Unter welchen Umständen würdet ihr Sterbebegleiter werden

vom 08.07.2014, 08:11 Uhr

Wie ich schon in einem anderen Thread erwähnte, gibt es ja die so genannten Sterbebegleiter, die Sterbenskranke und ihre Angehörige bei ihren letzten Schritten begleiten, für sie da sind und sie bei ihrer Trauerarbeit unterstützen. Das Durschnittsalter eines solchen Sterbebegleiters liegt bei etwa 50 Jahren, aber es interessieren sich auch vermehrt jüngere Menschen für diese ehrenamtliche Tätigkeit, weil sie selbst irgendwelche Erfahrungen mit Sterbenskranken gemacht haben und daher für die Betroffenen eine Entlastung sein wollen.

Würdet ihr einer solchen Tätigkeit nachgehen, wenn ihr die Gelegenheit dazu hättet? Unter welchen Umständen würdet ihr so etwas machen? Braucht man eurer Ansicht nach eine gewisse charakterliche Voraussetzung für diesen Job?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Eine Voraussetzung wäre für mich, dass man ein Mindestmaß an Ausbildung bekommt. Was kann man tun, um den Sterbenden zu helfen? Woran erkennt man den nahenden Tod überhaupt? Welche (rechtlichen) Möglichkeiten hat man überhaupt als Sterbebegleiter? Welche Formalitäten müssen während und nach der Begleitung erledigt werden? Welche Formalitäten müssen Angehörige nach dem Tod erledigen und wie kann man da unterstützen? Wie sieht das als Begleiter mit meiner Haftung aus? Bin ich versichert und wenn ja, wogegen?

Das sind nur ein Bruchteil der Fragen, die sicher auftauchen werden. Und ohne sich da selbst sicher zu sein, würde ich da nicht helfen wollen. Ich denke, dass man nur wirklich helfen kann, wenn man weiß, was man machen kann und wie.

Da ich dank Familie, Ausbildung und meinem Schreibhobby recht wenig Zeit habe, kommt so eine zeitintensive Sache für mich momentan eher nicht in Frage. Zudem man als Sterbebegleiter auch zu jeder Tages- und Nachtzeit abrufbereit sein sollte. Der Tod kommt schließlich nicht unbedingt nach Zeitplan. Und da wäre dann bei mir der Punkt erreicht, dass ich da kaum geeignet wäre. Zumindest momentan nicht. Wenn die Kinder mal alle flügge sind und es dann beruflich möglich wäre, könnte ich mir das schon vorstellen, so etwas zu machen.

Welchen Charakter man braucht? Ich denke, man sollte mit dem Tod locker umgehen können. Wenn man selbst beim Gedanken an Tote schon in schlichte Panik ausbricht, kann man wohl nur schwer Trost und Ruhe spenden. Folglich sollte man auch vielleicht nicht unbedingt der Typ ruheloser Hektiker sein, um die Sterbenden und deren Angehörigen nicht zu sehr nervös zu machen. Schwierig fände ich es auch, wenn man sehr überzeugt gläubig oder ein sehr überzeugter Atheist ist und nicht locker damit umgehen kann, dass andere Menschen vielleicht nicht die selbe Überzeugung haben, wie man selbst. Wenn man dann in einem sensiblen Augenblick wie vor dem Tod anfängt zu agitieren oder zu missionieren, dann kann das schwierig werden. Tolerant sollte man also schon sein.

Ganz wichtig fände ich auch, dass man seine eigenen Emotionen halbwegs im Griff haben sollte. Klar ist ja, dass der eine oder andere Betreute auch früher oder später tatsächlich sterben wird. Mit so einem Erlebnis sollte man gut umgehen können, damit man nicht über eher kurz als lang traumatisiert ist.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich glaube nicht, dass ich das charakterlich packen würde. Ich helfe gerne, bin gerne auch dazu bereit Menschen länger zu betreuen und diese dann sterben zu sehen, aber wenn ich weiß, dass da nicht mehr so viel Zeit ist und letztendlich auch ein nicht so schöner Tod in Frage kommt, würde ich das nicht aushalten können. Dazu bin ich zu sensibel.

Deswegen würde ich das unter keinen Umständen machen wollen, wobei ich den Beruf oder die Tätigkeit an sich sehr wichtig finde und auch denke, dass das mehr unterstützt werden müsste, aber ich kann mir das nicht vorstellen für mich und denke auch, dass ich da keine tolle Hilfe wäre.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Warum nicht? Immerhin ist das auch nur ein Job wie jeder andere auch und man muss daran kein Gefallen finden oder auch sich direkt in jeden der Leute hinein versetzen und mitleiden. Das macht ohnehin niemand der das längerfristig vor hat, da man sich damit einfach selbst kaputt macht. Von daher sehe ich es schon als wichtigste Eigenschaft an, dass man in der Lage ist zu differenzieren und nicht alles auf sich und sein Leben projiziert, ansonsten macht man sich damit schneller kaputt als einem lieb ist.

Sensibel und sonstiges ist doch keine schlechte Eigenschaft, da kann man besser vorspielen und nachempfinden was in den Leuten vorgeht. Jedenfalls einfacher und besser, als wenn jemand komplett Emotionsloses vor einem sitzt und die Empathie eines Stahlblocks an den Tag legt. Zudem muss es auch immer passen und nicht jeder Begleiter ist auch für jede Familie und sterbenden geeignet, da dort auch das menschliche und der Rest passen muss.

Sicherlich sollte man über das rechtliche Bescheid wissen, auch wie der Ablauf vom Tod an sich ist und auch die Trauerphasen hinterher bei den Angehörigen. Auch damit sollte man umgehen können und auch das ganze was die Organisation im Anschluss für die Beisetzung betrifft sollte man wissen und ggf. auch unterstützend wirken können. Allgemein wird also recht viel von einem gefordert und als ehrenamtliche Tätigkeit ohne Bezahlung würde ich das sicherlich nicht machen, da man dort einfach eine Menge Zeit rein steckt, die es mir einfach nicht Wert ist. Als Job der bezahlt wird durchaus, wenn er angemessen bezahlt wird und die Rahmenbedingungen wie z.B. Arbeitszeiten usw. passen.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Man braucht für jeden Job bestimmte charakterliche Voraussetzungen, gerade im sozialen Bereich. Einem Computer ist es egal, ob man ein Choleriker ist oder nah am Wasser gebaut hat, aber in der direkten Arbeit mit Menschen macht es schon einen Unterschied. Aus eigener Erfahrung habe ich den Eindruck, dass Sterbebegleiter eine ganz besondere Mischung aus sensibel, offen und zugänglich einerseits, und ganz harten Hunden andererseits darstellen. Wer tagtäglich mit leidenden Menschen und Angehörigen zu tun hat, muss sich wohl vor allem ein sehr dickes Fell zulegen.

Ich würde mich auf diesem Sektor wohl nicht ehrenamtlich engagieren, da die psychische Belastung sowie der Aufwand an Zeit und Umständen mir doch groß genug erscheinen, dass man eine derartige Aufgabe nicht mal eben neben Job, Familie und Hobbys noch spaßeshalber mal am Wochenende mitlaufen lässt. Der Job ist meines Erachtens hart genug für eine anständige Bezahlung.

Aber selbst dann wäre ich wohl keine geeignete Sterbebegleiterin, da ich nicht gerade durch Taktgefühl glänze und es mir an persönlicher Wärme im Umgang mangelt. Es hätte niemand etwas davon, wenn ich wie ein Holzklotz vor den Angehörigen stehen würde und Sachen sagen wie: Eigentlich müsste Ihr Opa schon seit Stunden tot sein, keine Ahnung, warum er immer noch schnauft.

Ich würde nicht sagen, dass es mir an Mitgefühl mangelt, aber ich kann es nicht immer auf die passende Weise ausdrücken, und die meisten Menschen in einer derartigen Extremsituation hätten von meiner Anwesenheit etwa so viel wie von einem summenden Kühlschrank. Deswegen habe ich auch keinen Sozialberuf ergriffen und habe es auch nicht vor.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


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