein könnte. Dieses Verhalten ist auch weder produktiv noch hilfreich.

Wenn man somit wie besagter Onkel schon die nächste Dame am Start hat, obwohl die Trümmer der letzten Beziehung noch gar nicht zusammen gefegt sind, kann man seine Rendezvous ja auch unkommentiert oder sonstwie diskret abhalten und muss seiner Ex-Partnerin nicht jedes Mal verkünden, dass man zum "Einkaufen" mit dicken Finger-Anführungszeichen geht oder "Freunde" trifft. Manchmal kann man ja auch einfach nur den Rand halten.

Ich wollte noch nie bewusst belogen werden und ich halte da auch nicht sehr viel von. Ich kenne aber durchaus weibliche Exemplare, die so dermaßen auf ihre Figur fixiert sind, dass sie sich bei jeder Kalorienbombe, die sie sich bewusst gönnen, sich gerne mal einreden, dass sie da eine "Light-Variante" in sich hinein schaufeln. Es ist mir ein Rätsel, ob diese Selbstlüge funktioniert und wie das geht. Ich finde, man schmeckt da doch den Unterschied heraus, aber gut.

Letztendlich weiß sie es ja dennoch und kann damit auch nicht besser leben, wenn er diese Dinge scheinbar macht und dann zu seiner Freundin fährt. Wobei ich finde, dass er sich hätte respektvoller verhalten müssen. Es kann nicht sein, dass man quasi mit der neuen Freundin angibt und die Frau noch nicht mal ausgezogen ist.

Ich bin ein Mensch, dem Ehrlichkeit wichtig ist. Solche Lügen bringen keinem etwas und sicherlich würde ich mir auch lächerlich vorkommen, wenn mich jemand belügen soll, ich aber die Wahrheit kenne. Ich bin für die Wahrheit, wie schmerzvoll diese auch für mich sein mag.

Ich wüsste nicht was eine Lüge die ausgesprochen wird zu mir an der Tatsache ändern sollte? Hat der Partner also eine neue Freundin, dann fühle ich mich auch nicht besser wenn man mir ins Gesicht lügt als wenn man mir die Wahrheit sagt. Da bin ich dann doch eher für die Wahrheit, denn es tut kurz weh aber wenn das alles gegessen ist, dann kann man damit auch zu einem Abschluss kommen und muss sich keine weiteren Hoffnungen mehr machen.

Somit kam es noch nie vor, dass ich bewusst belogen werden wollte. Mir wurde schon einige male ins Gesicht gelogen und das habe ich als schlimmer empfunden, als wenn man bei der Wahrheit geblieben wäre. So hat mir mein Vater auch Jahrelang erzählt, dass er nirgendwo eine andere Frau hat, keine Kinder hat usw. aber ich wusste darüber schon lange Bescheid und war im Bilde. Einfach mal die Fresse aufmachen und dazu stehen wäre jedenfalls besser gewesen, als die komplette Familie solange zu belügen und betrügen. Denn als Jahre später die Wahrheit heraus gekommen ist für meine Mutter, ist diese noch tiefer abgestürzt als wenn sie das vorher schon gewusst hätte.

Ich denke, dass hätte einiges verändert und somit empfinde ich das Lügen als eine ganz schlechte Angewohnheit, auch wenn man das angeblich macht um andere zu schützen. Man schützt damit nur sich selbst aber niemand anderen und wer die Augen verschließt und die Wahrheit nicht wissen möchte, der belügt sich doch im Endeffekt auch nur selbst und kommt nie zu einem Anschluss für sich.